In Spreitenbach lebt es sich am besten
Gemäss einer Analyse von Wüest und Partner gehört Spreitenbach zu den finanziell attraktivsten Gemeinden der Schweiz. Warum das Dorf vorne liegt.
Hoher Ausländeranteil, viele Sozialhilfebeziehende, Jugendgangs und Schlägereien: Das kommt vielen als Erstes in den Sinn, wenn sie den Namen Spreitenbach hören. Eine neue Analyse des Beratungsunternehmens Wüest und Partner bringt den vermeintlich schlechten Ruf der Gemeinde nun arg ins Wanken. Laut dessen Auswertung findet sich das Wohnglück nämlich in Spreitenbach – zumindest aus finanzieller Perspektive.
Das Dorf schneidet im Vergleich mit anderen Schweizer Orten mit einer Einwohnerzahl ab 8000 ausserordentlich gut ab und belegt im Ranking mit 235 Gemeinden den 13. Platz. Baden schafft es nur auf den 47. und Wettingen sogar nur auf den 56. Platz. Und das benachbarte Dietikon im Kanton Zürich landet abgeschlagen auf dem 99. Platz.
Doch warum gehört gerade die in Verruf geratene Gemeinde zu den finanziell lebenswertesten in der ganzen Schweiz? «In Spreitenbach sind die Wohn- und Mietkosten attraktiv und mit Zürich hat man ein grosses Arbeitsplatzzentrum ganz in der Nähe», erklärt Robert Weinert, Leiter Research bei Wüest und Partner. Er ist der Urheber der Analyse. Speziell an der Auswertung ist, dass nicht nur die Lebenskosten berücksichtigt werden, sondern dass auch die Pendeldistanz in die nächste Grossstadt miteinbezogen wird.
Nähe zu städtischem Zentrum ist entscheidend
«Sonst lägen Gemeinden mit günstigem Wohnraum weit vorne», sagt Weinert. Das wären abgelegene Orte im Kanton Graubünden, dem Nordtessin oder im Jura. «Doch diese Kenntnis bringt dem Ottonormalverbraucher wenig und ist kaum überraschend. Wichtig ist die Nähe des Wohnorts zum Arbeitsplatz und zu einem städtischen Zentrum. Daher darf diese Zahl in den Berechnungen nicht fehlen», findet der Experte.
Die Rangliste sei für Menschen, die von attraktiven Lebenskosten und der Nähe zu einer urbanen Infrastruktur mit guter Gesundheitsversorgung, Mobilität sowie einem kulturellen Angebot profitieren wollen, von Interesse. Dazu gehören laut Weinert nicht nur Berufstätige, sondern auch Familien und Seniorinnen und Senioren. Kurzgefasst: Spreitenbach versprüht ein urbanes Lebensgefühl, ist gleichzeitig natur- und stadtnah, und das zu moderaten Wohnpreisen.
Eine Mietwohnung gibt es im Mittel für knapp 1800 Franken. Man vergleiche: In Baden blättert man dafür 2200 Franken hin, in Wettingen 1900 Franken. Der Traum vom Einfamilienhaus lässt sich in Spreitenbach für einen Preis zwischen 1,3 und 1,7 Millionen Franken verwirklichen. In Wettingen sind 1,5 bis 1,9 Millionen Franken nötig. Rund 8500 Franken pro Quadratmeter kostet eine Eigentumswohnung in Spreitenbach, in Wettingen muss man 500 Franken mehr pro Quadratmeter hinlegen.
Dass man Gemeinden entdeckt, die man sonst weniger im Zusammenhang mit Lebensqualität auf dem Radar hat, die relativ nahe an den Grosszentren liegen und gleichzeitig vor bekannteren Städten wie zum Beispiel Dietikon und Schlieren liegen, sei das Ziel des Ratings zur finanziellen Gemeindeattraktivität gewesen, sagt Research-Leiter Weinert.
Der Blick nach Schlieren lohnt sich
Spreitenbach kann sich nichtsdestotrotz in Sachen Image und zukunftsträchtiger Entwicklung so einiges von Schlieren abgucken. «Dank eines guten Stadtplanungskonzepts ist in der Stadt in den vergangenen zehn Jahren viel hochwertiger Wohn- und Gewerberaum entstanden. Brachliegende Industrieflächen wurden umgenutzt.» Das und die Förderung eines Lifescience-Zentrums mit vielen Arbeitsplätzen habe dafür gesorgt, dass die Stadt Schlieren ihr früher eher negatives Image habe ablegen können, sagt Weinert. Dasselbe lasse sich auch Spreitenbach realisieren.
Dass man dort glücklich werden kann, das weiss der Spreitenbacher Gemeindepräsident Markus Mötteli (Mitte) aus eigener Erfahrung. «Für uns Spreitenbacher ist das keine neue Erkenntnis. Es freut mich aber, dass mit diesem Ranking diese Vorzüge nun auch Aussenstehenden vermittelt werden.» Dass die Gemeinde mit etwas Positivem in den Schlagzeilen steht, sieht Mötteli gerne. So lassen sich die 445 Wohnungen in der Mega-Überbauung Tivoli Garten gleich neben dem Shoppi Tivoli und der Limmattalbahnhaltestelle sicherlich noch besser vermarkten. Bezugsfertig sind die 1,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen im Frühling 2025. Es wird sich zeigen, wer sein Glück in Spreitenbach sucht.