Angst um Eigenständigkeit

Knapp 90 Interessierte besuchten die Polit-Info, an der der Gemeinderat erläuterte, warum er gegen eine Fusion mit Spreitenbach ist.

Ob es zur Fusion kommt, wird sich an den beiden Gemeindeversammlungen von Spreitenbach und Killwangen am 1. Dezember zeigen. Foto: AZ/Archiv
Ob es zur Fusion kommt, wird sich an den beiden Gemeindeversammlungen von Spreitenbach und Killwangen am 1. Dezember zeigen. Foto: AZ/Archiv

«Ich entschuldige mich für den Auftritt vom 15. Oktober: Es war zu emotional und nicht sachlich», begann Gemeindeammann Werner Scherer die Polit-Info am Montagabend. Dies habe daran gelegen, dass er als Mitglied der Projektleitung auftreten musste und aufgrund des Kollegialitätsprinzips nicht alle Fakten auf den Tisch legen durfte. «Jetzt bin ich aber als Gemeindeammann und Einwohner von Killwangen hier, deshalb kann ich Ihnen heute ein paar wichtige Fakten liefern, die den Gemeinderat Killwangen und mich persönlich zu dem Entscheid bewegt haben, die Fusion nicht gut zu heissen», so Scherer weiter. (Die wichtigsten Punkte finden sich in der Stellungnahme im Kasten rechts, Anm. der Redaktion.)

Auch Vize-Ammann Walter Hubmann erklärte, warum er gegen die Fusion sei. Zwar habe er auf den ersten Blick mehr Argumente dafür gefunden als dagegen – bei näherer Betrachtung hätten sich die Pro-Argumente aber nicht als stichhaltig erwiesen. Dass man zum Beispiel mehr politischen Einfluss habe, stimme seiner Meinung nach nur am Anfang: «In der Praxis lässt das Interesse an einem grösseren Gebilde mit der Zeit nach.» Wenn an der Gemeindeversammlung von 14 Traktanden nur drei das Killwangener Gebiet betreffen, würden wohl immer weniger Killwangener diese besuchen, weil sie die Spreitenbacher Themen nicht interessieren. Ein weiterer Pro-Punkt, dass ein grösseres Sozialamt breiter abgestützt sei, stimme so auch nicht ganz: «Auch in einer grossen Gemeinde passieren Fehler – die manchmal sogar im ‹Kassensturz› kommen…» Der Pro-Punkt Finanzen bleibe ebenfalls vage: In Killwangen habe man praktisch nur private Steuerzahler. Bei einem Zusammenschluss mit den vielen Spreitenbacher juristischen Personen könne sich die Situation verbessern oder verschlechtern. «Da sind wir krisenresistenter. Also warum sollen wir dieses Risiko übernehmen?»

Röbi Keller aus dem Publikum fragte, ob diese Aussagen des Gemeinderates sich mit Scherers Votum in einem Zeitungsinterview decken, wo er eher zu einer grossen Fusion im Limmattal tendierte. Scherer antwortete, dass es sich bei dieser Aussage um einen Zeithorizont von 10–15 Jahren handle: «Wir haben aber zurzeit keinen Zugzwang.» Er wolle lieber so lange wie möglich eigenständig bleiben.

Viele Besucher äusserten ihre Bedenken zum Killwangener Eigenständigkeits- und Identitätsverlust bei einer Fusion mit Spreitenbach. Man befürchtete, ein «Quartier von Spreitenbach» zu werden. Viele waren mit Scherer einer Meinung: Es gebe keine Hammerargumente für den Zusammenschluss, keinen sichtbaren Gewinn oder Vorteil. Zudem gebe es dann kein Zurück mehr; Zusammenarbeiten können wieder aufgelöst werden, wenn es für die Beteiligten nicht mehr stimme – eine Fusion aber sei endgültig. Man arbeite bereits in vielen Bereichen erfolgreich zusammen – gerade bei Aufgaben, die Killwangen nicht alleine erfüllen könne wie der Feuerwehr, der Polizei oder dem Zivilschutz, wie Hubmann erläuterte: «Aber da geben wir unsere Identität nicht auf, sondern können gleichberechtigt mitreden.»

Das zweite heisse Thema betraf die Spitex und wurde von Gemeinderat und Ressortverantwortlichen Jürg Lienberger vorgestellt. Geplant ist die Gründung einer gemeinnützigen Spitex AG bestehend aus den Mitgliedergemeinden Killwangen, Spreitenbach, Neuenhof und Wettingen. Bea Rothenbühler von der Administration Spitex Spreitenbach-Killwangen sagte: «Die Spitex verliert einiges, wenn man das macht, insbesondere Kundennähe.» Es gebe zurzeit keine unlösbaren Probleme und im regionalen Vergleich schlössen kleinere Betriebe günstiger ab. Lienberger gab zu, dass man heute eine super Spitex habe. Vor fünf Jahren habe das aber anders ausgesehen und in weiteren fünf könne sich die Situation wieder verschlechtern: «Mit der AG hätte man etwas, das die nächsten 20 Jahre funktioniert.» Sollte es zudem jemals so weit kommen, dass die Leistungsvereinbarung öffentlich ausgeschrieben werden muss, hätten die kleinen Spitex-Vereine gegenüber privaten Anbietern, die auf Profitbasis operieren, keine Chance.

Die Besucher fürchteten vor allem, dass bei einer grossen Spitex AG nicht immer dieselben Mitarbeiterinnen zu den Klienten kommen. Zudem verstanden sie nicht, warum zuerst über die Kündigung des aktuellen Vertrags, und erst nachher über die Gründung der AG und die neue Leistungsvereinbarung mit dieser abgestimmt wird. Das sei der rechtliche Ablauf, erklärte Gast Valentin Schmid, Gemeindepräsident von Spreitenbach. Würde man es anders machen, hätte man vielleicht plötzlich zwei Leistungsvereinbarungen.

Wettingen und Neuenhof stimmen erst nächstes Jahr ab. «Wir wissen bis dahin also nicht, ob die AG tatsächlich zustande kommt», so Schmid. Wenn eine Gemeinde nicht mitmache, müsse man sich etwas Neues überlegen.

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