Der Stimmenzähler tritt ab

Adolf Heldmann zählte 45 Jahre die Stimmen in Neuenhof – und hat dabei viele Veränderungen miterlebt.

Adolf Heldmann, genannt Dölf, auf einer Bank neben dem Restaurant Bahnhof in Neuenhof: «Ich wollte immer wissen, was im Dorf so abläuft.» Rahel Bühler
Adolf Heldmann, genannt Dölf, auf einer Bank neben dem Restaurant Bahnhof in Neuenhof: «Ich wollte immer wissen, was im Dorf so abläuft.» Rahel Bühler

«Hoi Dölf, geht’s dir gut? Es ist kalt geworden, gell?» Adolf Heldmann, genannt Dölf, sitzt im Restaurant Bahnhof in Neuenhof. Vor ihm ein Kaffee crème. Am Stammtisch nebenan sitzen vier ältere Damen. Man kennt sich im Dorf. Dölf ganz besonders: Der 81-Jährige war 45 Jahre lang Stimmenzähler in Neuenhof.

1973 hat ihn der Einwohnerrat gewählt. Sein Amt angetreten hat er 1974. Damals, so erzählt er, lief das Wählen noch etwas anders ab: «Früher gab es Urnen an verschiedenen Orten im Dorf.» Die Stimmenzähler hätten jeweils am Freitag vor der Abstimmung die Urne in der Alterssiedlung aufgestellt. Nachdem alle abgestimmt hatten, zogen die Stimmenzähler weiter ins Restaurant Waldeck. Die letzten Wähler seien schliesslich am Abstimmungssonntag nach der Kirche an die Urne gegangen. «Damals mussten ja alle an der Urne abstimmen», so der Neuenhofer.

Zu Beginn seiner Amtszeit haben die Zähler alle Stimmen von Hand ausgezählt, sie in Bögen eingetragen und das Ganze mehrmals kontrolliert. Im Laufe der Zeit sei dann eine Zählmaschine eingeführt worden. «Sie hat die Zettel gezählt, wie eine Geldmaschine Noten zählt», erklärt Heldmann.

Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm jene Wahlen, bei denen das Resultat knapp ausfiel: «Da mussten wir das Ergebnis besonders sorgfältig überprüfen», sagt der gelernte Bäcker, der später 20 Jahre im Innen- und Aussendienst für die Swisscom gearbeitet hat. Sie hätten die Resultate versiegelt aufbewahren müssen, falls noch jemand Einsprache erheben wollte. Vorgekommen ist dies laut Heldmann allerdings nie. Auch gut erinnern kann er sich an die Wahlen von 1991: Damals setzte der Bund das Wahlalter von 20 auf 18 Jahre herunter. «Wir waren gespannt, wie viele Junge sich dafür interessierten», sagt der 81-Jährige, der seit 1962 in Neuenhof wohnt. Am Anfang hätte sich das Interesse der Jungen in Grenzen gehalten.

Der Wahl- und Abstimmungsvorgang änderte sich mit der Einführung der brieflichen Stimmabgabe 1994. «Damals reduzierte man die Stimmenzähler von 16 auf 8 Personen» sagt Heldmann. Fortan gab es auch nur noch eine Urne in Neuenhof, jene im Gemeindehaus. Mehr brauchte es nicht mehr.

Früher habe man Mitglied einer Partei sein müssen, um Stimmenzähler werden zu können. Er selber gehört der CVP-Ortspartei an. «Ich wollte immer wissen, was im Dorf so abläuft.»

Auch an den Gemeindeversammlungen war Heldmann im Einsatz. «Einmal hat die Verwaltung im Vorfeld einer GV eine Drohung erhalten. Dann wurde ein Polizist für den Abend aufgeboten. Passiert ist aber nichts», erinnert er sich.

Wie gross der Aufwand für die Stimmenzähler war, sei abhängig von der Wahl oder der Abstimmung gewesen. Die Wahl des Einwohnerrats, der von 1966 bis 1997 existierte, habe viel Zeit in Anspruch genommen. Stunden zählen? Das habe er nie getan. «Wenn du etwas gerne machst, ist es egal, wie lange du dafür brauchst.» Er sei immer gerne Stimmenzähler gewesen: «Es war immer interessant und es gab viel Neues. Und wir waren ein super Team.»

Ende 2019 tritt Heldmann ab. Bei den National- und Ständeratswahlen Ende Oktober hatte er seinen letzten Einsatz. «Nach 45 Jahren ist für mich die Zeit zum Aufhören gekommen.» Sagt es und nimmt den letzten Schluck von seinem Kaffee crème.

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