Das sagen die Parteien zur Reorganisation
Ortsparteien, Kommissionen und Pro Spreitenbach äusserten sich zu den Plänen des Gemeinderats, die Exekutive und die Verwaltung neu zu organisieren.
Als im Juni der neugewählte Gemeindepräsident Marcel Lang nach nur 22 Tagen im Amt überraschend zurücktrat, hätte der Gemeinderat Ersatzwahlen einberufen können. Das tat er aber nicht. Er teilte mit, dass er Verwaltungsleitung und Exekutive reorganisieren will. Denn er sieht einen Schwachpunkt im Spreitenbacher Führungsmodell, wo der vollamtliche Gemeindepräsident seit dreissig Jahren auch Verwaltungsleiter und Personalchef ist. «Der Verwaltungsleiter wird via Volkswahl zum Gemeindepräsidenten erkoren und es kann kein verbindliches Anforderungsprofil vorgeschrieben werden», kritisiert der Gemeinderat. Er schlägt vor, eine ausgebildete Fachperson als Verwaltungsleiter anzustellen, die sich um das operative Geschäft kümmert, während der Gemeindepräsident vor allem strategische Entscheide fällt und repräsentative Aufgaben übernimmt. Beide Personen sollen dies nach Ansicht des Gemeinderates in einem Vollzeitpensum zwischen 80 und 100 Prozent ausführen.
Stossrichtung wird begrüsst, Fragen gibt es bei Pensen und Analyse
Bis letzte Woche konnten sich Ortsparteien, Finanz- und Geschäftsprüfungskommission sowie Pro Spreitenbach zu den gemeinderätlichen Vorschlägen in einem Vernehmlassungsverfahren äussern.
Die Rückmeldungen zeigen: Grundsätzlich wird die Reorganisation begrüsst. Die jüngsten Geschehnisse hätten gezeigt, dass etwas gemacht werden müsse, sagt der Präsident der Finanzkommission, Mato Banovic: «In Sinne einer nachhaltigen Lösung unterstützen wir den Vorschlag, auch wenn er zu Mehrkosten führt.» Ähnlich lautet das Fazit von Pro Spreitenbach. Der Verein erachte es als höchste Zeit, dass die Leitung der Verwaltung in professionelle Hände komme. Damit soll der Gemeindepräsident entlastet werden. «Zumal dieser vom Volk gewählt wird und keine Referenzen im Bereich Personalführung vorlegen muss», sagt Peter Wurzer, Präsident von Pro Spreitenbach. Er wünscht, dass die Gemeindeverwaltung wie ein mittelgrosses Unternehmen geführt wird. «Dafür braucht es einen Verwaltungsleiter mit Erfahrung und Sozialkompetenz. Die Abteilungsleiter unserer Gemeinde haben sich seit langem selber organisiert und darum bleibt zu hoffen, dass diese Vakanz aus neutraler Stelle besetzt wird, damit auch wirklich eine Veränderung stattfindet.»
Auch die Parteien begrüssen eine Reorganisation. Die FDP unterstützt diese jedoch nur, wenn die Überprüfung von einer externen Stelle vorgenommen wird, und fordert eine externe Analyse. Die SVP, CVP und SP sind sich nicht einig, was die Höhe der Pensen betrifft. Während der SVP zwei Vollzeitstellen zu hoch sind, wird dies von der CVP unterstützt. Die SP möchte über Details diskutieren. Untenstehend sind die Stellungnahmen der Parteien publiziert.
