Klimaneutralität durch Klärschlamm
In Dietikon wurde die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz nach sechs Jahren Entwicklung feierlich eingeweiht. Das Vorzeigeprojekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Landes und ermöglicht erste Erkenntnisse über den Betrieb und die Wirtschaftlichkeit dieser Technologie.
Über drei Stockwerke erstreckt sich der neue Holzbau gleich am malerischen Ufer der Limmat – helles Holz prägt die Innenräume, die unzählige Pumpen, Röhren und Kabel beherbergen. Hier auf dem Areal der Limeco wird Pionierarbeit betrieben, hier wird aus Abfall und Abwasser Gas gewonnen. Oder etwas genauer: In der benachbarten Kehrichtverwertungsanlage (KVA) erzeugter erneuerbarer Strom wird zu Wasserstoff umgewandelt und mit Klärgas aus der Abwasserreinigungsanlage (ARA) gemischt. Das eigentliche Herz der Anlage bildet dabei ein silbrig glänzender Bioreaktor: Dort wird die Mischung mithilfe von Archaeen – also Mikroorganismen – in Methangas umgewandelt, das dieselben Eigenschaften wie Erdgas aufweist und anschliessend ins Netz eingespeist wird.
Blumenstrauss an Technologien
Der fortschreitende Klimawandel und die steigenden Gaspreise angesichts des Ukraine-Kriegs führen uns vor Augen, dass wir in Zukunft zwingend vermehrt auf erneuerbare Energien setzen müssen: «Die aktuelle geopolitische Lage zeigt, dass die Abkehr von fossilen Energieträgern wichtiger ist denn je», so der Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) Benoît Revaz an der feierlichen Eröffnung der Power- to-Gas-Anlage am vergangenen Freitag. Die dafür benötigten Technologien seien entweder vorhanden oder in Entwicklung. «Um einen nachhaltigen Umbau unseres Energiesystems möglichst rasch zu erzielen, sind wir auf einen Blumenstrauss aus verschiedenen Technologien angewiesen.» Dies unterstreicht auch Patrik Feusi, Geschäftsführer von Limeco: «Unser Auftrag ist es, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Energieform in der richtigen Qualität am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen.» Dafür betreibt das Limmattaler Regiowerk ein intelligent gesteuertes Energiesystem, das sogenannte «Multi-Energy-Hub». Und bei diesem übernehme die neue Power-to-Gas-Anlage eine Schlüsselrolle. Denn da die erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarenergie nicht planbar sind, bedarf es einer Möglichkeit, überschüssigen Strom aus dem Netz zu nehmen und diesen zu speichern – Stichwort Netzstabilität.
Langfristige Investitionen
Doch weshalb nun Gas? Im Gegensatz zu anderen Medien lässt sich Gas über längere Zeit und raumsparend speichern. Insbesondere um die Energieversorgung auch bei einer drohenden Winterstromlücke selbstständig sicherstellen zu können, sind wir auf innovative Speichermöglichkeiten neben der Wasserkraft angewiesen. Eine einzelne Anlage löst allerdings noch keinen Stromengpass – mit der Anlage in Dietikon können gerade einmal 2000 Haushalte mit Strom versorgt werden. In Zukunft bedarf es also langfristiger Investitionen, um den hohen Folgekosten der drohenden Klimaerwärmung zu begegnen: «Für einen erfolgreichen Umbau unseres Energiesystems braucht es neben technologischen Innovationen auch geeignete Rahmenbedingungen und die Akzeptanz unserer Bevölkerung», so BFE-Direktor Revaz. «Doch ich bin zuversichtlich, dass diese Anlage als Leuchtturm für zukünftige Projekte den Weg weisen wird.»