Neuer «Silberfisch» zum Jubiläum

Timo Waser von derc baute mit Kollegen ein Kleinstauto mit Elektroantrieb zu Ehren des Vorgängers, der «Rapid Voiturette R», die vor 75 Jahren hergestellt wurde.

Sie sind stolz: Lukas Zumsteg und Timo Waser (v.l.) mit dem alten und dem neuen Modell der «Rapid Voiturette». (Bild: Sibylle Egloff)
Sie sind stolz: Lukas Zumsteg und Timo Waser (v.l.) mit dem alten und dem neuen Modell der «Rapid Voiturette». (Bild: Sibylle Egloff)

Mit seiner giftgrünen Farbe sticht das nostalgische Kleinstauto beim Besuch der Rapid Technic AG in Killwangen sofort ins Auge. Die «Rapid Voiturette E» ist das neuste Gefährt, das sich in die Ausstellung der Produktionsstätte der bekannten «Rapid»-Motormäher einreiht.

Der Kleinwagen wurde anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums seines Vorgängers, der bordeauxroten «Rapid Voiturette R», auch «Silberfisch» genannt, als neuer Prototyp nachgebaut. Neu ist nicht nur die Farbe, sondern auch der Antrieb. «Anstelle des damaligen Viertakt-Gegenkolbenmotors wurde der vollelektrische Antrieb des neusten Einachsers «Rapid URI» eingesetzt. Die Energie wird von einem Wechselakku bereitgestellt. Damit sind Fahrten über eine Distanz von etwa 180 Kilometern und eine maximale Geschwindigkeit von über 90 Kilometern pro Stunde möglich», sagt Timo Waser, Leiter Kundendienst der Rapid Technic AG. Er und vier weitere Kollegen entwickelten und erstellten das Kleinstauto in 1000 Arbeitsstunden letztes Jahr. «Im Januar 2021 ist die Idee bei uns an der Bartheke bei einem Feierabendbier entstanden», erinnert sich Waser.

Das Know-how, die Technik und die Leute habe man im Haus, wieso also nicht einen Versuch wagen, habe man damals gedacht. «Wir wollten die Sache geheim halten und nach der Arbeit daran rumwerkeln. Doch als wir nach langer Suche die alten Baupläne nirgends finden konnten, mussten wir unseren CEO einweihen», so Waser. Dieser habe dann prompt die gesuchten Unterlagen in einem Ordner in seinem Büro hervorgeholt und das Vorhaben zu einem offiziellen Projekt erklärt. Die Firma übernahm die Produktionskosten, gearbeitet wurde gratis. Und so tüftelten Rapid-Angestellte diverser Abteilungen teilweise bis Mitternacht und an Wochenenden am neuen «Silberfisch». «Das Projekt hat uns zusammengeschweisst, das war der grösste Nutzen dieser Arbeit», so Waser.

Das Interesse am Kleinstauto der Rapid war 1946 klein

Gleichzeitig tauchte man in die Entstehungs- und die Firmengeschichte ein. «Die Grundlagen für das Kleinstauto erarbeitete der österreichisch-ungarische Ingenieur Josef Ganz vor dem Zweiten Weltkrieg», erzählt Lukas Zumsteg, Leiter Vertrieb der Rapid Technic AG. Ganz’ Ziel sei es gewesen, dass sich damals jedermann ein kleines, einfaches Auto hätte leisten können. «Als Erfinder hatte er schlechte Karten. Als Jude wurde er ab 1934 schikaniert und verhaftet. Als Ganz wieder freigelassen wurde, verlor er alles. Auch seine Patente wurden ihm aberkannt. Er flüchtete in die Schweiz, wo das Zürcher Arbeitsamt und die Rapid Motormäher AG seine Idee wiederaufnahmen.» So sei es dazu gekommen, dass mit finanzieller Unterstützung vom Staat 1946 in den Produktionshallen der Rapid in Dietikon in zwei Serien total 36 Stück des Kleinfahrzeugs «Voiturette R» hergestellt worden seien, sagt Zumsteg. Das Interesse am minimalistischen Auto war zu dieser Zeit klein. «Damals konnte man für etwas mehr Geld bereits luxuriösere Kleinwagen wie den Fiat Topolino oder den VW Käfer kaufen. Das führte dazu, dass die Produktion eingestellt wurde», erklärt Zumsteg. Drei der damaligen Rapid-Autos existieren heute noch. Eines wurde 1969 von der Rapid totalrestauriert an das Verkehrshaus der Schweiz übergeben – momentan steht es in Killwangen. Ein nicht restauriertes Modell befindet sich im Louwman-Museum in Holland. Ein drittes Modell soll in Indien sein.

Dass das Auto in der heutigen Zeit immer noch auf wenig Beachtung stösst, glaubt Zumsteg nicht. «Josef Ganz’ Idee war visionär. Wir sind überzeugt, dass die ‹Voiturette E› Potenzial hat. Sie hat eine gute Grösse und ist mit einem Preis von 12000 Franken so teuer wie ein Mittelklassemotorrad. Das Bedürfnis nach einem einfachen und günstigen Auto ist wieder aktuell, insbesondere mit Elektroantrieb.»

Neuer «Silberfisch» könnte eine Option für junge Lenker sein

Vor allem für junge Autolenker, die nicht so viel Geld haben, aber mobil sein wollen, könne der «Silberfisch» mit Elektroantrieb eine Option sein, so Zumsteg. «Im Ortsmuseum Dietikon haben wir alte Fotos vom Vorgänger mit einer Krankenschwester gesehen. Eine Idee könnte also auch sein, dass Organisationen wie die Spitex das Auto nutzen, um ihre Klienten zu besuchen.»

Ob der neue Wagen tatsächlich einmal auf Schweizer Strassen verkehren wird, wissen Zumsteg und Waser nicht. «Wichtig ist uns, dass wir damit einen Denkanstoss geben können. Wir haben ein kleines, praktisches Auto kreiert, das mit seinem Antrieb keine Emissionen generiert», sagt Zumsteg. Für ihn ist klar: Das Auto löst Emotionen aus. «Bei Probefahrten mit dem Prototyp haben wir viele Reaktionen erhalten, Passanten und Bauarbeiter zückten die Handys. Es war ein tolles Gefühl, zu sehen, wie gut unser Projekt ankommt.»

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