Neue Massnahmen für den Hochwasserschutz

Der Gemeinderat Killwangen will den Hochwasserschutz verbessern und hat testweise einen Bachabschnitt verändert. Weil er kein Baugesuch dafür einholte und es der Ökologie schade, muss er den Musterbau rückgängig machen. Er setzt nun andere Massnahmen um.

Dieser Musterbau muss rückgängig gemacht werden. Im hinteren Teil sieht man den Originalzustand des Bachs. Melanie Bär

Dieser Musterbau muss rückgängig gemacht werden. Im hinteren Teil sieht man den Originalzustand des Bachs. Melanie Bär

Walter Hubmann, Vizeammann.   Archiv/bär

Walter Hubmann, Vizeammann. Archiv/bär

Sie fallen auf, die rund 40 Kalksteine am rechten und linken Rand des oberen Dorfbachteils. Sie kanalisieren das Wasser, es fliesst ruhig zwischen den Steinen durch. «Es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie es hier Platz hat und einfach durchfliesst», sagt Vizeammann Walter Hubmann (parteilos). Nach etwa 15 Metern endet die Steinreihe, wechselt zu einer mit hohem Gras bewachsenen Böschung aus Erde, die nun das Bachbett säumt. Das Wasser ist kaum mehr zu sehen, weil es von hohem Gras verdeckt wird.

Schuld an den engeren Platzverhältnissen sind vor allem Sand und Erde. Das Material wird mit dem herabfliessenden Wasser mittransportiert, ein Teil bleibt auf der Bachsohle liegen. Diese steigt so kontinuierlich an und verringert den Bachquerschnitt. Um dem entgegenzuwirken, tragen die Mitarbeiter des Werkhofs Sand und Erde vom Bachgrund ab, das letzte Mal vor drei Jahren. «Solange kein anderer Hochwasserschutz besteht, muss der Bach bei einem Hochwasser, wie es statistisch gesehen alle 30 Jahre vorkommt und 30-Jahr-Hochwasser genannt wird, mindestens 2300 Liter pro Sekunde abführen», sagt Hubmann, der fürs Ressort Gewässer zuständig ist. Die Gemeinde Killwangen ist Besitzerin des Dorfbachs. Rund 200 Gewässer im Kanton sind nicht in Kantonsbesitz.

Ufervegetation nicht roden

Der Musterbau ist im März dieses Jahres entstanden. «Wir wollten herausfinden, ob der Bach dank der Kalksteine besser abfliesst, und so den Hochwasserschutz sicherstellen», sagt Walter Hubmann. Eine Bepflanzung oben auf den Steinen und den Rändern sei vorgesehen gewesen.

Doch dazu wird es nicht kommen. Nach der Begehung mit Vertretern der Abteilungen Landschaft und Gewässer sowie Gewässerunterhalt stellte sich heraus, dass der Bau unrechtsmässig ist. Beim Einbau der Kalksteine handelt es sich nicht wie vom Gemeinderat angenommen um Unterhaltsarbeiten, sondern um einen Um- respektive Ausbau. «Es ist ein massiver Uferverbau auf einem längeren Gewässerabschnitt. Das ist keine Unterhaltsmassnahme mehr. Und dafür braucht es eine Baubewilligung, die der Gemeinderat nicht eingeholt hat», schreibt Norina Andres, Projektleiterin von der kantonalen Abteilung Landschaft und Gewässer, die vor Ort war.

Und auch wenn der Gemeinderat eine Bewilligung eingeholt hätte, wäre diese so nicht bewilligt worden. Gemäss Artikel 21 im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) darf die Ufervegetation nämlich weder gerodet noch überschüttet noch auf andere Weise zum Absterben gebracht werden. «Mit der Realisierung des Musterbaus wurde die Ufervegetation jedoch vollständig entfernt», kritisiert Andres. Zudem müsse gemäss Artikel 37 im Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten werden.

Gemeinderat anerkennt Fehler

«Das ist unser Fehler und wir werden den Musterbau wieder zurückbauen lassen», sagt Hubmann. Bis Ende Oktober hat die Gemeinde Zeit, die Steine zu entfernen. Einzig die erste Reihe bis nach dem Schieber und die Bachsohle dürfen bestehen bleiben. Was Hubmann ärgert: Die Kantonsvertreter bestätigten, dass die Massnahme den Hochwasserschutz erhöht und die Gefahr von Hochwasserschäden gesenkt hätten. Zumal im Bachteil im Oberdorf um die Jahrtausendwende eine ähnliche Massnahme realisierte worden war.

