«Spreitenbach verträgt das Wachstum»

Dank der Überbauung Tivoli Garten erwartet die Gemeinde 2025 einen Bevölkerungszuwachs von rund 1000 Personen. Was das für Spreitenbach bedeutet und was sich der Gemeindepräsident erhofft. Und so sieht es in Killwangen aus.

Spreitenbach wird im Frühling 2025 immens grösser, was die Bevölkerungszahl anbelangt. Die 445 Mietwohnungen der Überbauung Tivoli Garten gleich neben dem Einkaufszentrum Shoppi Tivoli werden dann bezugsbereit sein. Die Gemeinde rechnet mit 800 bis 1000 Zuzügerinnen und Zuzügern, wie Gemeindepräsident Markus Mötteli (Mitte) verrät. Derzeit leben rund 12500 Personen in Spreitenbach. 2023 kamen 167 hinzu. 2025 werden es dank «Tivoli Garten» sechsmal so viele sein. Ein stattlicher Bevölkerungszuwachs von rund 8 Prozent.

«Es ist das bisher grösste Bauvorhaben für Spreitenbach. Noch nie wurden so viele Wohnungen auf einmal fertig», sagt Gemeindepräsident Mötteli. Und dennoch sei eine Überbauung in dieser Dimension kein Novum für das Dorf. Mötteli verweist auf das Langäcker-Quartier, das in den 1960er- und 1970er-Jahren entstand und zu einem der grössten zusammenhängenden Hochhausquartiere der Schweiz wurde. «In dieser Zeit ist Spreitenbach von 2500 auf rund 8000 Einwohner angewachsen.» Das Wachstum verteilte sich jedoch auf zehn Jahre und nicht wie beim aktuellen Projekt auf ein Jahr.

Mehr als 10 Jahre Vorbereitungszeit

Nichtsdestotrotz findet Mötteli, dass Spreitenbach für die vielen neuen Einwohnerinnen und Einwohner gewappnet ist. «Der Zuwachs ist keine Überraschung für uns. ‹Tivoli Garten› hat eine über 10-jährige Geschichte mit Einsprachen und langen Verzögerungen. Wir konnten uns darauf einstellen.»

Damit meint der Gemeindepräsident vor allem die Infrastruktur. «Letztes Jahr haben wir das neue Gemeindehaus bezogen, vor kurzem wurde der Kredit für ein neues Oberstufenschulhaus, das aus dem alten Gemeindehaus entstehen soll, an der Gemeindeversammlung bewilligt. Zudem beherbergt ‹Tivoli Garten› zwei Kindergärten.» Mötteli ist sicher: «Wir können mit dem Wachstum Schritt halten.» Doch er weiss auch: «Es sind grosse Investitionen und es werden weitere Investitionen auf uns zukommen.»

Der Zuwachs hat aber auch Vorteile. «Spreitenbach erhält zusätzliche Steuerzahler», sagt Mötteli. Seine Vermutung: «Die neue Überbauung ist sehr urban und liegt direkt an der Limmattalbahn. Das wird Menschen anziehen, welche die Nähe zu Zürich schätzen und wohl auch dort arbeiten und dementsprechend gut verdienen.»

Er hofft, dass aufgrund der Limmattalbahn-Haltestelle und den Einkaufsmöglichkeiten vor der Haustüre viele Personen zuziehen, die vornehmlich ÖV-Nutzende sind. Ein anderes Szenario wäre weniger gut. «Wenn nur schon 500 ‹Tivoli Garten›-Bewohner mit dem Auto zur Arbeit gehen, bedeutet das 1000 Fahrten mehr pro Tag», sagt Mötteli. Er gibt zu: «Dieses zusätzliche Verkehrsaufkommen wäre nicht ideal. Es ist nämlich nicht geplant, die Strassen auszubauen.»

15000 Einwohner bis 2040

Auch wenn die Erwartungen an «Tivoli Garten» vornehmlich hoffnungsvoll sind, wird auch Kritik laut. «In Spreitenbach gibt es wie an allen Orten Wachstumsskeptiker, welche dieser Entwicklung eher ängstlich und ablehnend gegenüberstehen», so Mötteli. Laut neuer Bau- und Nutzungsordnung wird die Bevölkerung in den kommenden 15 Jahren auf 15000 Einwohner anwachsen. «Das ist in der Mehrheit der Köpfe drin. Was darüber hinausgeht, kommt jedoch häufig nicht gut an.» Aus diesem Grund sei auch das Zentrum Neumatt mit den geplanten 100 Meter hohen Hochhäusern 2020 an der Gemeindeversammlung mehrheitlich abgelehnt worden. «Damals war ‹Tivoli Garten› bereits aufgegleist. Die Stimmbürger goutierten kein weiteres Mammut-Projekt, bevor das erste nicht fertiggestellt ist», sagt Mötteli.

