Abschied von der Multikulti-Schule

Gesamtschulleiterin Renate Baschek geht in den Ruhestand. Warum sie die Vielfalt der Schule Neuenhof stets als Gewinn sah und was ihr während ihrer Laufbahn besonders zusetzte.

Verdienter Ruhestand nach 42 Jahren als Gesamtschulleiterin.Dlovan Shaheri

Renate Baschek erinnert sich noch genau an ihren ersten Arbeitstag an der Schule Neuenhof. «Der Anfang war hart, ich kam in ein nicht eingerichtetes Zimmer in einem provisorischen Pavillon, in den es hineinregnete.» Trotz diesem wenig erfolgversprechenden Start blieb Baschek der Schule 42 Jahre lang treu, davon 28 Jahre als Lehrperson und 14 Jahre als Gesamtschulleiterin. Nun beendet die heute 64-Jährige ihre Laufbahn und verabschiedet sich in den Ruhestand.

«Ich gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge», sagt sie. «Ich bin traurig, weil ein wunderbarer Lebensabschnitt und ein spannendes Berufsleben aufhören.» Gleichzeitig falle eine grosse Last von ihren Schultern. «Ich bin dankbar, nicht mehr die Verantwortung für einen immer grösser und komplexer werdenden Betrieb tragen zu müssen.» Am Ende ihrer Karriere war die Gesamtschulleiterin für rund 160 Mitarbeitende zuständig. Dazu gehörten nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Heilpädagogen, Klassenassistenten oder Mittagstisch-Verantwortliche.

1982 fand die junge Lehrerin eine völlig andere Welt vor. Es gab keine Schulleitung, keine Förderlehrpersonen und keine Schulsozialarbeit. «Einiges kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Zum Beispiel, dass alle Stundenpläne ohne Schulleitung zustande kamen oder dass ich zeitweise mit rund 30 Schülerinnen und Schülern ohne Unterstützung Schwimmen im Tägerhard unterrichtete», erzählt Baschek.

Der Lehrpersonenmangel vor allem in den letzten Jahren war für sie besonders kräftezehrend. «Die ständige Sucherei nach geeigneten Leuten und die Organisation des Coachings von Quereinsteigern waren wahnsinnig anstrengend», sagt Baschek. Im Dezember 2023 musste die Wettingerin die Gesamtschulleitung aus gesundheitlichen Gründen schweren Herzens abgeben. Alexander Grauwiler, ehemaliger und langjähriger Geschäftsleiter der Schule Baden, sprang ein, bis Baschek nun von ihrem Nachfolger Reto Geissmann abgelöst wird.

Kopierer selbst geschleppt

Anspruchsvoll war nicht nur der Schluss ihrer Karriere. «Die 30 Millionen teuren Schulbauten stellten das aufwändigste und langwierigste Projekt dar. Es dauerte von der Planung bis zur Fertigstellung insgesamt acht Jahre und kostete sehr viel Energie und Nerven.» Vor ihrem geistigen Auge sehe sie noch heute lauter Umzugskisten und Lehrkräfte, die über fehlende Stühle und noch nicht vorhandene Schränke klagen. «Ich weiss noch, wie ich in den Sommerferien einem Bauarbeiter in der Not half, einen Kopierer zu zügeln. Wir schleppten ihn über den Pausenplatz», sagt Baschek und lacht.

Die Gemeinde habe in Sachen Ausbau des Schulraums Weitsicht bewiesen, findet sie. Die 2017 und 2018 fertiggestellten Bauten bieten auch heute noch genug Platz. Dankbar ist Baschek, dass die Neuenhofer Stimmberechtigten der Schule in all den Jahren stets wohlgesinnt waren. «Das Stimmvolk stand immer hinter uns. Das Geld für die neuen Schulhäuser und die Aufstockung des Schulverwaltungspersonals wurde nebst anderen Anträgen bei Abstimmungen reibungslos bewilligt.»

Zu den Höhepunkten ihrer 42 Dienstjahre zählt das pädagogische Kulturprojekt «Babel überall». Rund 130 Neuenhofer Schüler traten 2014 in der Klosterkirche Windisch zusammen mit Künstlern auf. «Sie konnten zeigen, was in ihnen steckt und wie schön kulturelle Vielfalt ist. Damit berührten sie das Publikum und mich sehr», sagt Baschek. «Die Kinder und Jugendlichen aus Neuenhof glänzen mehrheitlich nicht mit Bestnoten, selten bestreitet jemand einen akademischen Weg. Sie zeichnen sich durch ihre Herzlichkeit und emotionale Stärke aus.»

80 Prozent der Neuenhofer Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund. Die über 40 Nationen an der Schule sah Baschek stets als Gewinn, auch wenn sie oft Mehraufwand bedeuteten. «Wir waren gefordert, kreative Lösungen zu finden. Das hat mich gereizt und war ausschlaggebend dafür, dass ich mich so lange in den Dienst der Schule Neuenhof stellte.» Baschek denkt etwa an den kommunalen Integrationskurs, das Förderzentrum oder die Dolmetscher bei Elterngesprächen.

Schmerzhafte Erinnerung

Der multikulturelle Hintergrund stellte jedoch nicht für jede und jeden etwas Positives dar. Das musste Baschek am 13. Juni 2010 schmerzlich erfahren. Baden lehnte damals die Fusion mit Neuenhof wegen 24 fehlenden Stimmen ab. «Einer der Gründe dafür war der Migrationshintergrund der Schüler. Das hat mich zutiefst getroffen, ich musste sogar weinen. Diese Ablehnung hatten die Kinder nicht verdient.»

Trotz der grossen Enttäuschung liess man sich nicht beirren und setzte auf das vielfältige Miteinander. So entstanden weiterhin zahlreiche Projektwochen oder spontane Sammelaktionen für Krisengebiete. «Die Schulhäuser verwandelten sich dabei auf wundersame Weise in Werkstätten, Ausstellungen und Restaurants. Im Lift konnte man zum Beispiel für einen Franken ein Glas Champagner trinken und dabei auf- oder abfahren», erinnert sie sich.

Sie selbst ist froh, dass sie sich nun Dingen widmen kann, die nichts mit Schulorganisation zu tun haben. «Ich freue mich auf mehr Zeit in der Natur auf der Lägern, an der Limmat oder auf meinem Pferd.» Für die Zukunft wünscht sie der Schule Neuenhof weiterhin Momente und Projekte, bei denen Emotionen und Kreatives im Mittelpunkt stehen. «Rückblickend erinnert man sich nicht an Mathematikformeln oder Schulnoten, sondern an das, was zwischen dem Lehrplan stattfand.»

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