David Archer: «Ich lebe gerade meinen Traum»

Sein zweites ­Ausbildungs- jahr bei der Regionalpolizei Wettingen-Limmattal fiel mitten in die Wirren im Korps. Warum der junge Polizist David Archer zwischen die Fronten geriet und weshalb er in Uniform Fussball spielt.

Trotz schwierigem Start: David Archer blieb der Repol treu. Dies auch wegen seines guten Verhältnisses zum Kommandanten Oliver Bär. Dlovan Shaheri

Das Wort «turbulent» fasst das zweite Ausbildungsjahr 2023 von David Archer bei der Regionalpolizei Wet­tingen-Limmattal (Repol) am treffendsten zusammen. Der 28-Jährige aus Spreitenbach war der erste Schützling nach langer Zeit. 2009 wurde letztmals ein Polizeiaspirant bei der Repol ausgebildet. Aktuell sind es fünf an der Zahl.

Ereignisreich machten sein Praktikum auf dem Polizeiposten in Wettingen jedoch nicht nur die Polizeifälle, sondern vor allem die zeitgleichen Unruhen im Korps und die Hetze einiger Kaderpolizisten gegen den Kommandanten Oliver Bär. Sie forderten dessen Absetzung und drohten mit Kündigungen, falls dieser bleibt, wie das «Badener Tagblatt» letztes Jahr berichtete.

«Es wurde herumerzählt, wie schlecht Oliver Bär ist. Das war das Erste, was ich über meinen Chef hörte, bevor ich ihn richtig kennen lernte», erinnert sich Archer. Doch er wollte sich selbst eine Meinung bilden. Einige unzufriedene Polizisten fühlten sich dadurch irritiert. «Weil ich den Kommandanten nicht mobben wollte, kam es zum Streit zwischen mir und einigen Kaderleuten und Polizisten», erzählt Archer. Es ging so weit, dass ihm eine Straftat vorgeworfen wurde, die er nicht begangen hatte. «Mein Chef war skeptisch gegenüber diesen Anschuldigungen und stellte sich hinter mich», sagt Archer. Und so habe er bald gemerkt, wem er trauen könne und wem nicht.

Die positiven Erfahrungen mit Oliver Bär halten bis heute an. «Ich habe mich von Anfang an als gleichwertiges Mitglied gefühlt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Korps gibt, die Aspiranten und junge Polizisten so stark miteinbeziehen», sagt Archer. Dem kürzlich vereidigten Polizisten ist es wichtig, das Geschehene nicht unkommentiert zu lassen, zumal seinem Chef Unrecht widerfahren sei.

Kommandant Oliver Bär freut sich über den Eifer und die Motivation seines neuesten Korpsmitglieds. «Jeder und jede kann selbst beeinflussen, wie stark er oder sie sich entwickeln will», sagt Bär. Nachwuchsförderung ist dem 48-Jährigen angesichts des Personalmangels bei der Polizei ein wichtiges Anliegen. «Wir können nicht überall Polizistinnen und Polizisten zusammenkaufen.» Zudem sei es unmöglich, mit den Löhnen im Kanton Zürich mitzuhalten. «Wir müssen Leute wie Pflanzen aufziehen und im Korps integrieren. So schaffen wir einen Teamgeist. Dieser sorgt für gute Stimmung», sagt Bär.

Der Streit vertrieb gute Polizistinnen und Polizisten

Genau das, was in den vergangenen Jahren im Korps der Repol fehlte und zur Krise führte. Mittlerweile seien die «giftigen Leute», wie sie David Archer nennt, weg. Schade sei aber, dass die Streitigkeiten auch viele gute Kolleginnen und Kollegen vertrieben hätten. «Sie haben die Situation nicht mehr ausgehalten», sagt Archer.

Die schwierigen Zeiten seien nun überstanden. «Wir haben uns erholt und den Taucher überwunden», findet Archer. Und Oliver Bär fügt an: «Es ist Ruhe eingekehrt. Das Team harmoniert wieder, die Leute kommen gerne zur Arbeit.»

Auf die damaligen Geschehnisse will der Kommandant nicht weiter eingehen. Der Wettinger Gemeinderat habe in der Antwort auf eine Interpellation von FDP-Fraktionspräsidentin Judith Gähler im November alles Nötige dazu gesagt. Darin stärkte die Exekutive Bär den Rücken und warf ehemaligen Kaderpolizisten vor, bewusst falsche Informationen verbreitet und schlechte Stimmung gemacht zu haben.

