Hilferufe von Schule und Kindergarten
Die Gemeinde Spreitenbach ist mit dem Projekt «Chance Spreiti – Initiative für ein gesundes Aufwachsen» gestartet. Denn: Fachleute möchten die Kinder möglichst frühzeitig begleiten, um spätere Probleme zu reduzieren.
An der Startveranstaltung im Zentrumsschopf am Donnerstagabend nahmen Fachleute teil, die viel mit Kindern und Jugendlichen im Alltag zu tun haben. Das Projekt wurde aufgegleist, weil ein Hilferuf vonseiten Schule und Kindergarten die Gemeinde erreichte. Was an diesem Abend klar wurde: Fachpersonen, sei es in der Schule, im Kindergarten oder bei der Mütter- und Väterberatung und in der Jugendarbeit haben zunehmend Mühe, an die Kinder respektive deren Eltern heranzukommen. Das Projekt, ausgeschrieben für Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren, «erschreckte» denn auch die Vertreterinnen der Mütter- und Väterberatung Bezirk Baden. Sie fanden, dass mit drei Jahren die Betreuung zu spät starte. Auf Nachfrage von Gemeinderat Adrian Mayr (parteilos) erklärten Annegret Gerber und Daniela Schärer: «Am besten ab Geburt». Bei den nachfolgend gestellten vier Fragen ging es darum, wie man Kinder und Jugendliche wahrnehme. Denn: Vieles spiele sich heute übers Handy ab. «Eltern erziehen dort zu wenig und sie wollen Kollegen der Kinder sein, sie halten Widerstände nicht aus. Irgendwann sind die Kinder die Chefs. Die Erziehung geht bachab», meinte Patricia Konrad, Leiterin Schulsozialarbeit, Schulhaus Glattler.
Vandalismus und Gruppendynamik
Ausschlaggebend für das Handeln in Spreitenbach sind die Vorkommnisse an Halloween und Silvester. Schulleiter Roger Stiel rief die «Saubannerzüge» mit rund 100 Personen durchs Dorf in Erinnerung, und ein Jahr später das brennende Auto bei der Schulanlage. Auch an Silvester gab es Ausschreitungen. «Es sind nicht immer Schülerinnen und Schüler, die dabei sind, sondern wir kennen die Personen, sie waren zuvor bei uns. Unsere Lehrpersonen sind ermüdet», sagte er.
Gaby Krämer, Leiterin Kindergärten, präsentierte Zahlen, die aufhorchen lassen. «Die Kinder sind immer unselbstständiger und weniger entwickelt», sagt sie. In den 17 Kindergartenabteilungen werden insgesamt 282 Kinder unterrichtet und betreut. «Wir haben extrem viele Kinder mit Sonderschulbedarf. Das Problem: Die Kinder können nicht in die Sonderschule gehen, weil diese selbst überfordert ist.» Von den 158 Kindern, die in diesem Sommer neu in den Kindergarten kamen, seien 29 stark verhaltensauffällig. Dazu kommen die fehlenden Sprachkenntnisse. 59 Kinder sprechen gar kein Deutsch, 69 eher mangelhaft und der Rest – also 30 Kinder – sprechen gutes Deutsch.
Auch Sportvereine nahmen teil
An der Veranstaltung nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter der Jugendanwaltschaft, von Jungwacht und Blauring, des FC Spreitenbach, des islamischen Vereins Oase, der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal, der Jugendarbeit, des Gewerbevereins und des Sozialdienstes teil. Sie alle kamen zum Schluss, dass es dieses Projekt brauche. Bis es allerdings so weit ist, die Massnahmen umzusetzen, dauert es gemäss der externen Projektleiterin Lucia Steinbach bis Dezember 2026.
Die Zielsetzungen des Projekts lauten: Spreitenbach fördert das Bildungs- und Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche, die Gemeinde unterstützt die kulturelle Integration im Vorschulalter, Bildung und Erziehung für ein gelingendes Zusammenleben fördern, die Gemeinde unterstützt die interdisziplinäre Zusammenarbeit, Spreitenbach erkennt und bewältigt Entwicklungsrisiken.
Zum Schluss der Veranstaltung waren sich alle ob der positiven Einstellung der Teilnehmenden und der Motivation, etwas ändern zu wollen, einig. Ein Teilnehmer fand es schade, dass es ein solches Projekt überhaupt brauche.