Landstrasse verliert drei Geschäfte

Das Modehaus Rykart, der Elektrofachmarkt Fust und die Walther Optik schliessen bald ihre Türen. Das sagt Gemeindeammann Roland Kuster zu den Veränderungen an Wettingens Hauptverkehrsachse.

Fabian Rykart führte das Modehaus Rykart in dritter Generation. Nun schliesst er nach 88 Jahren das Traditionsgeschäft. Severin Bigler/Archiv

Der orange Schriftzug Rykart auf dem mintfarbenen Gebäude erinnert an die geschäftigen Zeiten der Wettinger Landstrasse, als die Hauptverkehrsachse im Dorf noch eine Einkaufsmeile war. Doch nun sind auch die Stunden des Herrenmodegeschäfts an der Landstrasse 57 gezählt, wie das «Badener Tagblatt» berichtet. Inhaber Fabian Rykart hat seinen Mitarbeitenden – einem Verkäufer und einer Schneiderin – auf Ende Jahr gekündigt. Der 65-Jährige geht in den Ruhestand. 45 Jahre lang wirkte er im Familienunternehmen, das er seit 1999 in dritter Generation führt. «Leider haben wir keine geeignete Nachfolge gefunden. Deshalb endet nun die lange Tradition», sagt Fabian Rykart zur Zeitung.

Sein Grossvater legte den Grundstein 1936

88 Jahre lang prägte die Familie Rykart die Herrenmode in Wettingen. Den Grundstein dafür legte Fabian Rykarts Grossvater Ernst Rykart. 1936 eröffnete dieser das erste Geschäft an der Bahnhofstrasse 49. Das Kleiderhaus florierte und expandierte 1951 an die Landstrasse im Langenstein. Die dort eröffnete Filiale wurde von Ernst Rykarts Sohn Roland und dessen Frau Yolanda geleitet – Fabian Rykarts Eltern. 1964 bezogen sie den heutigen Standort an der Landstrasse 57. «Meine Eltern erlebten goldene Zeiten, schneiderten Uniformen für die Feuerwehr und Musikvereine. Teilweise beschäftigten sie bis zu zehn Angestellte», erzählt Fabian Rykart.

Doch die Zeiten wandelten sich. «Die Landstrasse ist immer unattraktiver geworden. Ein gutes Geschäft nach dem anderen musste schliessen, und der Angebotsmix ging verloren.» Die Eröffnung des Tägiparks habe die Einkaufsstrasse zusätzlich geschwächt. «Deshalb bereue ich den Entscheid, aufzuhören, nicht. Das Geschäft wurde von Jahr zu Jahr härter», sagt Rykart.

Er spürte ein verändertes Kaufverhalten

Zu schaffen machte ihm das veränderte Kaufverhalten. «Kleidergeschäfte in mittlerer Preisklasse sind nicht mehr gefragt. Entweder will man alles spottbillig und bestellt in China oder man kauft Luxusgüter in Boutiquen», findet Rykart. Der seit der Pandemie verstärkte Onlinehandel ging ebenfalls nicht spurlos am Modehaus vorbei. Dank seiner rund 2500 treuen Stammkunden, vornehmlich aus den Nachbargemeinden, habe er nach Corona trotzdem überleben können.

Auch wenn die lange Familientradition bald endet, freut sich Rykart auf den Ruhestand. «Für mich stimmt es, es gibt auch ein Leben danach», sagt der Wettinger, der jetzt mit seiner Rock-Coverband Mainstreet 57 durchstarten will.

Er wird noch bis spätestens Ende März im Laden stehen und die Kleider mit grosszügigen Rabatten unter die Leute bringen. Danach will er das Geschäftsgebäude, das seinen Eltern gehört, verkaufen.

 

Fust hat Filiale an derLandstrasse ausgeschrieben

Das Modehaus Rykart ist nicht das einzige Geschäft, das die Landstrasse verlassen wird. Auch der Elektrofachhändler Fust hat vor, nach rund 25 Jahren auszuziehen. Zurzeit sei die 441 Quadratmeter grosse Fläche der Filiale des Schweizer Unternehmens, das Teil der Coop-Gruppe ist, auf Immo-Portalen ausgeschrieben, wie das «Badener Tagblatt» schreibt. «Die Entscheidung, unser Geschäft an der Landstrasse zu schliessen, ist strategischer Natur», teilt die Medienstelle der Zeitung auf Anfrage mit. Man fokussiere künftig vollumfänglich auf die Verkaufsstelle im zu Fuss rund fünfzehn Minuten entfernten Einkaufszentrum Tägipark. Alle betroffenen Mitarbeitenden sollen in umliegenden Filialen eingesetzt werden, heisst es weiter. Wann genau die Filiale schliesst und wie viele Angestellte betroffen sind, könne aber noch nicht gesagt werden. Die Übernahme der Räumlichkeiten ist laut Inserat auf Oktober 2025 möglich.

Und damit nicht genug: Auch das Optikergeschäft Walther Optik an der Landstrasse 77 geht Ende März 2025 zu. Inhaber Markus Walther macht in einem Inserat in der Limmatwelle auf die Schliessung nach einem Vierteljahrhundert Geschäftstätigkeit aufmerksam. «Leider war trotz intensiver Suche kein würdiger Nachfolger, keine würdige Nachfolgerin zu finden», wird Walther zitiert. Ganz aufhören will der Augenoptiker jedoch nicht. «Meine Linsenkunden werden auch künftig von mir persönlich in der Augenpraxis von Dr. Kiener in Dättwil betreut», heisst es in der Anzeige.

Der Wettinger Gemeinderat bedauert die bevorstehenden Veränderungen an der Landstrasse, wie Gemeindeammann Roland Kuster (Mitte) auf Anfrage sagt.

Es kommt auf die Eigentümer an der Strasse an

Die Thematik rund um die schwindende Attraktivität der Landstrasse sei vom Gemeinderat bereits vor rund zehn Jahren mit einer Masterplanung in Angriff genommen worden. Mit der zusammen mit Bevölkerung und Gewerbe erarbeiteten Teiländerung der Nutzungsplanung Zone Landstrasse sei 2018 die Basis für ein lebendiges Gewerbe entlang einer städtischen Lebensader im «grossen Dorf» Wettingen mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen worden, so Kuster. Ebenfalls habe die Gemeinde mit den Liegenschaftsbesitzenden einen Impulsworkshop durchgeführt. Der Gemeindeammann betont jedoch: «Die Aufwertung der Landstrasse als Einkaufs- und Arbeitsort ist stark abhängig von den Entscheidungen der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer der Liegenschaften entlang dieser Strasse.»

Auf die Frage, warum die Gemeinde mit dem Ja zum Bau des Tägiparks die Schwächung der Landstrasse als Einkaufsstandort in Kauf genommen habe, sagt der Ammann: «Die Bewilligung für den Tägipark wurde lange vor der Einsitznahme der heutigen Gemeinderatsmitglieder vom damaligen Gemeinderat erteilt. Welche Überlegungen und Annahmen damals getroffen wurden, entzieht sich unserer Kenntnis.»

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