Andres relativiert und weist darauf hin, dass ein Hartverbau auch nicht grundsätzlich verboten sei. Sie bestätigt, dass sich beim Musterbau möglicherweise die Reibung «etwas verringert» hätte. «Es wurde jedoch auch der Querschnitt etwas eingeengt und es wird feines Material angeschwemmt.» Dieser würde im Bereich des Musterbaus zwar möglicherweise kleiner. «Es wird aber auch schwieriger, dort Auflandungen zu entfernen. Im unverbauten Abschnitt kann man einfach ab und zu die Sohle ausbaggern.»

7500 Liter Wasser pro Sekunde

Bei der Begehung ebenfalls dabei war Hans-Peter Nussbaum, Fachbereichsleiter des kantonalen Gewässerunterhalts. Er räumt ein, dass der Hochwasserschutz im betreffenden Abschnitt durch den Musterbau erhöht und für ein Hochwasser, wie es statistisch alle 30 Jahre vorkommt, gewappnet hätte. «Doch vor einem Hochwasser, wie es statistisch alle 100 Jahre vorkommt, würde es bei Weitem nicht schützen», sagt er. 7500 Liter Wasser pro Sekunde müssten bei einem 100-Jahres-Ereignis abfliessen können.

Das Hochwasserproblem in Killwangen beginne schon oberhalb des Dorfes, ergänzt Andres. Dort bestehe die Gefahr, dass nicht das gesamte Wasser den Weg in die Entlastung und den offenen Abschnitt finde. Weitere kritische Stellen seien Brücken und eingedolte Abschnitte, die zu klein sind.

Kanton empfiehlt ein Projekt

«Der Kanton will den Gemeinden keine Schutzmassnahmen vorschreiben, sondern unterstützt die Gemeinden bei der Projektierung und bei der Lösungsfindung», so Nussbaum. Der Gemeinderat will nun reagieren. Er plant, das «Bachkreuz» unterhalb des Weihers zu verbessern. Beim Hochwassereinlauf in den Sandfang empfiehlt der Kanton den Bau eines kleinen Damms, damit bei Hochwasser möglichst viel Wasser eingeleitet werden kann.

«Das werden wir tun und dürfen in diesem Bereich auch die Steinblöcke aus dem Musterbau einsetzen, weil sie in den Damm eingebaut werden und für Stabilität und Festigkeit sorgen und nicht mehr sichtbar sind», so Hubmann. Um die Abflusskapazität wiederherzustellen, wird zudem der Normalablauf vom Bach, unterhalb des Weihers, bergseitig ausgegraben, abgeböscht und ausgebaggert. «Mit diesen Massnahmen ist der Schutz gegen das 30-Jahr-Hochwasser wieder sichergestellt», sagt Walter Hubmann. Um sich auch für grössere Wassermengen, wie es statistisch gesehen alle 100 Jahre vorkommt, zu schützen, empfiehlt der Kanton, ein Hochwasserschutzprojekt zu machen.

Hydrologisches Gutachten geplant

Auch wenn der Versuch, den Hochwasserschutz mit dem Einbau von Kalksteinen zu erhöhen, nicht umgesetzt werden kann, schaut der Gemeinderat vorwärts. Meteo Schweiz hat im 2023 neue Starkregenabflussmengen publiziert. «Diese sind in den geltenden Hochwassergefahrenkarten jedoch noch nicht berücksichtigt, die Aktualisierung kann noch Jahre dauern», sagt Hubmann. Deshalb will der Gemeinderat für die Killwangener Bäche ein hydrologisches Gutachten mit den aktuellen Hochwasserabflussmengen erstellen. «Auf dieser Basis können wir dann die weiteren Hochwasserschutzmassnahmen projektieren lassen», so Hubmann. Diese umfassen den ganzen Bereich des Weihers, Sandfang, Entlastungsröhre und weitere Massnahmen.

Für die Umsetzung will der Gemeinderat entsprechende Budgets beantragen. Sowohl für Sofortmassnahmen als auch für die langfristigen Lösungen. Von 2026 bis 2032 sind total 1,55 Mio. im Finanz- und Aufgabenplan für den Hochwasserschutz vorgesehen. «Mein Legislaturziel ist es, ein umsetzbares Projekt aufzugleisen, das Killwangen vor einem Jahrhunderthochwasser schützen würde», so Hubmann.

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