«Ich mache es, weil es mir gut geht»

Knapp 800 Decken hat die Killwangenerin Marlen Würsch für den Verein «Mini Decki» genäht. Das ist nicht ihr einziges ehrenamtliches Engagement.

Marlen Würsch zeigt eine ihrer selbst genähten Decken. Melanie Bär

«Ja, mir gehts gut. Einzig hier bin ich steinhart», sagt Marlen Würsch, berührt sich am Nacken und fügt an: «Das kommt vom vielen Nähen.» Seit vor zehn Jahren die ersten Decken für geflüchtete Kinder genäht wurden, ist die mittlerweile 92-Jährige eine der Freiwilligen. Ausser am Wochenende setzt sie sich jeden Tag an die Nähmaschine – ans Aufhören denkt sie trotz Nackenschmerzen nicht. «Das Nähen ist jetzt mein Lebensinhalt.» Einerseits, weil sie gerne nähe, andererseits, «weil damit etwas Gescheites gemacht wird», wie sie sagt. Die Decken werden an Geflüchtete verteilt.

Als sie mit ihrem Mann den Bauernhof in Killwangen führte, habe sie sich gewünscht, mehr Zeit fürs Nähen zu haben. «Aber das Bauern hat mir schon auch gefallen», fügt sie sofort an. Sie sei eine Frohnatur, sagt sie, blättert in einem der drei Fotobücher, in denen jede der genähten Decken abgebildet ist, und zeigt auf eine mit Tiermuster. «Die sind doch härzig.» Am Anfang hat Marlen Würsch die genähten Decken ins Verteilzentrum von «Mini Decki» nach Rütihof geliefert und später direkt in den damals umgenutzten Kindergarten in ihrer Siedlung für Geflüchtete aus der Ukraine gebracht. Mittlerweile gibt sie die genähten Decken in der von der Killwangenerin Gosha Zaranska aufgebauten Materialsammelstelle für die Ukraine ab. Seit der Schliessung des Kindergartens befindet die sich im Schopf neben dem Bauernhof, wo sie einst lebte und der von Markus Würsch, einem ihrer fünf Kinder, übernommen wurde.

Decken gelangen auch ins Ausland

Die meisten Decken werden nicht direkt abgegeben, sondern vom Verteilzentrum in Rütihof an die verschiedenen Asylunterkünfte in der Schweiz und teilweise im Ausland verteilt.

Initiatorin des Projekts ist die Rütihoferin Simone Maurer. Als sie vor zehn Jahren in den Medien von den Flüchtlingsdramen erfuhr, wollte sie etwas gegen die Ohnmacht tun. Als passionierte Näherin hatte sie für ihre eigenen Buben, Freunde und Bekannte schon viele Decken genäht 2015. «Da kam mir die Idee, Decken für Flüchtlingskinder zu nähen», sagt die 47-Jährige. «Jedes geflüchtete Kind braucht eine eigene Decke, die wärmt, schützt und ein Zuhause gibt auf der langen, unsicheren Reise», begründet die Sozialpädagogin. Ihr Enthusiasmus war ansteckend, bald begannen weitere Frauen Decken, zu nähen, und was klein begann, wurde zu einem grossen Projekt. Innerhalb der zehn Jahre haben mehrere Hundert Menschen für «Mini Decki» genäht, die einen nur wenige und einige mehr als tausend. Knapp 41000 Decken wurden so produziert und verteilt. Maurer wurde für ihr Engagement mit dem Frauenpreis des Aargauischen Katholischen Frauenbunds und von Benevol ausgezeichnet und wurde als Aargauerin des Jahres nominiert. «Ich habe nie gedacht, ich mache ein grosses Ding, sondern einfach das, was meinem Herz guttut», sagt sie bescheiden.

Initiatorin der Weihnachtspäckli

Genauso bescheiden ist auch die freiwillige Näherin Marlen Würsch. «Das Gute, das man tut, kommt retour – aber deswegen mache ich es nicht, sondern weil es mir gut geht.» Es ist nicht ihr einziges freiwilliges Engagement. Sie war die Initiatorin der Weihnachtspäckli, die im Rahmen der internationalen Direkthilfe in Rumänien verteilt wurden. Im Rekordjahr 2020 hat sie zusammen mit anderen Frauen aus Killwangen 277 Päckli parat gemacht. Diese Aktion gibt es nicht mehr. Stattdessen bekocht die Rentnerin regelmässig Witwer oder organisiert eine Feier für Einsame. Fühlt sie sich selbst manchmal auch einsam? «Manchmal», sagt sie. Aber dann sucht sie einen Stoff aus und setzt sich an die Nähmaschine. «Bei diesen Decken habe ich die Krawatten meines verstorbenen Mannes eingenäht», sagt sie und hält eine Decke in die Höhe. Gereut haben sie die Krawatten nicht: «Ja was soll ich denn sonst mit ihnen machen? Wegwerfen? Nein, dann mache ich lieber etwas Gescheites daraus!»

1000 Decken, das wäre ihr Ziel. «Aber dann müsste ich noch drei Jahre leben, und da bin ich mir nicht so sicher», sagt sie und lacht.

Aus Anlass des 10-Jahr-Jubiläums von «Mini Decki» lädt der Verein am 25. Januar von 13.30 bis 20 Uhr zum Tag der offenen Tür nach Rütihof ein. Anmeldung unter www.minidecki.ch.

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