FDP
Die Ortspartei unterstützt eine Überprüfung der Organisationsstruktur. Für die FDP ist die vom Gemeinderat gewählte Vorgehensweise allerdings nicht zielführend. Die FDP fordert eine externe Analyse. In der aktuellen Situation ist es zwingend und vernünftig, wenn die Organisationsprüfung von einer unabhängigen, externen Organisation durchgeführt wird. Eine Fachfirma bringt die notwendige Fachkompetenz und Erfahrung aus anderen Analysen mit. So hat kürzlich die Stadt Brugg eine entsprechende externe Analyse durchgeführt. Bei der vorliegenden Strukturanpassungsvorlage werden keine alternativen Modelle aufgeführt. Mit einer professionellen externen Projektbetreuung würden verschiedene Modelle als Lösung präsentiert. Der Gemeinderat hat seine Aufgabe ungenügend gelöst, wenn keine anderen Führungsformen in ähnlich strukturierten Gemeinden (Grösse, soziokulturell, Fläche, geografische Lage, finanzpolitische Situation etc.) geprüft wurden. Die FDP erkennt im vorgeschlagene Lösungsmodell eine Organisation um bestehende Personen. Dies greift zu kurz und muss nicht das zeit- und sachgerechte Lösungsmodell für Spreitenbach der nächsten 50 Jahre sein. Der Gemeinderat sollte die Chance ergreifen, mit einer externen Verwaltungsprüfung das fehlende Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Des Weiteren ist mit einer Aussensicht der Organisation und Kultur die Möglichkeit von wertvollen Empfehlungen, um das ganze System zu neuer Stabilität zu führen, was zwingend notwendig ist, ungenutzt verpufft. Die für ein so wichtiges Geschäft benötigten finanziellen Mittel stehen bestimmt zur Verfügung. Der Gemeinderat hätte die benötigten Mittel mit einem Nachtragskredit direkt an die FIKO bestimmt zugesprochen erhalten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die ganzen Personalaufwendungen für den zurückgetretenen Gemeindepräsidenten im Budget 2020 eingestellt sind und bestimmt nicht komplett für den zusätzlichen Aufwand des Gemeinderats ausgeschöpft werden. Aus den oben aufgeführten Erwägungen unterstützt die FDP-Ortspartei den gemeinderätlichen Vorschlag nicht, sofern keine externe Organisationsüberprüfung durchgeführt wird. Die FDP fordert eine externe Analyse.
CVP
Die CVP Spreitenbach begrüsst das Engagement des Gemeinderates –nach der jüngsten Entwicklung in der Exekutive von Spreitenbach –, sich mit einer allfälligen Neuorganisation dieser wichtigen Aufgabe auseinanderzusetzen. Die CVP Spreitenbach ist der Auffassung, dass mit der Schaffung der Stelle eines Verwaltungsleiters ein möglicher Lösungsansatz gefunden worden ist, wie der Gemeindepräsident entlastet werden kann. Die Ortspartei ist der Meinung, dass diese verantwortungsvolle Aufgabe von einer qualifizierten Person ausgeübt werden muss. Gleichzeitig soll nach wie vor die Funktion des Gemeindepräsidenten die wesentlichsten Entscheide dieser Gemeinde beeinflussen.
Die CVP sieht das neue Setup, unter den nachfolgenden Annahmen, als Gewinn für die Gemeinde: • Das Pensum von 80 bis 100 Prozent für den Verwaltungsleiter wird unterstützt; • die Person muss die notwendigen Qualifikationen ausweisen; • die Person muss Erfahrung bei Personalführung und Strategieumsetzung ausweisen; • die Person muss von Vorteil bereits eine ähnliche Aufgabe ausgeübt haben.
Darüber hinaus ist die CVP der Meinung, dass die Stelle des Gemeindepräsidenten nach wie vor mit attraktiven Konditionen ausgestatten werden soll, denn es soll sich eine qualifizierte Persönlichkeit bewerben können, die in einem dynamischen Umfeld die Strategieentwicklung für unsere Gemeinde vorantreiben kann. Zudem sollte das Pensum für diese verantwortungsvolle Aufgabe 80 bis 100 Prozent betragen.
Mit diesem neuen Setup kann sich der Gemeindepräsident mit seinem Kollegium um die Entwicklung von Spreitenbach kümmern und ist von der administrativen Umsetzung entlastet. Schlussendlich kommt es darauf an, dass der Gemeinderat und der Verwaltungsleiter gut miteinander arbeiten können. Was bringt es, die beste Strategie zu entwickeln, wenn man niemanden hat, der diese umsetzen kann und umgekehrt?
