Ein Wasserkanal im Wettinger Kloster entdeckt
Der Rohbau des neuen Westflügels des Wettinger Klosters steht. Die Handwerker feierten vergangene Woche Aufrichte. Beim Graben gabs einige historische Überraschungen.
«In einem historischen Gebäude wie dem Wettinger Kloster zu bauen, ist die Königsdisziplin, es ist sozusagen bauen am offenen Herzen», sagt Reto Nussbaumer von der Aargauischen Denkmalpflege. Von Anfang an war seine Abteilung deshalb in den Neubau involviert. Er wird direkt im Anschluss an die Klosterkirche gebaut und reicht bis ans südliche Ende des bestehenden Westflügels. In den zwei Obergeschossen entstehen zwölf Schulzimmer, darunter eine Lernhalle. Vor einer Woche feierten die Handwerker Aufrichte. Elf Jahre, nachdem der Masterplan Klosterhalbinsel erstellt wurde, vier Jahren nach der Bewilligung des Gestaltungsplans und zwei Jahre nach der Kreditsprechung von 17,9 Millionen Franken für den Bau durch die Grossratsmitglieder. Eigentlich hätte der Neubau bereits in diesem Schuljahr bezogen werden sollen. Wegen einer Submissionsbeschwerde verzögerte sich der Bezug nun um rund ein Jahr. «Wir beginnen jetzt mit dem Innenausbau, der voraussichtlich bis im Frühjahr dauert», sagte Frank Gysi, Teamleiter Bauherrenvertretung der Immobilien Aargau.
Die alten Grundmauern entdeckt
Dort, wo jetzt der Rohbau des neuen Westflügels mit der Lernhalle und den Schulzimmern steht, stand bis ins 19. Jahrhundert das sogenannte Hönggerhaus. 1883 wurde der nördliche Teil abgebrochen und der südliche Teil in den 1950er-Jahren zur Turnhalle umfunktioniert. Zuvor wurde der Westtrakt als Kellerei und Kornschütte genutzt. Ursprünglich diente er als Wohntrakt der Laienbrüder. Beim Abriss des nördlichen Teils wurden die untersten drei Meter stehen gelassen und zugeschüttet. Die so entstandene Grünfläche diente bis vor zwei Jahren als Kinderspielplatz. Von dort aus war der Kreuzgang direkt zugänglich, was in Zisterzienserklöstern unüblich ist. Normalerweise wird er von allen Seiten mit Gebäuden umgeben. Mit dem Abriss der Turnhalle und dem Bau des neuen Westflügels trägt man dem historischen Ursprung wieder Rechnung. «Wir wollten aber nicht einfach das alte Gebäude rekonstruieren, sondern eine Verwebung mit den bestehenden Gebäuden schaffen, sodass der Westflügel aus der Ferne nicht wie ein Fremdkörper aussieht», so Nussbaumer.
Lernhalle und zwölf Schulzimmer
Die sechs Meter hohe Lernhalle, die sich für Gruppenarbeiten eignet, wurde rund drei Meter ins Erdreich hineingebaut. Bei den Grabungen wurden auch die alten, stehengebliebenen Mauern des Hönggerhauses freigelegt. «Im Untergrund sind wir auf den original Flusswackeboden mit Steinen aus der Limmat gestossen», sagt Architekt Sandro Meier vom Zürcher Architekturbüro Waeber Dickenmann Partner AG. Man habe vermutet, dass dieser Boden bestehe, «wir haben ihn aber nicht in dieser guten Qualität erwartet». Der Flusswackeboden wurde entfernt, geschnitten und wird nun in den jetzigen Bodenaufbau integriert und sichtbar gemacht.
Beim Graben entdeckten die Handwerker im Frühjahr 2023 auch noch andere historische Funde, die von Kantonsarchäologen ausgegraben wurden. «Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Keller nach dem Grossbrand von 1507 erneuert wurde und die mit grossen Spitzbögen versehenen Trennwände erst mit dem Wiederaufbau errichtet worden sind. In einem Raum nördlich davon fand sich ein Latrinenschacht, worin Keramik- und Glasgefässe des 15./16. Jahrhunderts entsorgt wurden», schreibt die Kantonsarchäologie auf ihrer Website. Die mobilen Fundstücke werden nun gereinigt, dokumentiert und eingelagert, sodass sie für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Es handelt sich beispielsweise um einen alten Wasserkanal, Scherben, Gefässe und ein natursteingehauenes Abflussbecken im Boden. Die Funde geben der Kantonsarchäologie Auskunft über das Alter dieser Gebäudeteile des Klosters, das im Jahr 1226 entstanden ist.
Bau mit einem Jahr Verzögerung
Im Laufe des Frühjahrs wird der Innenausbau fertiggestellt und aufs neue Schuljahr hin bezogen. Künftig wird die Kantonsschule mit erneuerbarer Energie beheizt, die Fernwärme wird von der Limmat genutzt. Zur Wärmepumpe wird ein Biogas betriebener Spitzenlastkessel eingebaut. Die im Park vergrabenen Öltanks werden künftig als Wasserspeicher dienen. Beim Massivbau wurden Holzbaudecken eingebaut. «Aus ästhetischen Gründen wird auf eine Photovoltaikanlage verzichtet», sagt Nussbaumer.
«Mit dem Bezug des Westflügels ist die Kanti Wettingen fertig gebaut», so Gysi. Sie kann dann sechs weitere Abteilungen aufnehmen und mit den gesamthaft 55 Abteilungen die Kapazität der Dreifachsporthalle ausnutzen, die im 2018 gebaut wurde.
Doch auch wenn im Frühjahr der Westflügel bezugsbereit ist, gehen die Bauarbeiten «am offenen Herzen» weiter. Nächstes Jahr steht nämlich die Innensanierung der Klosterkirche an. «Es geht vor allem um Reinigungs- und Werterhaltungsarbeiten», so Nussbaumer. Zudem ist im 2028 die Neugestaltung des Vorgeländes Karrenstall geplant.