Er hat das Bild von Wettingen mitgeprägt

Nach 36 Jahren ist Schluss: André Crelier beendet seine Karriere bei der Hächler AG. Langweilig wird es ihm aber auch nach der Pensionierung nicht.

«Ich würde es heute nicht anders machen», sagt André Crelier am zweiten Tag nach seiner Pensionierung und zeigt den neugestalteten Innenbereich des Tägipark. «Unsere Arbeit ist sichtbar, Bauen ist meine Leidenschaft.»

Nach 36 Jahren bei der Hächler-Gruppe, zuletzt als Gruppenleitungsmitglied und Verantwortlicher für den Baubereich, trifft ihn die Redaktion einen Tag nach der Pensionierung im Café des Einkaufszentrums. In der Nähe seines ehemaligen Arbeitgebers, aber bewusst nicht dort. «Ich habe alles abgegeben, es ist für die Nachfolger nicht gut, wenn der alte Chef immer noch da ist.» Der Ort passt trotzdem. Noch vor einem Jahr haben seine ehemaligen Mitarbeiter bei der mehrmonatigen Gebäudemodernisierung des Einkaufszentrums mitgeholfen. «Es war keine einfache Baustelle, weil Kundschaft ein- und ausging und auch ihre Sicherheit jederzeit gewährleistet sein musste.»

Vom Tiefbauzeichner und Maurer

 

bis in die Leitung

Die Leidenschaft am Bauen war der Grund, nach der Tiefbauzeichnerlehre nicht Ingenieur zu werden, sondern eine verkürzte Maurerlehre anzuhängen und die Schweizerische Bauschule zu besuchen. Als Bauführer trat er am 1. April 1988 schliesslich in die Hächler AG ein, die damals rund 80 Angestellte hatte; heute sind es rund fünfmal mehr. Mit 33 Jahren – als eidgenössisch diplomierter Baumeister – übernahm André Crelier bereits die Verantwortung für die Abteilung Hoch- und Tiefbau.

In dieser Zeit hat das Bauunternehmen nicht nur unzählige Mehrfamilienhäuser in Wettingen und Umgebung gebaut, sondern auch bei öffentlichen Gebäuden und grossen Firmenliegenschaften wie der Garage Küng, Citygarage, Verzinkerei Huser sowie Wesco oder Hug Baustoffe AG mitgewirkt. «Das grösste Projekt war die Erweiterung des Badener Bahnhofs», sagt Crelier. Busrampe, Metroshop, Personenunterführung, Langhaus und der Bahnhofplatz Ost – bei all diesen Bauten war Crelier Verantwortlicher für die Ausführung der Baumeisterarbeiten.

«Bei der SBB-Unterführung wurde ein sehr aufwendiger Sichtbeton gewünscht, wir haben mit dem Bauleiter über jeden kleinen Fleck diskutiert. Als er dann endlich zufrieden war, strich die SBB die ganze Wand, weil sie so einfacher von Sprayereien gereinigt werden kann – ein Riesenfrust für uns», sagt Crelier, der mittlerweile darüber schmunzeln kann. Auf die Frage, an welche Baustelle er sich besonders gern zurückerinnert, muss er nicht lange nachdenken: die Erstellung des Casinoparkhauses, sein erstes grosses Projekt. «Das war im Jahr 1990. Es war technisch anspruchsvoll, ich habe sehr viel gelernt. Und einfach, dass es klar ist: Ich bin nicht schuld, dass die Parkplätze so eng sind», sagt er lachend. Das sei damals so gewünscht und ganz normal gewesen. «Die Autos waren vor über dreissig Jahren noch viel kleiner.» Doch heute werde er immer wieder auf die engen Parkfelder angesprochen.

Abschied von der «Familie»

Ende September liess sich André Crelier frühzeitig pensionieren. «Der Zeitpunkt ist für mich ideal, weil vor allem im digitalen Bereich weitere Veränderungen anstehen», begründet der 63-Jährige. Papierlose Baustellen, Vermessungsgeräte, die auf Online-Pläne zurückgreifen, sind heute auf der Baustelle normal. 3D-Drucker werden getestet, insbesondere für ungewöhnliche Formen. «Ich glaube zwar nicht, dass es so schnell geht, wie manche prophezeien. Und Handwerker wird es sowieso immer brauchen, auch wenn sich die Hilfsmittel verändert haben.» Diese Themen sollen jedoch von den Leuten weiterbearbeitet werden, die es dann auch umsetzen müssen, findet er.

Trotz diesen bewussten Entscheidung fiel ihm der Abschied nicht leicht. «Nach 36 Jahren in der gleichen ‹Familie› bist du plötzlich nicht mehr dabei.» Geholfen hat ihm der Abschied in Raten – bereits im Mai hat er sein Pensum auf 60 Prozent reduziert. Crelier nimmt sein Handy und zeigt Fotos von seiner Abschiedsfeier, die das Geschäft als Überraschung am letzten Arbeitstag organisiert hatte. Darauf ist er an seinen ehemaligen Baustellen mit Weggefährten zu sehen. «Ich wusste nichts davon, plötzlich standen da ganz viele Leute. Das war wirklich schön.» Langweilig wird es ihm auch nach der Pensionierung nicht. Im Stiftungsrat der Arwo kümmert er sich um den geplanten Umbau vom Wohnheim zum Wohnhaus, er bleibt weiter als Verwaltungsrat des Regionalen Pflegeheims Baden AG tätig und auch als Präsident der Trägerstiftung der Bauschule. Sich für den Nachwuchs einzusetzen, war ihm immer wichtig. «Den Jungen Freude am Handwerk zu vermitteln, ist eine edle Sache.»

Nicht erst seit dem Fachkräftemangel, betont der 63-Jährige und fügt an, dass die Berufsleute in der Baubranche schon immer knapp gewesen seien. «Ohne Ausländer könnte die Arbeit im Bauwesen nicht gemacht werden.» Menschen aus 20 verschiedenen Nationen seien in der Hächler-Gruppe beschäftigt, «viele tolle Menschen».

Wird in der Baubranche versucht, vermehrt Frauen zu gewinnen? «In der Planung haben wir schon lange mehr Frauen. Bei anderen Tätigkeiten, beispielsweise als Maurer, wird es aufgrund der körperlichen Belastung wohl immer mehr Männer haben.» Um Nachwuchs zu gewinnen, setzt Hächler auf einen internen Talentpool, wo Junge gefördert werden. «Das Schöne am Schweizer Bildungssystem ist die Durchlässigkeit. Auch mit einer Lehre kann man Karriere machen», sagt Crelier und beweist es mit seiner eigenen Geschichte.

Das Leben nach

 

der Pensionierung

Mittlerweile ist es kurz vor Mittag. Crelier steht auf. Er hat sich zum Mittagessen mit einem ehemaligen Lieferanten verabredet, um sich von ihm zu verabschieden. Ein bisschen hat er sich schon an seinen neuen Alltag gewöhnt, der ihm ermöglicht, mit seiner Frau zusammen zu reisen und Golf zu spielen. «Eine längere Reise im Frühling ist bereits geplant», sagt er beim Abschied, bevor er nach dem Mittagessen von Wettingen Richtung Daheim in Nussbaumen fährt. Vorbei an vielen Gebäuden, an denen er mitgewirkt hat.

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