SVP
Spreitenbach zählt heute im Vergleich zu 1990 über 3750 Menschen mehr, was einem überproportionalen Wachstum entspricht. Dies verlangt mehr Ressourcen in sämtlichen Belangen. Dadurch bleibt auch die Belastung der Gemeindeführung nicht unberührt: mehr Entscheidungen und Geschäfte, die zeitaufwendiger und rechtlich nicht einfacher werden. Die vorzeitige Demission von Josi Bütler, gefolgt von Valentin Schmid und auch das faktische «Nichtantreten» von Marcel Lang müssen als Indizien für eine Überlastung gewertet werden. Auch die eigentlich für einen «Gemeindejob» grosse Personalfluktuation kann als Zeichen in diese Richtung gedeutet werden. Auch in der Bevölkerung konnte bemerkt werden, dass einige wichtige Aufgaben oder Entscheidungen länger als gewünscht auf ihre Erledigung warten müssen. Aus diesen und weiteren Überlegungen stellt sich die SVP hinter die Idee, die Aufgaben in der «Führung» von Spreitenbach neu zu organisieren. Den vom Gemeinderat vorgeschlagenen Weg, einen «Vollzeit-Verwaltungsleiter» zusätzlich einzustellen, ist zielführend. Auch den im Dorf stark verankerten Gemeinderat mit Gemeindepräsidenten neu als eine Art «Verwaltungsrat» für die strategische Ausrichtung weiterzuführen, kann die SVP zustimmen. Was noch nicht als sakrosankt gilt, ist die Höhe der Pensen dieser neu geschaffenen Stelle sowie auch die prozentuale Auslastung des Gemeindepräsidenten. Für die SVP wären 200-Prozent-Pensen eindeutig zu viel. Die Stelle des Verwaltungsleiters muss eindeutig höher gewichtet werden, weshalb eher einer Pensenreduktion des künftigen Gemeindepräsidenten zugestimmt würde. Diese kann auch mit einem kleineren Pensum (60 bis 80 Prozent) bei dementsprechender Besoldung, aber deutlich weniger Verantwortung immer noch sehr attraktiv sein, zumal ein gewisser Enthusiasmus gefordert wird. Die Auswahl des Verwaltungsleiters soll unter Mithilfe geeigneter «Headhunter» gemacht werden. Die definitive Anstellung kann von den aktiven «Räten» bestätigt werden. Der vorgeschlagene Zeitrahmen erscheint sportlich, aber machbar. Fazit: Die SVP unterstützt das skizzierte Organisationsmodell und die Vorgehensweise und fühlt sich bestens vertreten.
SP
Die SP-Sektion teilt die Ansicht, dass eine Verwaltungsreorganisation angezeigt ist. Ein oberster Chef der kommunalen Verwaltung mit entsprechenden Voraussetzungen (Ausbildung, Erfahrung) gewährleistet, dass die Sachgeschäfte nach den anerkannten Grundsätzen des Verwaltungshandelns betreut werden. In der Gemeinde Suhr ist bereits ein Geschäftsführer angestellt, der den fünfköpfigen Gemeinderat von der operativen Verwaltungsführung entlastet. Es sind allerdings auch andere Führungsmodelle denkbar: In der Gemeinde Wettingen (20000 Einwohner) wird der Gemeindeammann von sechs Gemeinderäten und einem Gemeindeschreiber und einer Gemeindeschreiberin unterstützt. Für die Stadt Baden ist die Stelle einer Stabsleitung ausgeschrieben, was ebenfalls eine grosse Entlastung für den Stadtammann bringt. In der Stadt Brugg ist die Stadtschreiberin als oberste Verwaltungschefin im Organigramm abgebildet. Vorstellbar wäre auch, dass zwei bis drei wichtige Abteilungsleitende zusammen mit dem Gemeindeschreiber und dem Gemeindepräsidenten eine Geschäftsleitung bilden. Angesichts dieser Vielfalt von Möglichkeiten ist es fraglich, ob das «Modell Suhr» der einzig taugliche Weg für Spreitenbach ist. Folgendes muss ein Gemeindepräsident mitbringen: Engagement, sich rasch und gründlich Sachkenntnis auch in unbekannte Dossiers anzueignen, Gestaltungswillen, Führungsqualitäten, operative Verantwortung und Haftung für auftretende Missstände auf Verwaltungsebene. Angesichts der starken Entlastung von Sachgeschäften durch einen obersten Verwaltungschef könnte eine überaus engagierte Persönlichkeit das Gemeindepräsidium auch im Teilzeitpensum (50 bis 70 Prozent) wahrnehmen. Spreitenbach braucht eine tadellos funktionierende Verwaltung, aber auch mehr engagierte und weitsichtige Menschen mit dem Willen, etwas konstruktiv gestalten zu wollen. Fazit: Die Stossrichtung des skizzierten Organisationsmodells ist richtig. Die Details sind nochmals zu diskutieren.