Wein und Bier statt Hose und Shirt
Geschäftswechsel an der Landstrasse 81 a: Wo bis vor kurzem Kleider angeboten wurden, gibt’s jetzt Wettinger Weine. Nicht alle grossen lokalen Weinproduzenten sind darin mit ihren Produkten vertreten.
«Der Wunsch der Weinbauern, ihre Produkte miteinander in Wettingen präsentieren und verkaufen zu können, besteht schon lange», sagt Gemeindeammann Roland Kuster (Mitte). Vor rund drei Jahren lud er die lokalen Winzer deshalb zu einem runden Tisch ein. Eine Idee war, die verschiedenen Weine im Elektrofachgeschäft der Energie Wettingen an der Landstrasse anzubieten. «Im Gespräch stellte sich heraus, dass weder die Winzer noch das EW richtig überzeugt waren, weil das Sortiment sehr unterschiedlich ist», so Kuster. Somit war die Idee vom Tisch.
Enttäuscht war Marco Bieri, Geschäftsleiter der Weinstern Wettingen AG. Er suchte damals Alternativen für den Laden an der Rebbergstrasse 32, wo ihre Weine auf dem Privatgelände von Meinrad Steimer bisher verkauft wurden – am Ort, wo Steimer früher seine Weine abfüllte und lagerte (Box unten). Im Mai werden dort nicht nur die beiden Wohnungen und der Keller abgerissen, sondern auch der Laden. Es entsteht eine Terrassensiedlung. Bieri hörte sich nach Alternativen um. «Die Mietpreise an der Landstrasse sind extrem hoch, sodass wir kein Lokal fanden», so Bieri.
Produkte von zehn Partnern
Schliesslich bekam er mit, dass die bisherige Mieterin an der Landstrasse 81a auszog. Er nahm mit Thomas Müller von der Gebr. Müller AG, der Liegenschaftsbesitzerin, Kontakt auf und fand schliesslich eine Einigung. Um den Ladenbetrieb zu finanzieren, wird das Aktienkapital um 50000 auf 450000 Franken erhöht. Zur Risikominimierung wurden auch andere grosse Wettinger Winzer und lokale Unternehmen angefragt. Das sei aber nicht der Hauptgrund, wie Bieri betont: «So können wir die Idee für ein lokales Geschäft mit Wettinger Wein und Bier umsetzen. Bisher konnte man an keinem Ort verschiedene Wettinger Weine kaufen. Man musste sie einzeln bei den Winzern beziehen.»
Name gibt zu reden
Während die Winzer von «Benz Weine Wettingen» und «Klosterweine Wettingen» mitmachen, die Anfrage von «kollektiv grüezi» noch ausstehend sei, beteiligt sich «Steimer Weinbau» nicht am Projekt. «Unser Verkaufsstandort ist seit Generationen am Lindenplatz in Wettingen und diesen aufzugeben, kam für uns nicht infrage», so Christian Steimer. Den grössten Teil ihrer Weine verkaufen sie am Lindenplatz. Zusätzlich sind ihre Weine bei diversen Detailhändlern in der Region erhältlich. Christian Steimer bedauert, «dass nicht ausschliesslich Wettinger Weine verkauft werden». Ein weiterer Grund, weshalb Christian Steimer seine Weine nicht im neuen Laden anbieten will, liegt am Namen des Ladens. «Grundsätzlich kann ich mich nicht mit einem ‹Weinsternladen› identifizieren, hätte es einen Laden gegeben ‹Wettinger Wy-Lädeli› oder Ähnliches, hätte ich es mir durchaus vorstellen können, mitzumachen», so Christian Steimer.
Als die Winzer zum Mitmachen angefragt worden waren, sei der Name gar noch nicht festgelegt gewesen, so Bieri. «Und der Name ist nicht in Stein gemeisselt, aktuell heisst der Laden ‹Weinstern›, aber eine Änderung wäre für uns denkbar», sagt Bieri.
Nicht erhältlich im neuen Weinladen ist auch der Wein der Gemeinde Wettingen. Durchschnittlich werden pro Jahr 7000 bis 8000 Flaschen Wein aus den roten Trauben auf der eine Hektare grossen Rebfläche gewonnen. Die weissen Trauben werden verkauft. «Wir brauchen den Wein vor allem für Anlässe und Geschenke der Gemeinde und wollen die Wettinger Winzer nicht konkurrenzieren», begründet Kuster und fügt an: «Für uns ist wichtig, dass wir kostendeckend sind und der Wein nicht mit Steuergeldern finanziert wird.»
Es gibt auch Bier und Lebensmittel
«Als klar wurde, dass wir den Laden nicht alleine mit Wettinger Weinen füllen können, haben wir auch andere Unternehmen angefragt», so Bieri. So werden auch die Biere von «Lägerebräu Wettingen» und von «Chen van Loon» aus Neuenhof sowie Weine vom «Weingut zum Sternen Würenlingen», «Besserstein Wein Villigen», «Tanninreich Baden» und das alkoholfreie Apérogetränk der «Vertschi Würenlingen» zu kaufen sein. Ergänzt wird das Sortiment mit Lebensmittelprodukten der Stiftung «arwo Wettingen». Ihr Sortiment wird seit vier Jahren auch im EW-Laden angeboten. Trotz der Nähe sei dort kein Rückzug geplant. «Für uns ist der Weinstern-Laden eine zusätzliche Verkaufsstelle in unserem Wettiger Heimmarkt», so Arwo-Geschäftsführer Roland Meier auf Anfrage. Bis 2020 betrieb die Arwo im jetzigen Raiffeisen-Gebäude einen eigenen Laden. Mit der Beteiligung am Weinstern-Laden schaffe man eine lokale Verankerung. «Zudem passen viele unserer Produkte als Mitbring-Geschenk zu den angebotenen Weinen.» Im neuen Laden sollen auch Weindegustationen und Events stattfinden.
Wettinger Weinbaugenossenschaft
Bis 2019 haben 20 Weinproduzenten der Wettinger Weinbaugenossenschaft ihre Trauben in die Trotte von «Steimer Weinbau» geliefert. Dort wurden sie gekeltert und vom Lindenplatz in den Keller zu «Meinrad Steimer Weinbau» an die Rebbergstrasse gepumpt. Der entstandene Wein wurde abgefüllt und teilweise auch dort gelagert und verkauft.
Mit der Begründung, dass die Betriebsleitung nicht mehr rentabel und zeitgemäss sei, wurde die Weinbaugenossenschaft im Mai 2019 aufgelöst. Ein Teil der Weinproduzenten gründeten daraufhin die «Weinstern Wettingen AG», mit Beteiligung von 485 Volks- und 16 Prioritätsaktionären. Fortan wurde der Wein bei der Firma Andreas Meier & Co in Würenlingen gekeltert. Meier beteiligte sich an der Firma, übernahm die Produktion und setzte Marco Bieri als Geschäftsleiter ein. Meinrad Steimer ist seither für die Qualitätssicherung zuständig. Aktuell beteiligen sich 15 Winzer bei «Weinstern Wettingen AG», 12 davon sind Hobby- und Nebenerwerbsbetriebe. «Steimer Weinbau» blieb eigenständig, produziert seinen Wein selbst und verkauft ihn unter anderem am Lindenplatz, wo auch Degustationen durchführt werden. (bär)