Abstimmung: Umfassende Sanierung oder lieber Schulden abbauen?
Am 20. März stimmen die Würenloserinnen und Würenloser über den Zusatzkredit zum Umbau des Gemeindehauses ab. Im Pro-und-Kontra-Interview erläutern Gemeindeammann Anton Möckel (parteilos) und SVP-Ortspartei-Präsident Thomas Zollinger ihre Gründe dafür und dagegen.
Das von Architekt Ernst Giesel entworfene Gemeindehaus ist 1957 erbaut worden und hat eine schützenswertes Bausubstanz. 1989 wurde ein Ausbau und 1990 ein Umbau vorgenommen.
Nachdem klar war, dass die Räumlichkeiten der Technischen Betriebe Würenlos (TBW) im Frühjahr 2020 in den Werkhof-Neubau ins Tägerhard verlegt werden, wurde im 2017 eine Machbarkeitsstudie erstellt. Darin ist aufgezeigt worden, wo in der Gemeinde Platzbedarf besteht. Das Ergebnis zeigte im Juli 2018 auf, dass die Bauverwaltung und die Gemeindekanzlei mit ihren Abteilungen Einwohnerdienste und Jugend- und Familienberatung mehr Platz braucht. Um diesen Umbau inklusive der notwendigen Dachsanierung tätigen zu können, legte der Gemeinderat dem Stimmvolk an der Gemeindeversammlung im Dezember 2019 einen Kreditantrag von 1,9 Mio. Franken vor. Mit grossem Mehr bewilligte es den Kredit.
Die Dachsanierung inklusive Raumerweiterung im Ostteil wurde im Jahr 2020 umgesetzt. Die Sanierung im Westteil hätte im Jahr 2021 erfolgen sollen. Auf Empfehlung der Baukommission stoppte der Gemeinderat die Planungen und liess ein Gesamtumbauprojekt für den Westteil erarbeiten. Dessen Umsetzung würde zu Mehrkosten von 870000 Franken führen. Dieser Zusatzkredit wurde an der Gemeindeversammlung im Dezember 2021 dank dem Stichentscheid des Gemeindeammanns gutgeheissen. Die SVP ergriff das Referendum gegen diesen Zusatzkredit. Mit 594 gültigen Stimmen kam es erfolgreich zustande. Deshalb stimmt der Souverän am 20. März auch noch an der Urne über den Kredit ab.
Was erhält die Bevölkerung zusätzlich zum ursprünglich geplanten Umbau, wenn sie dem Zusatzkredit von 870000 Franken für den Westteil des Gemeindehauses an der Urne zustimmt? Anton Möckel, Gemeindeammann: Zusätzlich zu den bereits im bewilligten Kredit vorgesehenen Neuerungen für den Einwohnerdienst und die Jugend- und Familienberatung würde es ein zusätzliches Sitzungszimmer geben. Zudem ist vorgesehen, im heutigen Pausenraum Büros einzubauen und mit Mobiliar auszustatten. Als Ersatz würde im Untergeschoss ein Gemeinschaftsraum mit einer Küche realisiert. Weiter sind ein Archiv geplant sowie Duschen, WC und Ruheraum und ein Hauswartungsraum. Im Aussenbereich soll ein Aussenpausenraum mit einem Sichtschutz entstehen. Auch eine energetische Sanierung sowie Anpassungen in der Haustechnik, der Beleuchtung, dem Elektro und die Wärmedämmung der Fenster sind im Kredit enthalten. Die Erdbebensicherheit würde in dieser Bauetappe ebenfalls verbessert und dadurch den aktuellen Vorschriften gerecht.
Anders als bei der Gemeindeversammlung im Dezember 2019, wo nur etwa 10 Prozent gegen den ersten Kredit waren, wurde der Zusatzkredit im Dezember 2021 nur dank Ihrem Stichentscheid mit 68 zu 67 Stimmen bewilligt. Hat Ihnen das knappe Resultat nicht zu denken gegeben? Möckel: Doch, grundsätzlich schon. Wir sind davon ausgegangen, dass die Bevölkerung dem Antrag folgen kann. Doch das war nicht so, der Antrag war zu komplex. Zudem ist jeder in der Bevölkerung ein kleiner Spezialist, was Umbauten betrifft. Die 8 Millionen Franken für die Strassen- und Kanalisationsprojekte hingegen gingen sorglos durch. Das ist frustrierend.
Thomas Zollinger, Präsident SVP-Ortspartei und Finanzkommission: Die beiden Kredite sind zweierlei: Bei den Strassen handelt es sich um die Instandhaltung und beim Gemeindehaus um den Ausbau der Infrastruktur, was wiederum neue Abschreibungen generiert und uns finanziell zur Last fallen würde.
