«Die Beziehung war angespannt»
Um sich gegen die Bevorzugung des Dorfzentrums zu wehren und sich für die Interessen im unteren Dorfteil einzusetzen, wurde der Quartierverein Kloster-Wettingen gegründet. Nun feierten die heutigen Mitglieder am Gründungsort das 100-Jahr-Jubiläum.
«Einladung zur Gründung des geplanten ‹Quartierverein Wettingen-Station› Freitag den 6. Februar 1925, abends 8 Uhr, im Saale zum ‹Sternen›». Mit diesen Worten luden «die Initianten», die nicht namentlich erwähnt waren, vor 100 Jahren zur Gründungsversammlung ein. Exakt 100 Jahre später trafen sich die heutigen Mitglieder im Gasthof Sternen, um aufs Jubiläum anzustossen. «Im wahrscheinlich genau gleichen Saal», sagte Simona Sacripanti, die vor einer Woche 70 Mitglieder des Quartiervereins Wettingen-Kloster begrüsste. Zusammen mit Kurt Frei teilt sie das Präsidium.
«1946 haben die Mitglieder den Namen von Quartierverein Wettingen-Station auf Wettingen-Kloster umbenannt, vielleicht, weil der Bahnhof keine kleine Station mehr war, sondern zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt wurde», vermutet Frei. Mit der Umgestaltung wird das Bahnhofsquartier künftig Wohnraum für rund 900 zusätzliche Einwohnerinnen und Einwohner bieten und gewinnt an Bedeutung. «Deshalb haben wir die Quartierbewohner kürzlich befragt, ob sie den Vereinsnamen wieder umbenennen wollen», so Frei. Der Entscheid fiel zu Gunsten des bisherigen Namens. Auch wenn sich das Vereinsgebiet nicht nur auf die Klosterhalbinsel beschränkt, sondern einen grossen Teil des Südens von Wettingen umfasst, so auch das Bahnhofs-, Rosenau- und Dynamoheim-Quartier.
Spannungen zwischen dem unteren und dem oberen Dorfteil
«Vor hundert Jahren gab es in Wettingen zwei Zentren; eines im Dorfkern und ein zweites im Bahnhof und Kloster. Die Beziehung war angespannt, weil oben investiert wurde und unten nicht», sagt Vorstandsmitglied Martin Bürlimann und erzählt, dass es sogar zwei Dialekte gegeben habe. Während der Dorfkern Beachtung fand, wurde der untere Teil wenig beachtet, so sein Fazit.
Obwohl in den Statuten festgelegt war, dass der Quartierverein «frei von jeder Politik sein soll», stand bereits an der zweiten Versammlung die Beratung des Gemeindebudgets für 1926 auf der Traktandenliste. «Damals waren Vereine auch politisch aktiv und viel wichtiger als politische Parteien», so Bürlimann, der anlässlich des Vereinsjubiläums alte Protokolle durchgeschaut und recherchiert hat.
Der Einfluss des Quartiervereins hatte denn auch Auswirkungen. So wehrten sich die Mitglieder erfolgreich gegen «schlechte Strassen und Staubplage» oder erreichten, dass – nach 30 Jahren dafür kämpfen – 1959 auch die Freistrasse und diverse Quartierstrassen eine Kanalisation erhielten. Auch die Erweiterung und das Asphaltieren der Schwimmbadstrasse, der damaligen Schlachthausstrasse, ist gemäss alter Protokolle dem Quartierverein zu verdanken. «Am Anfang führte die Strasse nur von Baden bis zum Schlachthof beim heutigen Lidl-Standort. Wegen Gerüchen, Schlachtabfällen und nächtlichem Viehlärm war das Schlachthaus sowieso ein Dauerthema», so Bürlimann. Ohne Intervention des Quartiervereins wäre auch die Gwagglibrugg abgebrochen worden, so Bürlimann.
Neues Logo und ein Kalender
Am Jubiläumsanlass blickte der Vorstand aber nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft. Kurt Frei präsentierte das neue Logo, das statt dem schwarz-weiss abgebildeten Kloster nun farbige Bäume und Menschen zeigt. Damit will man symbolisieren, worum es heute im Quartierverein geht: um Begegnungen. Das wird auch auf der neuen Website ersichtlich, über die Vorstandsmitglied Julia Klee informierte.
Damit sich die Menschen im Quartier auch tatsächlich treffen, werden verschiedene Anlässe organisiert. Auf dem Jahresprogramm stehen beispielsweise Kinderflohmarkt, Bocciaspiel, Rundgang, Sommernachtsparty oder Klosterfest. «Es soll für alle etwas dabei sein», so Vorstandsmitglied Karla Scussel.
Zum Schluss konnten die Vereinsmitglieder einen Kalender kaufen. Darauf sind alte und neue Fotos und Karten sowie Auszüge aus Protokollen und Publikationen abgebildet, die Bürlimann zusammengetragen hat. Keine Selbstverständlichkeit, wie Monica Gassner-Rusconi findet: «Es gab bei allen fünf Quartiervereinen Hochs und Tiefs. Auch unser Verein wäre mangels Vorstandsmitglieder zwischendurch fast aufgelöst worden. Umso schöner, dass wir nun auch junge Vorstandsmitglieder haben und das 100-Jahr-Jubiläum feiern konnten.»