Hanspeter Schmid gibt Waffe, Handschellen und Pfefferspray nach 40 Jahren ab
Über 40 Jahre war der Killwangener als Kantonspolizist tätig. Zuletzt als Ermittler. Nun geht er in Pension und blickt auf eine ereignisreiche Zeit zurück.
«Es fühlt sich ein bisschen wie Ferien an», sagt Hanspeter Schmid sechs Tage nach seiner Pensionierung. Nach über 40 Dienstjahren bei der Kantonspolizei Aargau hat er Mitte Oktober Waffe, Handschellen, Pfefferspray, Funkgerät und Laptop abgegeben und sich einen Tag später von seinen Arbeitskollegen verabschiedet.
Die vergangenen 13 Jahre war er als Ermittler bei der Kriminalpolizei Aargau tätig. «Es gefiel mir, tief in einen Fall zu sehen, ein Mosaiksteinchen ums andere zusammenzutragen, bis ein Bild des Falles entstand.» Sein Büro hatte er in der Stadt Baden, wo auch seine berufliche Laufbahn vor 49 Jahren seinen Anfang nahm. In der ehemaligen Brown Boveri Company, der heutigen ABB, absolvierte er als junger Erwachsener eine Lehre als Elektromechaniker. Nach dem Militär – Schmid wurde Feldweibel – besuchter er 1980 die Polizeischule und trat ein Jahr später seine Stelle als Kantonspolizist auf dem Bezirksposten Baden an.
Nicht ganz freiwillig war der damit verbundene Umzug von Windisch nach Neuenhof: «Wir mussten innerhalb des Polizeikreises wohnen, nicht weiter als fünf Kilometer vom Einsatzort entfernt.» Damit stellte man sicher, dass die Polizisten bei Piketteinsätzen rasch vor Ort waren. «Denn damals arbeiteten nur die Verkehrspolizisten im Schichtbetrieb.» Schmid und seine Kollegen rückten deshalb auch nachts und am Wochenende häufig aus. Und auch nicht wie heute zu zweit, sondern alleine und mit dem eigenen Privatwagen.
Zweifel nach dem Tod eines Arbeitskollegen
Nicht immer waren die Einsätze gefahrlos. Einmal richtete ein geflüchteter Ladendieb ausserhalb des Shoppi eine Schusswaffe auf Schmid. An Weihnachten 1980 wurden ein Grenzwächter und ein Kantonspolizist bei einem Einsatz erschossen. «Ich kannte den Polizisten gut und fragte mich ernsthaft, ob das die richtige Arbeit für mich ist.» Auf die Frage, warum er trotzdem geblieben ist, lacht Schmid und antwortet nicht sofort. «Wahrscheinlich, weil ich einen grossen Sinn für Gerechtigkeit habe.» Der Lohn seiner Arbeit sei denn auch, wenn Täter überführt werden können. Ein Mann zum Beispiel, der ein verwandtes Kind mehrmals missbraucht hatte. Schmid und seine Arbeitskollegen ermittelten acht Monate gegen ihn, befragten Zeugen, sicherten Spuren, machten Hausdurchsuchungen und konnten die Tat schliesslich beweisen, der Mann wurde festgenommen und verurteilt.
Schwierig sei für ihn hingegen, wenn der Ermittlungsdienst Beweise habe, diese aber aufgrund des Rechtssystems nicht für eine Verurteilung reichten und der Täter ungestraft davonkomme. «Die neue Strafprozessordnung ist eher täter- als opferorientiert. Das ist frustrierend, gerade wenn wir lange ermittelt haben.» Solche Fälle würden oftmals nicht publik.
Ein Fall, der hingegen medial für Aufsehen sorgte, ist ein bisher ungeklärtes Tötungsdelikt im Mai 2019 in Killwangen. Ein Montenegriner wurde vor seinem Wohnhaus in Killwangen angegriffen, mit einem Messer schwer verletzt und verstarb im Spital. Schmid hatte in dieser Nacht Pikett und rückte aus. «Es war eine spezielle Situation, weil die Tat im eigenen Dorf geschah und ich das Opfer kannte», sagt Schmid. Als Polizist habe er jedoch gelernt, damit umzugehen. Selbst solche Einsätze würden ihm keine schlaflose Nacht bereiten. «Mir hilft es, mit den Polizeikollegen, die auch ausgerückt sind, darüber zu sprechen.»
Auf solche Fälle wird Schmid auch im Privaten angesprochen. «Ich verweise dann aufs Amtsgeheimnis und die Medienberichterstattung.» Das musste er hin und wieder auch als Gemeinderat tun. Wenn sein berufsbedingtes Wissen ihn in dieser Funktion zu einem Zielkonflikt geführt habe, sei er bei der Abstimmung im Gemeinderat in Ausstand getreten. «Wenn man seine Linie hat, ist es gut machbar, auch wenn es nicht immer einfach ist, über gewisse Einwohner berufsbedingt mehr zu wissen, als offiziell bekannt ist.»
Häftling am Wochenende in der Zelle vergessen
Als Schmid von 1984 bis 2007 auf dem Posten der Kantonspolizei in Spreitenbach arbeitete, war er noch näher bei der Bevölkerung. «Damals wurden wir angewiesen, auswärts Kaffeepause zu machen, um dank der aufgebauten Beziehungen Hinweise zu Delikten zu bekommen.» Heute ist die Polizei vorwiegend auf anderen Kanälen wachsam, wie Schmid sagt. Als Ermittler hat er sichergestellte Mobiltelefone und Computer ausgewertet und auf sozialen Medien ermittelt. «Der Arbeitsalltag ist heute komplett anders als vor 40 Jahren», sagt er und schmunzelt, als er von einem vergessenen Häftling in den 80er-Jahren erzählt. An einem Freitagabend hatte er während einer Schlägerei in Spreitenbach einen jungen Mann festgenommen und in die im Gemeindehaus integrierte Zelle gesperrt. «Am Sonntagabend fiel mir das plötzlich wieder ein und ich liess ihn wieder auf freien Fuss.» Der junge Mann sei gegangen, ohne zu erwähnen, dass er kein Essen erhalten habe.
Schmid ist dankbar, keine Existenzängste zu haben
Im Nachhinein ist Hanspeter Schmid froh, dass er trotz anfänglichen Zweifeln Kantonspolizist geblieben ist. Im Wissen, dass der Beruf heute für viele junge Polizisten keine Lebensstelle mehr sei und auch der Zusammenhalt innerhalb des Korps nachlasse, hat es für ihn gepasst: «Ich habe meine Arbeit gerne gemacht und hatte all die Jahre keine Existenzängste. Das ist viel wert.»
Jetzt freut er sich auf die nächste Lebensphase. Auch wenn er das Reisen aufgrund von Covid-19 verschiebt, ist ihm nicht langweilig. In seinem Garten hat er ein «Bierstübli», das er ausbauen will, und auch als Gemeinderat und Präsident des Abwasserverbands bleibt er aktiv. Und in neun Monaten wird auch seine Frau Miriam pensioniert.