Vor der Misswirtschaft aufhören
Der Vorstand des Vereins Tageshort will den Hort per Ende Juni 2016 schliessen. Er begründet dies mit negativer Entwicklung der Belegung, mit der neuen Standortsuche sowie mit finanziellen Entwicklungen und Aussichten.
Eine finanzielle Unsicherheit sei der geplante Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung, sagt Heidi Mazenauer vom Vorstand Tageshort Neuenhof. Wie in vielen Gemeinden seit Jahren üblich, will auch der Gemeinderat Neuenhof für die familienergänzenden Betreuungsangebote von der Objekt- zur Subjektfinanzierung wechseln und stellt dem Stimmvolk an der Gemeindeversammlung den entsprechenden Antrag. Ziel des Gemeinderates ist es, dass Familien in sämtlichen Betreuungseinrichtungen gleichberechtigt von allen Angeboten in der Gemeinde profitieren können. Bisher unterstützte die Gemeinde lediglich den Hort. Für den Hort Neuenhof bedeutet das, dass sie nicht mehr von einem jährlichen Fixbeitrag von 90 000 Franken profitiert, sondern der Betrag abhängig von der Zahl der Kinder ist, die sie betreuen. Die Änderung solle aber nicht sofort, sondern erst per Ende Juni 2016 vollzogen werden, «Damit sich der Verein Tageshort auf die neue Finanzierungsform einstellen kann», begründet der Gemeinderat in der Information zur Gemeindeversammlung.
Eine weitere finanzielle Belastung sei die Erhöhung des Mietpreises seit Juni 2015. Nach dem Verkauf der Gemeindeliegenschaft an die Firma Stocker AG will die neue Eigentümerin den vertraglich festgelegten Mietzins von 3000 Franken erheben. Die Gemeinde hatte den Mietzins in den letzten Jahren reduziert, sodass der Verein nicht den gesamten Mietzins zahlen musste. «Das belastet uns finanziell stark», sagt Mazenauer.
Auch die Suche nach neuen Räumlichkeiten habe sich ebenfalls aus finanzieller Sicht als schwierig entpuppt. «Ein Ersatzstandort an der Hardstrasse 59 war nie und nimmer für den Tageshort tragbar, es wären Ausbaukosten von mehreren Hunderttausend Franken dazugekommen, die schlichtweg durch den Verein Tageshort nicht aufgebracht werden können», sagt Mazenauer. Andere Lösungen seien keine gefunden worden.
Erschwerend kam die Abnahme der Anzahl zu betreuenden Kinder hinzu. Im Rekordjahr 2012 waren es 3108 Betreuungstage, vergangenes Jahr noch 2001. Aus dieser Entwicklung schliesse der Vorstand, dass das Modell Tageshort mit einer ganztägigen Kinderbetreuung und teilweiser Aufgabenhilfe, wie dies der Hort anbietet, in Zukunft nicht mehr gross gefragt sei.
«Im Moment besteht ein grosser Bedarf an schulergänzenden Betreuungsmöglichkeiten», sagt indessen Amanda Wildi-Hürsch. Sie ist Co-Geschäftsleiterin der Fachstelle für familien- und schulergänzende Kinderbetreuung (K&F) in Ennetbaden. K&F führt im Auftrag des Kantonalen Dachverbandes Tagesstrukturen/Mittagstische sowie des Schweizerischen Verbandes für schulische Tagesbetreuung «Bildung und Betreuung» die jeweiligen Geschäftsstellen. Die Expertin sagt, dass vielerorts ein Ausbau schulergänzender Angebote, sogenannter Tagesstrukturen, stattfinde. Gerade wenn die Kinder durch den Eintritt in den Kindergarten nicht mehr in der Krippe betreut würden, gebe es vor und nach Unterrichtsbeginn sowie über Mittag eine Betreuungslücke. «Das ist auch in Neuenhof der Fall, das beweisen die vielen Kinder, die den Mittagstisch besuchen», so Wildi. Die Erfahrung zeige, dass Organisationen, die dieses Segment abdecken, ganz eng mit der Schule zusammenarbeiten müssen. Als Expertin rät sie davon ab, Tagesstrukturen von der Schule organisieren zu lassen, ausser die Schule übergibt die Organisation einem Betreuungsteam mit ausgebildetem Betreuungspersonal. «Diese professionelle, auf Betreuung spezialisierte Organisation mit ausgebildetem Personal ist nötig. Es ist nicht sinnvoll, wenn es von der Schulleitung in einem Nebenamt geführt wird.» Für Wildi wäre es naheliegend, dass eine solche Aufgabe beispielsweise von einem Hort angeboten würde. «Das ist ihr Geschäft, sie sind die Fachleute auf diesem Gebiet.»
Der Tageshort Neuenhof deckt im Grunde genommen, genau dieses Alterssegment ab, ist jedoch mit dem Standort an der Zürcherstrasse 141 relativ weit weg von der Schule. Hat der Vorstand des Horts aufgrund des Rückgangs der Betreuungsstunden sowie den Veränderungen der Mietverhältnisse und der Finanzierung auch schon eine strategische Neuausrichtung in Erwägung gezogen? Beispielsweise die Führung des Mittagstischs und der Randstundenbetreuung in der Schule anzubieten? Hat der Vorstand das Gespräch mit der Schulleitung gesucht? «Nein, all dies haben wir nicht in Betracht gezogen, weil das zwei Paar Schuhe sind», findet Mazenauer.
Zudem sei der Verkauf der Hort-Liegenschaft noch kein Thema gewesen, als über die Erweiterung des Mittagstischangebots in der Schule diskutiert worden sei. Mittlerweile habe man dieses Angebot durch einen Rückgang der Hortkinder zu spüren bekommen. «Wenn dann im Jahr 2017 auch noch Tagesstrukturen angeboten werden, dann ist der Hort wahrscheinlich sowieso fast überflüssig.» Man habe deshalb entschieden, nach Ablauf des Mietvertrags und der Systemumstellung des Finanzierungssystems, den Hort auf Ende Juni 2016 zu schliessen. «Um es nicht zur Misswirtschaft kommen zu lassen, sondern lieber vorher aufhören», begründet Mazenauer.