Bademode aus Limmatplastik

Beim Schwimmen in der Flussbadi Letten in Zürich kam Peter Hornung die Idee, aus PET-Flaschen Bademode zu machen. Mit seinem Label Round Rivers hat er sein Vorhaben in die Tat umgesetzt.

Vier PET-Flaschen braucht es durchschnittlich für einen Bademodeartikel. zvg

Vier PET-Flaschen braucht es durchschnittlich für einen Bademodeartikel. zvg

Das Flussbad Oberer Letten ist bei der Rekordhitze bereits in den frühen Nachmittagsstunden überfüllt. Badegäste passieren wie Ameisen die Brücke vor dem Kraftwerk Letten in Zürich, um sich in der Limmat etwas Abkühlung zu verschaffen. Peter Hornung besuchte die Anlage bereits am Morgen. Nicht etwa um ungestört zu baden, sondern um den Rohstoff für seine Bademode zu beschaffen.

«Ich sammle einmal pro Woche PET-Flaschen aus der Limmat», sagt der 41-Jährige. Aus diesen stellt Hornung mit seinem Label Round Rivers Bikinis, Badeshorts und Badeanzüge her. «Der Name kommt davon, dass das Plastik aus der Limmat geholt wird und als Badehose wieder in den Fluss zurückkehrt. So schliesst sich der Kreislauf.» Im Durchschnitt benötigt er für einen Badeartikel vier PET-Flaschen. In den letzten zwei Jahren hat Hornung bereits 37000 Stück davon aus dem Rechen des EWZ-Wasserkraftwerks gefischt.

Auf die Idee, den PET-Flaschen ein zweites Leben einzuhauchen, kam der Architekt 2018. «Ich hatte gerade die Schlüsselübergabe mit einem Bauherrn hinter mir und fragte mich, was ich als Nächstes machen könnte», erzählt Hornung. Etwas Nachhaltiges sollte es sein, fand er, als er beim Oberen Letten in die Limmat sprang. «Ich tauchte neben zwei PET-Flaschen auf und mir war sofort klar, dass ich mich mit diesem Plastik beschäftigen muss.» Hornung fand heraus, dass der beim Rechen des Kraftwerks hängenbleibende Plastikabfall verbrannt und nicht wiederverwertet wird. «Diese Information war für mich der Ausgangspunkt, Round Rivers zu gründen. Würde der Müll recycelt, bräuchte es meine Idee ja gar nicht.» Bedeutend weniger Plastik und Treibgut sammelt sich beim lokalen Kraftwerk der EWZ in Wettingen an. 8000 bis 10000 Kilo pro Monat werden angeschwemmt, teilt das Elektrizitätswerk Zürich mit. Dabei handle es sich im Vergleich zu den Rechen in Höngg und Letten weniger um Zivilmüll, sondern viel mehr um Äste und Holz. Das Treibgut landet ebenso in der Kehrichtverbrennungsanlage.

Textilverband glaubte nicht an ihn

Zurück zu Hornungs Idee: Bis er das fertige Produkt in den Händen halten konnte, dauerte es mehr als ein Jahr. «Es war schwierig, die Produktionskette zusammenzufügen.» Mit dem Ziel, seine Mode mit regionalen Unternehmen herzustellen, wandte er sich an den Schweizer Textilverband. Dort erklärte man ihm, dass die Modebranche ein internationales Geschäft sei und dass sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt sei. Dadurch angespornt, machte sich Hornung selbst schlau.

«Transparenz in der Modebranche gibt es selten. Der Plastikmüll wird in Europa getrennt. Aus Kostengründen wird er nach Asien geschickt, dort zerkleinert, regranuliert und zu Garn verarbeitet und dann zur Textilherstellung wieder zurück nach Europa geschickt. Es ist Vorsicht geboten bei der Herkunftsbezeichnung. Auch wenn ‹Made in Europe› draufsteht, haben verschiedene Elemente bereits Zehntausende von Kilometern hinter sich.»

An einer Textilmesse in Mailand fand Hornung nach vielen Gesprächen schliesslich ein norditalienisches Textilunternehmen, das mit ihm zusammenarbeiten wollte. Und auch auf einen Granulat- und Flakes-Produzenten aus dem Thurgau sowie einen Garnproduzenten im Tessin stiess er dank seiner Hartnäckigkeit. «Es hat lange gedauert, aber nun kann ich mit Stolz sagen, dass meine Badeartikel innerhalb eines Radius von 140 Kilometern hergestellt werden», so Hornung. Im Mai 2020, mitten in der Coronapandemie, war es dann so weit: Der Onlineshop von Round Rivers ging live. «Ich bin am frühen Morgen ins Bett gegangen und als ich aufstand, war meine Mailbox schon am Explodieren», erinnert sich der Gründer. Viele Anfragen von Zeitungen und Magazinen erreichten ihn.

«Die Berichte über mein Start-up lösten viele Bestellungen aus. Dank der Pandemie hatte ich zudem Glück, dass viele Menschen zu Hause im Internet und in den sozialen Medien surften und so davon erfuhren.» Ein Erfolgserlebnis für Hornung. Über ein Jahr lang steckte er viel Herzblut und all seine Ersparnisse in seinen Traum.

Junge Generation kauft seine Mode

Besonders bei jungen Menschen kommt die nachhaltige Bademode gut an. «Das Bewusstsein der jüngeren Generationen für Umweltthemen ist gross. Sie wollen nicht nur wissen, woher ihre Kleider kommen, sondern möchten Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette», sagt Hornung. Dafür sind sie auch bereit, einen Badeanzug für 195 oder eine Badehose für 165 Franken zu kaufen. Wichtig ist dem Start-up-Unternehmer die Ästhetik. «Die Kleidungsstücke müssen schön sein und man muss sich darin wohlfühlen. Ich halte nichts von Öko-Mode mit schrecklichen Designs», sagt Hornung und lacht.

Mittlerweile hat er neben den zwölf verschiedenen Bademode-Styles mit fünf unterschiedlichen Farben auch eine Winterjacken-Kollektion auf den Markt gebracht. Aktuell entwickelt Hornung die Prototypen für die Bademodesaison 2023, die er im Januar herausbringen will. Zudem arbeitet er auch bereits an einer Lösung, um aus der ausgetragenen Bademode wieder neue Produkte zu machen.

Damit Hornung all seine Pläne verfolgen und seinen 24-Stunden-Job an sieben Tagen die Woche etwas reduzieren kann, sucht er nun nach Investoren.«Ich mache alles alleine und wäre froh, wenn ich gewisse Aufgaben Teammitgliedern abgeben könnte.» Ideen für weitere Projekte hat er nämlich genug. «Abfall im Fluss ist weltweit ein grosses Problem. Es gibt Flüsse in Europa, in denen täglich vier Tonnen PET-Flaschen rumschwimmen.» Deshalb will Hornung seine Idee ausweiten und nicht mehr nur in der Limmat, sondern auch in der Donau oder der Seine bei Paris nach Plastik fischen. Der Stoff für seine Bademode wird ihm also bestimmt nicht ausgehen.

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