Mohnblumen werden aus Garten geklaut
Denise und Leo Dittli aus Killwangen beobachten schon im zweiten Jahr, dass die Blüten ihres Klatschmohns über Nacht verschwinden. Wird daraus Opium hergestellt?
Ihr Garten ist Denise und Leo Dittlis ganzer Stolz. Hortensien, Flieder, Weinreben und Trompetenbäume gedeihen prächtig in der üppigen Oase. Dazu gehören würde auch ein Klatschmohn. Die leuchtend orangen Blüten der Pflanze sind im Frühsommer besonders hübsch anzusehen. Doch schon im zweiten Jahr muss das Ehepaar aus Killwangen auf die Blütenpracht verzichten.
«2023 hat es angefangen. Der Mohn hat im Mai zu blühen begonnen. Am nächsten Tag waren die meisten Blüten weg», erzählt Denise Dittli. «Ich habe mir aber nicht viel dabei gedacht und bin davon ausgegangen, dass das eine einmalige Sache ist.» Doch diesen Sommer wiederholt sich der seltsame Vorfall mehrmals. «Sobald die Pflanze eine neue Blüte trug, war sie am nächsten Tag weg.» Dittli ist sicher: «Jemand hat sie in der Nacht samt Fruchtkapseln abgehauen.» Davon zeugten die klaren Schnitte und der klebrige Saft, der die Stängel runtertropfe, sagt die Killwangenerin und zeigt auf ein Foto, das sie vom ärgerlichen Fund gemacht hat. «Das kann kein Tier und kein Lausbubenstreich sein.»
Diebe mit Kamera oder Zettel abschrecken
Um den Mohndieb abzuschrecken, haben die Dittlis überlegt, eine Kamera zu installieren oder zumindest eine Attrappe. Sie könne ja nicht den ganzen Tag durchs Fenster schauen und dem Dieb auflauern, sagt Denise Dittli. «Oder einen Zettel am Gartenhag anbringen mit den Worten ‹Nicht stehlen›», sagt Leo Dittli und lacht. Das Ganze sei schon etwas absurd. «Diese Massnahmen sind übertrieben. Es ist nichts Tragisches und doch ärgert es uns, dass unsere Pflanzen einfach so gestohlen werden», findet Leo Dittli.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Quartier Blumen geklaut werden. «Unsere Nachbarn haben uns erzählt, dass ihre Pfingstrosen auch schon weggekommen sind», sagt Denise Dittli. Und vor ein paar Jahren sei sogar ein Polizist mit einem Delinquenten vorbeigekommen, der ihm zeigen musste, wo er überall Blumen entwendet hatte. «Dieser hat auf Diebestouren regelmässig Rosen in Killwangen, aber auch in Schlieren und Dietikon abgeschnitten, die er dann im Zürcher Niederdorf verkauft hat. Eigentlich noch ein cooles Geschäftsmodell», sagt Denise Dittli mit einem Schmunzeln.
Vermutlich bediene sich bald auch jemand an den Margeriten neben den nun so trostlosen Mohnstängeln, fügt Denise Dittli an. Sie und ihr Mann nehmen die ganze Sache mit Humor. Und doch fragen sie sich: «Warum braucht jemand so viele Mohnblüten?»
Denise Dittlis Vermutung: «Vielleicht stellt der Dieb damit Opium oder Morphium her.» Wie viel es dafür brauche und wie die Droge hergestellt werde, das wisse sie nicht.
Klatschmohn hat keine berauschende Wirkung
Dass der Klatschmohn aus Dittlis Garten nicht zu einer Droge fabriziert werden kann, weiss Philip Bruggmann, Co-Chefarzt Innere Medizin beim Arud-Zentrum für Suchtmedizin in Zürich. «Der Klatschmohn enthält im Gegensatz zum Schlafmohn kein Morphin oder Codein und hat entsprechend keine berauschende Wirkung. Opium oder Opioide können aus Klatschmohn nicht hergestellt werden», sagt er auf Anfrage.
Wie der Schlafmohn enthalte der Klatschmohn in der Kapsel eine alkaloidhaltige Flüssigkeit, die giftig ist. «Beim Klatschmohn können diese giftigen Bestandteile auch in den Blütenblättern vorkommen, jedoch weniger konzentriert. Der Verzehr von Blütenblättern kann zu Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen führen», sagt Bruggmann.
Zur Herstellung von Opium aus Schlafmohn werde der Saft aus den noch unreifen Kapseln gewonnen. Opium könne beispielsweise zu Heroin weiterverarbeitet werden. «Eine Schlafmohnkapsel kann bis zu 10 Milligramm Morphin enthalten, was bereits eine berauschende Wirkung entfalten kann. Der Anbau von Schlafmohn ist verboten», so der Experte.
Das Ehepaar Dittli hofft indes, dass es wenigstens im nächsten Jahr die Mohnblüten zu Gesicht bekommt und die dreisten Diebe endlich genug von ihren Pflanzen haben. Leo Dittli sagt: «Und sonst müssen wir die Pflanze umsetzen, weit weg von der Strasse und vom Gartenzaun.» Das sei eigentlich schade, findet seine Frau. «Dann können sich die Leute im Vorbeilaufen nicht mehr daran erfreuen.»