Gaby Liechti: 33 Jahre in der Pflege
Gaby Liechti arbeitete 33 Jahre lang für die Spitex. Sie lässt sich nun frühpensionieren und gibt Einsicht in über drei Jahrzehnte in der Pflegebranche.
Früher war es das Ziel eines Unternehmers, die Mitarbeiter so lange wie möglich zu behalten. Heute spricht man von «lange», wenn jemand länger als drei Jahre bleibt. Eine Ausnahme ist Gaby Liechti. Sie liess sich im September nach sage und schreibe 33 Jahren bei der Spitex Wettingen-Neuenhof frühpensionieren. «Ich würde alles nochmal so machen», erklärt sie leicht gerührt. Die Pflege sei nicht ihr Beruf gewesen – sondern ihre Berufung.
Viele Wege führen nach Rom – und für Gabriela nach Wettingen
Angefangen hat Liechti nicht als Pflegerin, sondern als Damenschneiderin. Ziemlich bald aber merkte sie, dass sie sich weniger für Stoff und mehr für Menschen interessierte. Sie brach ihre Ausbildung ab und ging zu einer Familie als Kindermädchen. «Das hat mir sehr gut gefallen», erinnert sie sich. Nachdem das Praktikum abgeschlossen war, absolvierte sie die Haushaltsschule in Aarau. Diese sechs Monate, zusammen mit dem halbjährigen Praktikum als Kindermädchen, rechnete sich als Haushaltslehrjahr. Im Anschluss absolvierte sie die Hauspflegerinnenschule. «Das war früher halt alles noch ein wenig anders. Es gab eigentlich keine Lehre in der Pflege, wie man sie heute kennt», erklärt sie. Nach der Ausbildung fing sie im Altersheim an zu arbeiten, wechselte dann aber zum reformierten Haus- und Krankenpflegeverein. Dies, obschon sie katholisch sei. «Die Reformierten stellten sich weniger kompliziert an als die Katholiken», schmunzelt sie. Sie setzte sich gegen 41 Bewerberinnen durch. Am 1. November 1989 war das. Und bis heute ist sie geblieben. Denn die verschiedenen Pflegevereine kombinierten sich später zur Spitex.
«Nein, hier gehe ich wieder!»
Es liest sich wie ein perfekter Start. Doch wenn Gaby Liechti heute an ihren ersten Patienten zurückdenkt, grenzt es an ein Wunder, dass sie in der Branche blieb. Es war ein älterer Mann in Wettingen. «Er hatte ein grosses Pflegedefizit», erklärt sie. Übersetzt heisst das: Der Mann und seine Wohnung waren völlig verwahrlost. In der Wohnung habe so gut wie alles gelebt. «Überall krochen Maden und flogen Insekten und Fliegen. Er hatte eine Hautkrankheit, die dazu führte, dass sich die Haut die ganze Zeit schälte. Dementsprechend lagen auch überall Schuppen. Sogar in seinen Zahnprothesen lebten Maden.» Doch sie nahm sich ihrer Pflicht an und half. Schliesslich konnte ihm geholfen werden. Er kam ins Krankenhaus und wurde gepflegt. Er genas und wurde schliesslich in ein Pflegeheim übermittelt. Doch eigentlich war sie da bereits nahe einer Kündigung. Doch so schwer ihr erster Auftrag auch gewesen sein mag, so schön war auch die Zeit, die nachher kam: «Ich durfte Familien unterstützen, viel mit Kindern arbeiten und viele verschiedene Rollen übernehmen. Auch die Arbeit mit Seniorinnen und Senioren fand ich erfüllend. Ich habe wunderschöne 33 Jahre erleben dürfen.»
Eine Beziehung auf Zeit
Wenn man seinen Beruf so mag und auch seine Klienten so ins Herz schliesst, muss es schwierig sein, eine professionelle Distanz zu wahren. Gaby Liechti stimmt zu, erklärt aber auch, auf welche Weise sie sich distanzieren konnte. Es sei unheimlich wichtig gewesen, sich immer wieder bewusst zu machen, dass alles nur auf Zeit sei: Man erhält einen Patienten. Und wenn dieser keiner mehr ist, ist der Auftrag abgeschlossen. Und doch: So einfach, wie es klingt, sei es nicht immer gewesen: «Ich half einer Familie aus, deren Mutter Krebs hatte. Und als klar wurde, dass sie nicht mehr aus dem Spital zurückkommen würde, habe ich oft auf dem Nachhauseweg geweint. Das geht einem dann schon nahe.» Und dann gebe es Situationen, die sich sehr positiv entwickelten. «Ich habe einer Familie geholfen, da war ich erst seit drei Monaten dabei. Noch heute grüssen wir uns und ihre Kinder erzählen immer noch von mir», sagt Liechti.
Ein Resümee aus 33 Jahren
Nach 33 Jahren schaut Gaby Liechti auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Klassisch, mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Würde sie heute etwas anders machen? «Nichts», meint sie. In die Pflege würde sie wieder. Über jeden Berg und durch jedes Tal würde sie nochmal gehen. Auch bei der Spitex würde sie wieder arbeiten wollen. Deswegen bleibt sie dieser auch über die Frühpensionierung hinaus erhalten. Doch nun will sie erst mal Zeit für sich finden. 33 Jahre sind eine lange Zeit.