Das Verhalten früherer Kadermitglieder und einiger Polizisten war für Archer enttäuschend. «Ich habe hohe Ansprüche an die Moral und das Berufsethos von Schweizer Polizistinnen und Polizisten.» Daher seien ihm schon Zweifel gekommen, ob er bei der Repol am richtigen Ort sei. Sein gutes Verhältnis zu Oliver Bär habe ihn jedoch davon abgehalten, die Repol zu verlassen.

Doch wieso zog es Archer zur Repol Wettingen-Limmattal? «Sie ist in einem urbanen Gebiet mit vielen Einwohnerinnen und Einwohnern tätig. Das hat mich gereizt.» Doch auch die Nähe zu seinem Wohnort Spreitenbach spielte eine Rolle. Die Liebe führte den gebürtigen Stadtberner vor sechs Jahren dorthin.

«Ich durfte sicher aufwachsen und musste in der Schule nie Angst haben, abgestochen oder auf dem Heimweg ausgeraubt oder entführt zu werden.» Die hohen Sicherheitsstandards der Schweiz wolle er verteidigen. Deshalb war es für Archer schon früh klar, dass er eine Tätigkeit im Sicherheitsbereich ausüben will. Nach einer Lehre zum Strassenbauer bildete er sich zum Grenzwächter aus.

Parkbussen verteilen gehört nicht zu seiner Lieblingsbeschäftigung

Als frisch ausgebildeter Polizist kann er nun sagen: «Der Beruf mit all seinen Facetten ist das, was ich immer wollte.» Klar gebe es auch Dinge, die ihm weniger Spass machen würden. «Parkbussen verteilen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, doch auch das muss getan werden», findet Archer.

Angst um sein Leben habe er noch nie gehabt. «Doch Nachrichten wie die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim Anfang Juni machen mich natürlich schon nachdenklich», sagt Archer. Abgeschreckt wird er von solchen Vorfällen nicht. «Aber es schärft meine Sinne, zeigt mir, wie gefährlich der Beruf sein kann und wie wichtig regelmässige Weiterbildungen sind.»

Ein gutes Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern trage dazu bei, dass Begegnungen konfliktfrei verlaufen, so Archer. Sein Ziel ist, als Polizist greifbar zu werden und einen respektvollen Umgang mit den Menschen zu pflegen.

«Dazu gehört für mich auch, dass man zum Beispiel bei einer Patrouille mit Jugendlichen eine Runde Fussball oder Basketball spielt.» Das hat Archer auch schon einige Male gemacht. Und wenn ein Kind ein Foto mit ihm oder im Polizeiauto schiessen will, dann hat er ebenfalls nichts dagegen.

«Es geht darum, das Eis zu brechen. Ich will zeigen, dass es auch Polizisten gibt, die ‹geili Sieche› sind.» Auch das sei Bestandteil der lokalen Sicherheit, sagt Archer. «So sind Leute eher bereit, auf uns zuzukommen und zum Beispiel an einem Tatort Aussagen zu machen.»

Er sieht die Zusammenarbeit mit der Kapo als Vorteil

Ihm gefällt, dass er mit der Kantonspolizei (Kapo) zusammenarbeiten kann. Diese ist Anfang Jahr aufgrund von Lücken im Personalbestand im Polizeiposten in Wettingen eingezogen und unterstützt das Korps mit zwölf Mitarbeitenden.

«Die gemeinsamen Patrouillen bedeuten für mich eine Kompetenzerweiterung. Wir müssen die Fälle nicht mehr an die Kapo abgeben, sondern können sie von A bis Z selbst bearbeiten», sagt Archer.

Für ihn persönlich, aber auch für die Bevölkerung sei das ein Vorteil. Die Schnittstellen würden wegfallen, es gebe nur noch eine Ansprechperson. Archer macht ein Beispiel: «Die Repol ist bei einem Verkehrsunfall als Erste vor Ort und übernimmt etwa das Fotografieren der Sachlage, betreut Verletzte und regelt den Verkehr.» Für alles Weitere sei dann die Kapo verantwortlich. «Da diese jedoch teilweise mit anderen Fällen besetzt ist, müssen Betroffene oft bis zu einer Stunde warten.» Das aus der Not entstandene System in Wettingen erlaube der Polizei einen professionelleren Auftritt, findet er.

Längerfristig sieht sich der Spreitenbacher aber bei der Kapo. «Ich habe dort viel mehr Möglichkeiten, kann mich in Abteilungen wie etwa der Fahndung weiterentwickeln.» Doch bis dahin will sich Archer in den Dienst der Repol stellen. Er sagt: «Ich lebe gerade meinen Traum und habe es nicht eilig, zu wechseln.»

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