In seinem Keller ist ein besonderer Zoo zu Hause

Tierpfleger Walter Benz lagert nahe des Bahnhofs Würenlos über 3500 Tierpräparate. Manches Tier kannte er schon zu Lebzeiten.

Einige Tiere hat Walter Benz selbst präpariert, etwa diese Schildkröte.  Sibylle Egloff
Einige Tiere hat Walter Benz selbst präpariert, etwa diese Schildkröte. Sibylle Egloff

Die Türe geht auf und der Blick schweift nach rechts zu den zwei Eisbären, die einen stehend mit ihren drei Metern Körpergrösse und den grossen Tatzen den Atem stocken lassen. Die Reise startet in der Polarregion und geht über den ganzen Erdball: Giraffen, Zebras, ein Nilpferd, Koalas, Bisons, Luchse, Rentiere, Schlangen, Steinböcke, Tiger, Löwen, Wölfe, Wildschweine, Paviane, Kängurus. Wohin man auch schaut, blicken einem Tiere entgegen. Die Sammlung von Walter Benz ist eine Wucht fürs Auge.

In einer Gewerbeliegenschaft in Würenlos lagert der Wettinger über 3500 Tierpräparate. In der Deutschschweiz besitzt niemand anderes mehr ausgestopfte Tiere als er. Vor zweieinhalb Jahren ist der 39-Jährige mit seinem speziellen Zoo von Wettingen in einen Keller mit 225 Quadratmetern nahe des Bahnhofs Würenlos gezogen. «Es war gar nicht so einfach, einen geeigneten Ort zu finden. Es muss trocken und kühl sein und darf keine direkte Sonneneinstrahlung haben. Die Hauptgefahren für Präparate sind UV-Licht und Insekten. Ersteres bleicht die Felle und Letztere fressen Federn und Haare», erklärt Benz. 2017 übernahm er das Lebenswerk von Hanspeter Greb aus Busswil, der als selbstständiger Präparator rund 2000 Tiere ausstopfte. Hinzu kommen knapp 2000 Exemplare, die Benz in den letzten 20 Jahren erstanden oder selbst präpariert hat.

Jagdtrophäen haben keinen Platz in seiner Sammlung

Zu den neusten Zugängen in Benz’ Sammlung gehören ein Jaguar, ein Kiwi und ein Koalabär. «Ich bin Tierpfleger und erhalte viele Tiere über Zoos oder über die einheimische Jagd. Zudem kenne ich viele Präparatoren, denen ich ebenfalls Tiere abkaufe», sagt Benz. Wichtig sei ihm, dass es sich um keine Jagdtrophäen handle und dass geschützte Tiere über ein Artenschutzpapier verfügen würden.

Die Exponate bleiben aber nicht alle dauernd in Benz’ Sammlung. Er vermietet die Tiere mit seiner Firma Animal decor unter anderem an Museen, Theater oder Filmschaffende. «Dieser Strauss hier wird bald in Lausanne in einer Bank stehen. Ihr Motto ist, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Da passt der Strauss perfekt.» Ein Hirsch aus seiner Sammlung wird überdies bald das Bühnenbild einer österreichischen Schlagersängerin schmücken. Seine Präparate waren sogar schon im Fernsehen zu sehen. «Eine Szene des Bestatters mit Mike Müller wurde in meinem alten Lager in Wettingen gedreht.» Aktuell befindet sich zudem ein von Benz präpariertes Einhorn in der Ausstellung «un-heilig» im Museum Eduard Spörri in Wettingen. «Dabei handelt es sich um einen Schimmel, den ich mit einem Antilopenhorn ausgestattet habe», erzählt Benz.

Seine Leidenschaft entfachte ein Hirschgeweih. «Ich fand es mit 14 Jahren in einer Abfallmulde. Seither sammle ich Präparate», erinnert sich Benz. Am Herzen liegt ihm, dass die Tiere für die Nachwelt erhalten bleiben. «Schön ist, wenn die Tiere ihren natürlichen Ausdruck behalten und man sie lebensecht darstellen kann. Das ist die Kunst am Präparieren.» Man habe selten die Möglichkeit, ein Tier eins zu eins zu betrachten, sagt Benz. «Vor allem für Kinder ist es spannend, vor einem Eisbären oder einem Löwen zu stehen und zu merken, wie gross die Tiere sind.» Aus diesem Grund öffnet Benz seine Sammlung jeden ersten Sonntag im Monat von 10 bis 12 Uhr für Besucherinnen und Besucher. Eintritt muss niemand zahlen, es gibt eine Kollekte. «Das ist sozusagen mein Dienst an der Bevölkerung.» In diesen zwei Stunden wandeln oft 30 bis 40 Personen durch den Keller und bestaunen die Tiere. «Vor allem Familien mit Kindern kommen vorbei. Zudem besuchen mich auch immer wieder Jungjäger, um für ihre Prüfungen zu lernen. Hier können sie Greifvögel und Wasservögel in nächster Nähe anschauen. Das ist etwas anderes, als die Tiere auf Bildern zu sehen», sagt Benz.

Pepe Lienhard schaut sich ab und zu seine exotischen Vögel an

Zu seinen Stammgästen zählt auch der Schweizer Musiker und Entertainer Pepe Lienhard. «Er hielt lange Zeit exotische Vögel und sieht sich daher gerne meine Vogelpräparate an», sagt Benz. In der Sammlung finden sich überdies auch ehemalige Haustiere. «Diese Liszaffen habe ich selbst gehalten. Als sie gestorben sind, habe ich sie präpariert», sagt Benz und blickt auf eine Gruppe von kleinen feingliedrigen Äffchen, die auf Ästen sitzen. Das nächste grosse Präparationsprojekt wird ein spanischer Kampfstier sein. «Um Tiere zu präparieren, muss das Fell komplett abgezogen, gesäubert und gegerbt werden. Der Körper wird mit einem Hartkunststoffschaum geformt. Danach wird das Fell darübergeklebt und fixiert. Die Augen bestehen aus Acrylperlen, die man in allen Farben und Grössen erhält», erklärt Benz. Für einen Rehkopf benötigt er ungefähr einen Tag Arbeit. Schwierig wird es bei Tieren, die eine ganz dünne Haut oder fast keine Haare haben. «Das ist zum Beispiel bei Tauben oder bei einer Antilope der Fall. Die Haut reisst sehr schnell. Zudem muss man mehr Struktur reinbringen als bei einem Tier mit mehr Fell. Jede Falte, die nicht richtig liegt, sieht man.»

Ab Herbst wird er mehr Zeit haben, sich seiner Passion zu widmen. Benz hat seine Anstellung als Tierpfleger gekündigt und wird künftig vermehrt auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb Mooshof und für seine Sammlung arbeiten. Vergrösserungspläne hegt Benz keine. «Doch wenn ich das eine oder andere Präparat finde, sage ich nicht nein», sagt er und lacht. Dabei denkt er vor allem an Geier. «Ich besitze bereits sechzehn Arten, es fehlen jedoch noch sieben. Es wäre schön, wenn ich meine Geiersammlung komplettieren könnte.»

Ausstellung offen am Sonntag, 5. Juni, von 10 bis 12 Uhr an der Grosszelg-strasse 24 in Würenlos.

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