Angeln statt Tischtennisspielen

Jahrzehntelang lebte Willi Häusler in Spreitenbach und stand beinahe täglich für den Tischtennisclub im Einsatz. Nach gesundheitlichen Problemen ist er vor anderthalb Jahren nach Lettland ausgewandert.

Für die Generalversammlung ist Willi Häusler in die Schweiz gereist. Melanie Bär
Für die Generalversammlung ist Willi Häusler in die Schweiz gereist. Melanie Bär

«Es kommt mir ziemlich hektisch vor hier in der Schweiz», sagt Willi Häusler beim Interview auf der Redaktion der Limmatwelle. Am Tag vorher ist er aus Lettland in die Schweiz geflogen, um an der Generalversammlung des Spreitenbacher Tischtennisclubs teilzunehmen. Übernachtet hat er bei seiner Mutter in Brugg. Denn ein eigenes Daheim haben er und seine Frau Parsla in der Schweiz nicht mehr. Im Februar sind sie in deren Heimatland ausgewandert. Trotz Hektik freut er sich, ein paar Tage in der Schweiz zu verbringen und seine alten Vereinskollegen wiederzusehen. 30 Jahre lang war er als Spielleiter für den technischen Betrieb des Vereins zuständig und leitete den Nachwuchs. Beinahe täglich stand er in der Halle, jedes zweite Wochenende nahm er an Turnieren teil. Zuerst spielte er selbst in der höchsten Stärkeklasse, später trainierte er die Nachwuchsspieler. Auch im Vereinskartell war er aktiv. «Im Nachhinein betrachtet, war es etwas viel», sagt er nachdenklich.

Der Unterschied zwischen dem viel beschäftigten und umtriebigen Leben in der Schweiz und dem heutigen, eher ruhigen Alltag in Lettland ist gross. «Die Veränderung ging jedoch besser, als ich es mir vorgestellt hatte», sagt er und fügt an: «Der Schnitt und das coronabedingte Herunterfahren war gar nicht schlecht für mich.»

Nach Krebserkrankung liess er sich frühpensionieren

Schon damals, als er vor vier Jahren eine Lettin heiratete, stellte er sich vor, sich mit 63 pensionieren zu lassen und mit seiner Frau in deren Heimatland auszuwandern. Als er dann aber bei einem Routineuntersuch die Diagnose Prostatakrebs erhielt, zog er noch früher als geplant einen Schlussstrich unter sein Berufsleben. Er unterzog sich einer Operation und kündigte bereits mit 61 Jahren seinen Job als technischer Kaufmann bei der Axpo in Baden. «Es war ein spontaner Entscheid. Die Gesundheit geht vor», sagt er. Mehrere Kollegen aus seinem Freundeskreis seien erkrankt, einer verstarb. «Solche Situationen zeigen, wie wichtig die Gesundheit ist.»

Vermisst das Tischtennisspiel nicht

Mit dem Wegzug aus Spreitenbach legte er auch den Tischtennisschläger zur Seite. Die Generalversammlung im Juni war sein letzter offizieller Akt, bei dem er persönlich verabschiedet wurde. «Ich habe eigentlich gar nicht das Reissen, wieder zu spielen», sagt er.

Aktiv ist er hingegen immer noch. Heute jedoch vor allem im Haus und Garten in Ventspils, zu Deutsch Windau, an der Westküste von Lettland. Dort kauften er und seine Frau ein Haus und erwarben später das Nachbarhaus dazu, das sie nun sanieren. Gerade wird das Dach erneuert. Im Garten steht auch ein Treibhaus, das sie bewirtschaften. Für sich selbst und die Familie. «Der Zusammenhalt ist gross. Gerade während des Lockdowns, der in Lettland mehrere Wochen dauerte, waren wir viel zu Hause, gingen fischen oder haben mit den erwachsenen Kindern meiner Frau und deren Familie Spiele gemacht.» Auch zwei Katzen leben bei ihnen. «Meine neuen Hobbys sind jetzt die Motorsäge und das Fischen», sagt Willi Häusler, lacht und fügt an: «Und auch Spaziergänge am Strand und in die Altstadt, was beides in Gehdistanz liegt.»

Angelrute statt Tischtennisschläger

Vermisst er seine alte Heimat, seine Freunde, den Sport? «Manchmal wäre es schon schön, so wie heute Abend in den Biergarten zu gehen und Kollegen zu treffen», sagt er. Jetzt pflegt er den Kontakt mit ihnen über die sozialen Medien und ist via Videocall mit ihnen verbunden.

Packt ihn dennoch das Heimweh, dann trifft er sich mit anderen Auslandschweizern. So wie letztes Wochenende am Schweizertag. Einzig ans Wetter hat er sich noch nicht ganz gewöhnt, es sei noch unbeständiger als in der Schweiz. «Wir hatten viele Stürme, die eindeutig eine Folge der Klimaerwärmung sind.» Im Moment fühlt er sich aber in seiner neuen Heimat daheim. Dort, wo alles ein bisschen langsamer zu- und hergeht als «in der hektischen Schweiz». Es scheint, als sei er angekommen. Angekommen in der Heimat seiner Frau und bei sich selbst.

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