Ware wird dringend vor Ort gebraucht

Auch wenn Gosha Zaranska die Materialabgabestelle im Kindergarten Zelgmatt geschlossen hat, sammelt sie weiter. Die Hilfsgüter werden direkt in die Ukraine transportiert. Ihre Hilfsbereitschaft hat ihr geholfen, nach einem Burnout in der Schweiz Fuss zu fassen.

Gosha Zaranska half anderen und auch sich selbst. Severin Bigler/Archiv

Gosha Zaranska half anderen und auch sich selbst. Severin Bigler/Archiv

Zwei Jahre lang stapelten sich im Kindergarten Zelgmatt Kleider, Schuhe, Pflegeprodukte, Spielsachen und Wohnungseinrichtungsgegenstände, bereitgestellt für Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet waren. Seit Ende März sind die Räumlichkeiten leer. Nach den Sommerferien werden darin wieder Kindergärtler unterrichtet. Von Anfang an war der «Free Shop», wie Gosha Zaranska die Materialverteilstelle im Kindergarten nannte, als befristetes Angebot gedacht gewesen. Als Notfallmassnahme nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine hatte sie damals «Gosha for Ukraine» ins Leben gerufen und Hilfsgüter gesammelt und an Bedürftige verteilt.

Als gebürtige Polin, die vor 20 Jahren wegen ihres Jobs im Finanzbereich in die Schweiz kam, berührten sie die Schicksale der Ukrainerinnen und Ukrainer und sie wollte helfen. Aus dem Nichts baute sie eine Abgabestelle auf, wo die Geflüchteten die von der Bevölkerung abgegebenen Hilfsgüter kostenlos beziehen konnten. Als am Anfang Flüchtende aus der Ukraine die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen konnten, reisten Personen aus der ganzen Schweiz nach Killwangen, danach waren es vorwiegend Menschen aus der Region.

Neues Angebot

«Mittlerweile haben auch Ukraine-Flüchtende alles, was sie brauchen, und auch genügend andere Hilfsangebote. Deshalb haben wir entschieden, den Laden nicht an einem anderen Ort wieder zu eröffnen», sagt Gosha Zaranska. Ganz Schluss ist trotzdem nicht. Ein- bis zweimal pro Monat werden wie bisher Hilfsgüter mit einem Lastwagen in die Ukraine gebracht. «Am Anfang wollte ich auch damit aufhören. Doch als wir dann an der Dorfstrasse 2 in Killwangen eine Scheune fanden, die uns der Besitzer kostenlos als Lager zur Verfügung stellt und die Volunteers bereit waren, weiterzumachen, entschied ich mich um.» Ab sofort kann die Bevölkerung deshalb weiterhin Hilfsgüter wie beispielsweise Medikamente, Lebensmittel mit langer Haltbarkeit, Tierfutter, Schlaf- und Hygieneartikel, Kleider und andere Artikel des täglichen Bedarfs abgeben. Diese werden dann von Gosha Zaranska und den zehn bis fünfzehn Freiwilligen verpackt und von der Hilfsorganisation Switlo in die Ukraine gefahren.

«Dort wird die Ware dringend gebraucht, dringender als je zuvor», ist die 47-Jährige überzeugt und fügt an: «Wir hören immer wieder, dass die Preise vor Ort massiv gestiegen sind, viele Leute die Arbeit verloren und sich kaum noch Essen oder Medikamente leisten können.» Sie arbeitet mit Einheimischen vor Ort zusammen, die das Material entweder an andere Organisationen zum Verteilen weitergeben oder selbst an Bedürftige abgeben. Angst vor Missbrauch hat sie nicht. «Wir sind im Kontakt mit den Leuten vor Ort und bekommen auch Bilder von Verteilaktionen.»

Nach Burnout das Leben verändert

In den zwei Jahren, in denen Gosha Zaranska das Hilfsprojekt aufbaute, hat sich in ihrem eigenen Leben einiges verändert. «Nach einem Burn-out und einer Depression musste ich damals meinen Kaderjob im Finanzbereich eines internationalen Konzerns aufgeben und war auf Jobsuche», sagt sie. Die Aufgabe in der Materialsammelstelle habe ihr eine sinnvolle Beschäftigung gegeben und sie abgelenkt. «Dabei habe ich mich aber auch ein bisschen übernommen», sagt sie rückblickend. Sie machte eine Therapie, lernte, auf sich und die Signale ihres Körpers zu hören, und entschied, keinen Kaderjob mehr in einem Grosskonzern zu suchen. «Ich will nicht schlechtreden, was ich 20 Jahre machte. Es hat mir gefallen, aber jetzt erscheint es mir nicht mehr sinnvoll, mein Leben nur mit Arbeit zu füllen und täglich 12 Stunden zu arbeiten.»

Mittlerweile ist sie Inhaberin einer Massage- und Therapiepraxis, die sie mit ihrer Kollegin, die ausgebildete Masseurin ist, gegründet hat. «Das entspricht meinem Wunsch, Dinge zu tun, die Menschen helfen», begründet sie den Branchenwechsel. Ein Jahr will sie sich Zeit geben, um das Geschäft zum Laufen zu bringen.

«Heute kann ich sagen, dass es mir wieder gut geht. Nicht nur, aber auch dank der Abgabestelle.» Dadurch habe sie viel gelernt und sich in der Schweiz integriert. «Vorher war ich ein Workaholic, kannte niemanden aus dem Dorf, sondern war ausschliesslich mit Arbeitskollegen aus aller Welt in Kontakt. Mittlerweile habe ich Deutsch gelernt und kenne viele Leute aus Killwangen.» Infos unter www.ukraine.gosha.ch.

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