Dass dieses Projekt oder weitere grosse Bauvorhaben wieder zur Debatte stehen werden, ist abzusehen. Mötteli sieht es pragmatisch. «Die Schweizer Bevölkerung wächst und jeder muss seinen Beitrag leisten, um das Wachstum zu bewältigen.» Spreitenbach habe die Chance und die Verpflichtung, mitzuhelfen, diese Probleme zu lösen. «Wir gehören zur Agglomeration Zürich und bilden gemäss kantonalem Richtplan einen Entwicklungsschwerpunkt. Spreitenbach hat eine gewisse Grösse und verträgt das Wachstum. Es macht Sinn, dass man zuerst bei uns Wohnraum schafft, bevor man ländliche Gemeinden überbaut.»

«Mühli-Hof» sorgte für Bevölkerungsboom

Was Spreitenbach bevorsteht, hat man in der benachbarten Gemeinde Killwangen bereits hinter sich gebracht. Sie verzeichnete 2023 einen Zuwachs von 8,5 Prozent und zählt seit Ende des vergangenen Jahres 2271 Personen. Den Einwohnersegen zu verdanken hat die Gemeinde laut Gemeindeammann Markus Schmid (Mitte) hauptsächlich der neuen Überbauung Mühli-Hof. Die 89 Mietwohnungen am Ortseingang wurden im Herbst 2023 bezogen.

«Der Investor hat bewusst kleine Einheiten, also vornehmlich 2,5- und 3,5-Zimmer-Wohnungen und nur eine Handvoll 4,5-Zimmer-Wohnungen, gebaut», sagt Schmid. Davon profitiere die Gemeinde nun. Denn: «Es sind viele Alleinstehende und nur wenige Familien eingezogen. Das gibt uns den Vorteil, keine schulischen Infrastrukturmassnahmen ergreifen zu müssen. Wir gewinnen Steuereinnahmen und müssen nicht zu viel Geld investieren.»

Auch in Killwangen gebe es Vorbehalte gegenüber dem Wachstum, so Schmid. «Das ist verständlich, schliesslich ist es mit Kosten verbunden.» Am Ende könne der Gemeinderat als Behörde dieses jedoch schwer aufhalten, da es sich immer um private Grundstücke und Investoren handle. Der Wachstumstrend zeige sich im ganzen Limmattal. «Überall wird gebaut. Das Limmattal ist beliebt. Die Überbauungen werden nicht leer stehen. Es gibt genug Nachfrage.»

Viele weitere Projekte am Start

Und so geht es in Killwangen auch in den nächsten Jahren munter weiter mit der Bautätigkeit und damit auch mit dem Wachstum. Gleich im Anschluss an die Überbauung Mühli-Hof sind auf dem Areal beim Restaurants Schwyzerhüsli drei Mehrfamilienhäuser mit 87 Wohnungen geplant. An der Bahnhofstrasse Richtung Spreitenbach entstehen aktuell drei Mehrfamilienhäuser mit 37 Eigentumswohnungen sowie ein weiteres grösseres Mehrfamilienhaus. Ein weiteres Projekt ist die Wohnüberbauung Sennenberg beim Friedhof. Dort ist der Bau von 14 Reiheneinfamilienhäusern vorgesehen. «In den nächsten zehn bis zwölf Jahren rechnen wir aufgrund dieser und weiterer Projekte mit einem gestaffelten Bevölkerungszuwachs von rund 800 Personen», sagt Schmid.

Killwangen wird somit in den kommenden Jahren die 3000-Einwohner-Marke knacken. Gemäss der im April veröffentlichten Immobilienstrategie des Gemeinderates könne das Dorf diesen Zuwachs mit dem vorhandenen Raum- und Flächenangebot abdecken, so der Gemeindeammann. «Wir sind ziemlich sicher nicht gezwungen, ein neues Schulhaus und einen Kindergarten zu bauen. Nichtsdestotrotz stehen Investitionen in den Gemeindeliegenschaften an. Sie müssen altersbedingt saniert werden.» Schmid findet: «Das Wachstum ist verträglich. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen und bereit sein, in der rollenden Planung, wenn nötig, Massnahmen zu ergreifen.»

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