Die Leidenschaft lockt ihn seit 35 Jahren in den Wald
Martin Bürgisser feiert sein 35. Dienstjahr-Jubiläum beim Forstbetrieb Heitersberg in Spreitenbach. Warum er schon als Baummörder bezeichnet wurde und wieso ihn sein Beruf auch nach all den Jahren und einem schweren Unfall noch reizt.

«Es gibt wenige Betriebe, die mehrere so langjährige Mitarbeitende haben wie unserer», sagt Martin Bürgisser. Er konnte Anfang Jahr sein 35-Dienstjahr-Jubiläum beim Forstbetrieb Heitersberg feiern. «Und auch unser Chef, Revierförster Peter Muntwyler, ist schon seit 25 Jahren dabei. Das spricht für unser Team. Wir kennen einander sehr gut, auch unsere Macken», sagt Bürgisser. Der 55-Jährige aus Unterlunkhofen sitzt im Gemeinschaftsraum des Forstamts an der Chilegass in Spreitenbach. An der Wand hinter der langen Sitzbank reihen sich Bilder, Zeitungsausschnitte und Karten aneinander. Sie zeigen Babys, erfolgreiche Lehrabsolventinnen und -absolventen, die Fällung von grossen Bäumen oder neue Fahrzeuge.
«Zu meinen Highlights in den 35 Jahren gehört sicherlich die Ausbildung der Lernenden», sagt Bürgisser. «Am Ende sind sie es, welche die Prüfungen erfolgreich bestehen. Doch wir können ihnen in den drei Jahren etwas mitgeben und sie auf die richtige Spur bringen.» Der Forstvorarbeiter betrachtet ein Foto vom August 2005. «Da hat unsere erste Lehrtochter die Ausbildung abgeschlossen», sagt er stolz.
Den Reiz seiner Arbeit sieht Bürgisser in der Abwechslung. «Und auch, dass mein Arbeitsort der Wald ist, gefällt mir bis heute sehr», sagt er. Das Holzen sei das A und O seines Berufs. «Auch wenn ich deswegen schon als Baummörder bezeichnet wurde», erzählt Bürgisser. Einige Leute hätten ein falsches Bild von der Forstarbeit. Es gehe nicht darum, grundlos Bäume zu fällen. «Wir pflegen den Wald. Es ist so wie bei den Menschen. Die älteren gehen, damit die jungen nachkommen können. Wir verjüngen durch das Holzen den Wald.»
Früher kämpften sie gegen Stürme, heute gegen den Borkenkäfer
Überdies müssen auch kranke Bäume weichen, weil sie sonst zu einer Gefahr für Waldnutzende werden könnten. «Seit einigen Jahren kämpfen wir gegen die Eschenwelke oder den Borkenkäfer», sagt Bürgisser. Früher hätten grosse Waldflächen wegen starken Stürmen wie Lothar oder Vivian geholzt werden müssen. Verantwortlich sind er und seine Kollegen auch für den Unterhalt der Strassen und Wege im Wald. Insgesamt handelt es sich um 60 Kilometer, die gepflegt werden müssen. «Wir müssen sicherstellen, dass die Strassen befahrbar sind, damit wir mit unseren Maschinen durchkommen und unsere Käufer das Holz mit ihren Lastwagen abführen können», sagt Bürgisser, der für den Fuhrpark des Forstbetriebs zuständig ist.
Seine Passion für die Waldarbeit wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. «Mein Vater war Forstwart in Oberlunkhofen. Als kleines Kind habe ich ihn oft begleitet», erinnert er sich. Nach seiner Lehre zog es ihn als 17-Jährigen für zwei Jahre ins Wallis. Dort arbeitete er im Naturschutzwald Derborence. Eine neue Erfahrung für den jungen Forstarbeiter. «Seilbahnen und Helikopter kamen wegen des steilen Geländes zum Einsatz und im Winter kümmerten wir uns um die Bachpflege.»
Vor der Fusion gehörte er zum Forstbetrieb Rohrdorferberg
Danach heuerte er beim Forstbetrieb Rohrdorferberg an. Im Jahr 2000 folgte die Fusion mit Spreitenbach und Killwangen. Seither ist Bürgisser Teil des Forstbetriebs Heitersberg. In den 35 Jahren habe sich an der Arbeit selbst wenig geändert. «Man lässt mehr Holz liegen, um dem Wald mehr Nährstoffe zu überlassen.» Doch ein grundlegender Wandel habe bei der Nutzung des Forsts stattgefunden. «Heute halten sich viel mehr Leute im Wald auf: Spaziergänger, Jogger, Biker, Pilzler. Vor allem in der Coronazeit habe ich Personen im Wald gesehen, mit denen ich niemals gerechnet hätte», sagt Bürgisser und lacht.
Sich nochmals 35 Jahre in den Dienst des Forstbetriebs Heitersberg zu stellen, ist altershalber nicht möglich. Ein paar Jahre hinzukommen sollen aber schon noch. Bürgissers Ziel: «Ich will nicht hier rausgetragen werden müssen, sondern bei guter Gesundheit gehen, damit ich meinen Ruhestand noch geniessen kann», so der zweifache Vater und vierfache Grossvater.
Wie kostbar die Gesundheit ist und wie schnell sich der Gesundheitszustand ändern kann, musste der Forstvorarbeiter im Jahr 2021 am eigenen Leib erfahren, als er von einer herunterfallenden Baumkrone erfasst wurde. Er zog sich dabei einen zweifachen Oberschenkelbruch, Rippenbrüche und einen Schulterbruch zu. «Ich musste mit dem Helikopter ins Spital geflogen werden. Es hätte viel Schlimmeres passieren können. Ich hatte Glück im Unglück.» Der Vorfall liess ihn nie an seinem durchaus gefährlichen Beruf zweifeln. Sechs Monate nach dem Unfall stand er wieder im Wald und arbeitete 100 Prozent. Bürgisser sagt: «Es ist eine Leidenschaft, anders kann man es nicht erklären.»