Die ewige Baustelle Murihof

Mitten im alten Dorfkern von Wettingen klafft eine grosse Lücke – bei der Bevölkerung sorgt dies seit Jahren für Unmut. Denn obschon im Februar 2022 eine Baubewilligung erteilt wurde, ist in den letzten Jahren nicht viel passiert. Eine Spurensuche.

Auch drei Jahre nach der Baubewilligung für den Murihof klafft an der Dorfstrasse eine Lücke. Grund dafür sind fehlende Ausführungsunterlagen.Philippe Neidhart

Orange Abschrankungen stehen vor der Baugrube an der Dorfstrasse 67/69, Flieder wuchert aus dem Boden und am leerstehenden historischen Gebäude klettert längst Efeu empor. Hier, wo das Kloster Muri um 1640 einen Hof erbaute, um die Wettinger Rebgüter und Matten zu bewirtschaften, findet man heute eine Baubrache vor.

Illegaler Abriss

Rückblick: Ursprünglich sollten im charmanten Dorfkern 21 Eigentumswohnungen entstehen, dies versprach die Bauherrin Atai AG mit Sitz in Zug. Allerdings wurde im Jahr 2018 ein Teil des schützenswerten Bauernhofs abgerissen, ohne dass eine Baufreigabe bestand. Dies führte zu einer aufwendigen Strafuntersuchung, der zuständige Fachbauleiter wurde verurteilt und die Baustelle stand grösstenteils still. Die Gemeinde forderte ein Konzept im Umgang mit der noch bestehenden Bausubstanz sowie eine qualitativ hochstehende Planung für die Neubauteile, die im Folgenden von der Bauherrschaft in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Husistein & Partner erarbeitet wurden. Im Februar 2022 erteilte die Gemeinde grünes Licht und das Projekt hätte zum Abschluss gebracht werden können.

Mehrere Dauerbaustellen

Eine Nachfrage bei der Bauherrschaft, weshalb trotzdem nichts passierte, blieb bis heute unbeantwortet. Pikantes Detail: Als einziger Verwaltungsrat der Atai AG ist Viktor Sauter eingetragen. Der Treuhänder ist als Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift bei mehreren Immobilienfirmen tätig, so auch bei der IIB Immobilien AG sowie der Schweizerhof Immobilien AG. Diese beiden Firmen wiederum stehen in Zusammenhang mit zwei Dauerbaustellen im solothurnischen Niederamt. In Dulliken erfolgte im Jahr 2011 der Spatenstich für eine Überbauung mit 21 Eigentumswohnungen, die nie gänzlich fertiggestellt wurde, es existiert weder eine Verwaltung noch eine Hauswartung – die wenigen Einwohner sind sich selbst überlassen. Ähnlich in Niedergösgen: Dort schimmelt ein fast fertiger Rohbau mit klingendem Namen «Casa 18» seit mehr als zehn Jahren vor sich hin. Die Gemeinde stehe zwar in Kontakt mit der Bauherrschaft, werde aber immer wieder vertröstet, heisst es in einem Artikel des «Oltner Tagblatts».

Fehlende Unterlagen

Und hier schliesst sich der Kreis zum Bauprojekt in Wettingen. Die Neubauten im rückwärtigen Bereich sind teilweise bereits bewohnt, die Zufahrt zu der Einstellhalle aber, die durch den Murihof geplant ist, konnte nicht erstellt werden. Trotz Baubewilligung seien gewisse Punkte bis heute nicht erfüllt, sodass seitens der Gemeinde keine Baufreigabe für den Ersatzneubau erteilt werden konnte: «Im Wesentlichen handelt es sich um die Ausführungsunterlagen, die bei jedem Bauvorhaben vor Baubeginn gefordert sind», präzisiert Thomas Berz, stellvertretender Leiter Bau und Planung. Dabei muss beachtet werden, dass die Geltungsdauer der Baubewilligung laut Baugesetz bei zwei Jahren liegt, und wenn Bauarbeiten während dieser Frist eingestellt sind oder nicht ernsthaft fortgesetzt werden, kann die Bewilligung vom Gemeinderat sistiert werden. Dies sei beim Murihof noch nicht der Fall, da dieser Teil einer grösseren Überbauung ist und im hinteren Bereich und an den Werkleitungen gearbeitet wurde. «Falls künftig keine Bauarbeiten mehr ausgeführt würden, müsste die Situation überprüft werden», so Berz.

Auch hatte die Gemeinde keine Kenntnis über die anderen Dauerbaustellen des Verwaltungsrats der Atai AG, allerdings sei die Bauherrschaft immer gesprächsbereit. Dennoch: «Leider sind die fehlenden Unterlagen trotzdem bis heute nicht bei der Gemeinde eingetroffen», sagt Berz. Zumindest zeigt man sich für den hinteren Teil der Überbauung optimistisch: «Die Abteilung Bau und Planung geht davon aus, dass die Arbeiten in der nächsten Zeit fertiggestellt werden können», so Gemeindeschreiber Urs Blickenstorfer.

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