Sie haben sowohl als Fiko- als auch als SVP-Präsident gesagt, dass dieser Ausbau nicht notwendig ist. Wieso? Zollinger: Die bestehenden Arbeitsplätze sind modern, zweckmässig und hätten auch Ausbaupotenzial, sofern es dann überhaupt einmal einen Ausbau braucht. Die Gemeinde ist langsam fertig entwickelt und der Bevölkerungszuwachs absehbar. Als Zielgrösse sind 7000 bis 7300 Einwohner angedacht. Der Personalbestand muss auch nicht eins zu eins mit dem Bevölkerungswachstum steigen. Ich finde, dass der jetzige Platzbedarf ausreicht.
Möckel: Die Personalentwicklung kann nicht nur über die Bevölkerungszahl berechnet werden. Die Gemeinden erhalten immer mehr Aufgaben von Bund und Kanton. Ein Beispiel ist der Sozialbereich: Wir mussten vor sieben Jahren Asylbewerber aufnehmen und sind jetzt als Gemeinde für sie verantwortlich. Ich habe auch Respekt vor den Auswirkungen der Arbeitslosigkeit aufgrund der Coronasituation. Die ersten Einwohner, die während der Pandemie ihren Job verloren haben, sind ab März ausgesteuert. Um diese Einwohner zu betreuen und zu beraten, brauchen wir unter Umständen dann mehr Personal, was wiederum einen Bedarf an Räumlichkeiten nach sich zieht.
Dieser Raum- und Personalbedarf wäre ja aber hoffentlich nur vorübergehend nötig. Möckel: Natürlich, doch wir haben keine Reserve-Arbeitsplätze für das vorübergehend angestellte Personal. Das haben wir schon während der Pandemie gemerkt, wo wir aufgrund der Abstands- und Personenbegrenzung zu wenig Räume hatten. Selbst mein Gemeindeammannzimmer wird vom Personal gebraucht. Schlecht war auch, dass wir keinen Aussenpausenraum hatten. Das Bedürfnis, rauszugehen, wird immer grösser.
Zollinger: Ich finde es nicht notwendig, einen Pausenraum anzubieten, der so gross ist, dass die ganze Verwaltung zeitgleich Pausen machen kann. Und es ist nicht so, dass die Gemeinde bezüglich Räumlichkeiten stillstand. Durch die räumliche Verlegung der Technischen Betriebe in den Werkhof gab es zusätzlich Platz. Zudem wurde die Garage grosszügig für zusätzliche Büroräumlichkeiten umgenutzt. Gegen den Unterhalt der Infrastruktur ist niemand. Es geht um die zusätzlichen Wünsche wie Büros auf Vorrat, Sitzungszimmer oder Ruheraum, die weit über die Notwendigkeit hinausgehen.
Möckel: Während der Umsetzung der ersten Etappe merkten wir, dass wir die zweite Etappe zu wenig genau durchleuchtet haben. Da ist der Gemeinderat in der Verantwortung. Wir hätten das sehen müssen. Jetzt sind wir uns bewusst, es wird noch Bedarf kommen. Man könnte es auch später machen, aber wir gehen davon aus, dass der Aufwand dann grösser sein wird. Ich wollte deswegen aber nicht den Kredit überschreiten, deshalb haben wir diesen Zusatzkredit beantragt.
Warum hat die Fiko nicht in der eigens fürs Projekt einberufenen Baukommission Einsitz genommen, um sich dort einzubringen? Zollinger: Ich finde es einen guten Zug, dass der Gemeinderat uns die Möglichkeit gab, dort dabei zu sein. Die Frage ist jedoch, ob es das richtige Gremium ist. Die Finanzkommission ist nicht der richtige Partner, um sich in dieser Tiefe mit dieser Materie auseinanderzusetzen. Uns geht es nicht primär um einzelne Projekte, sondern um die gesamten Finanzen. Dazu gehören auch die Erfolgsrechnung, die Bilanz, die Nettoverschuldung. Schlussendlich ist es eine Interessenabwägung, ob etwas in dieser Extension notwendig ist. Wir finden nein. Es gibt Bedürfnisse, viele davon sind berechtigt. Doch was ist für die Allgemeinheit am wichtigsten?
Möckel: Da gebe ich dir recht. Es werden viele Bedürfnisse an uns herangetragen. Die Wahrnehmung, was wichtig ist, unterscheidet sich.
Zollinger: Was mich stört, ist diese egoistische Haltung: Was für den Einzelnen persönlich am wichtigsten ist, wird ins Zentrum gestellt und steht für ihn über allem anderen. Der Blick aufs andere ist völlig egal. So laufen wir Gefahr, dass gewisse wichtige Sachen zurückgestellt oder gar nicht realisiert werden.
Möckel: Bisher mussten wir nichts Wichtiges, nichts, was dringend gewesen wäre, zurückstellen. Diesbezüglich haben wir in Würenlos ein Luxusproblem.
Zollinger: Wir haben ein Steuersubstrat (natürliche Personen), das 500 Franken über dem Kantonsmittel liegt, und einen Steuerfuss, der meines Erachtens zwischen 5 und 10 Prozent zu hoch liegt. Das ist der Disziplin nicht unbedingt zuträglich.
Möckel: Ja, da gebe ich dir recht, die Handschellen sind noch zu wenig eng. Das hilft der Ausgabedisziplin nicht.
Zollinger: Wieso brauchen wir jedes Jahr 1,7 Millionen Ertragsüberschuss? Es ist schön, wenn es das zwischendurch mal gibt, aber auf Dauer – und es ist der Durchschnitt der letzten 10 Jahre.
Möckel: Andererseits haben wir auch extrem viel mehr Vermögen; wir haben 17 Millionen Franken mehr eingenommen.
Zollinger: Das ist unveräusserbares Eigenkapital! Das Schulhaus kannst du nicht auf den Markt bringen.
Möckel: Ja, aber das Geld ist nicht einfach weg, wir haben investiert.
Zollinger: Ja, klar. Es wurde nicht vergeudet. Aber ich glaube, wir haben einen deutlich zu hohen Ertragsüberschuss. Das motiviert nicht dazu, die Ausgaben zu disziplinieren.
Würden Sie gerne die Steuern senken, damit der Spardruck steigt und Begehrlichkeiten gar nicht erst entstehen, weil man weiss, dass kein Geld da ist? Zollinger: Ja, doch bevor wir die Steuern senken, sollten wir die Schulden tilgen. Schulden sind nichts Angenehmes und nur dann richtig, wenn es etwas zu stemmen gilt, das man aus der Jahresrechnung nicht zahlen kann. Anschliessend sollen sie wieder abgebaut werden.
Wenn es Ihnen ums Sparen geht: Es kostet ja auch Geld, getätigte Planungen auf Eis zu legen und neu zu planen. Zollinger: Die Pläne sind da, nach der ersten sollte jetzt auch die geplante zweite Etappe fertiggestellt werden. Wenn wir dann irgendwann noch ein zusätzliches Sitzungszimmer brauchen, dann macht man es dann halt später separat. Das bestehende würde den Platz bieten.
Was wären denn die Auswirkungen, wenn das Volk den Zusatzkredit an der Urne ablehnt? Wird die zweite Etappe dann so umgesetzt, wie sie ursprünglich vorgesehen und im Kredit von 1,9 Millionen Franken enthalten ist? Möckel: Ja. Es hätte einfach den finanziell positiven Effekt, dass der im Budget bereits vorgesehene Betrag von 870000 Franken dafür nicht ausgegeben wird. Der Betrag könnte dann für den Schuldenabbau benötigt werden.
Apropos Ausgaben: Es wäre günstiger gewesen, nicht separat über den Kredit abstimmen zu lassen, sondern sie mit dem nationalen Mai-Urnengang zusammenzulegen. Warum wird eine separate Abstimmung durchgeführt? Möckel: Wir möchten möglichst rasch Planungssicherheit, damit sich das Personal intern organisieren kann.
Begrüssen Sie das, Herr Zollinger? Zollinger: Nein, ich habe gestaunt und aus Kostenoptimierungsgründen hätte ich das ins gleiche Couvert gelegt.
Nennen Sie beide nochmals ihr Argument für und gegen den Kredit. Möckel: Ich finde, man sollte es jetzt durchziehen, dann hat man ein neues Gemeindehaus, ein neues Dach, neue Fenster und Isolation und keine energetische Verschwendung mehr. Wir könnten die Sanierung abschliessen für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre. Das treibt mich an, mich für diesen Kredit einzusetzen.
Zollinger: Wenn wir alles in Perfektion abschliessen wollen, kommen wir nie aus den Schulden raus. Man muss einen pragmatischen Weg gehen. Den Energieverlust erachte ich als Laie als vernachlässigbar, er steht nicht im Verhältnis zu den Ausgaben. Ich wünschte mir, dass mit dieser Abstimmung ein klares Signal zur Haushaltsdisziplin gemacht wird und Würenlos auf dem Weg, die Nettoverschuldung und irgendwann auch die Steuern zu senken, weitergeht.
Volksabstimmung am 20. März