«Ich hatte damals keinen roten Rappen»
Als junger Apotheker eröffnete Beat Augstburger die Ländli-Apotheke in Würenlos. Wie die Technik seine Arbeit erleichterte und warum er keine Mühe hat, jetzt in Pension zu gehen, sagt er im Interview.
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«Normalerweise sitzt er dort hinten», sagt die Kellnerin im Gasthof Alpenrösli und zeigt auf einen leeren Tisch. «Ja, wir haben uns hier hin und wieder zu Sitzungen getroffen, auch als es um den Verkauf ging», bestätigt Beat Augstburger ein paar Minuten später am Interview. Obwohl er die Apotheke erst per Anfang Jahr an die Apothekenkette GaleniCare AG verkauft hat, seien einige Besprechungen nötig gewesen. Er hätte die Apotheke gerne einem unabhängigen Apotheker verkauft. «Doch für einen jungen Apotheker ist es heute sehr schwierig, die Finanzierung zu stemmen», sagt der 64-Jährige.
Rund 600000 Franken reichten bei der Eröffnung der Ländli-Apotheke im August 1987, um Inventar, Mobiliar und die ersten Löhne zu decken. «Ich hatte damals keinen roten Rappen, bekam aber von einem Pharmagrossisten eine Bürgschaft. Das reichte der Raiffeisenbank als Sicherheit für die Eröffnung der Apotheke in ihrem Neubau.» Im Gegensatz zu heute, wo viele Apotheken zu einer Kette gehören, sei es damals verpönt gewesen, mehrere Apotheken zu besitzen, man wollte unabhängig geführte Unternehmen. Mentale Unterstützung bekam Augstburger damals vom Präsidenten des aargauischen Apothekerverbands. «Er bat mich, die Apotheke zu eröffnen, um zu verhindern, dass dies Ärzte in Würenlos tun.»
Keine Medikamentenabgabe
So kam es, dass er damals, zwei Jahre nach Studienabschluss, von Brugg nach Würenlos zog, eine Apotheke aufbaute – und bis zu seiner Pensionierung blieb. In dieser Zeit hat sich vieles verändert, etwa die Zusammenarbeit zwischen Apotheker und Arzt: «Damals schauten Ärzte und Apotheker mehrheitlich für sich.» Das sei grösstenteils auch die Ursache für die weltweit einzigartige Selbstdispensation (SD). Während die Ärzte in den Kantonen Aargau und Basel keine Medikamente abgeben dürfen, ist es in den anderen Deutschschweizer Kantonen erlaubt.
Auch im an Würenlos angrenzenden Kanton Zürich geben Ärzte ihren Patienten Medikamente ab. Rezepte aus dem Furttal hatte die Ländli-Apotheke also kaum. «Das war aber nicht nur ein Nachteil, weil es dort wegen der Selbstdispensation auch keine anderen Apotheken gab und wir somit aus dem Furttal keine Konkurrenz hatten.» Neue Kundschaft gabs dafür im eigenen Dorf: Durchs Bevölkerungswachstum verdreifachte sich die Einwohnerzahl seit 1987 beinahe und bescherte der Apotheke immer wieder neue Kundschaft.
Roboter ersetzt Schublade
Der Computer brachte die grösste Veränderung in den Betrieb. Bis 1995 wurde jeder Medikamentenbezug handschriftlich eingetragen, die Kosten zusammengezählt und an die Krankenkasse geschickt. «Es dauerte etwa ein Jahr, bis wir danach das Geld zurückerstattet bekamen. Heute läuft die Abrechnung per Knopfdruck und einen Monat später ist das Geld auf dem Konto der Apotheke.»
Auch die Logistik der Medikamente läuft automatisiert. Seit 2012 steht in der Ländli-Apotheke ein Kommissionierautomat. Ging früher das Personal zur jeweiligen Schublade, um das Medikament herauszunehmen, weiss heute nur noch der Roboter, wo es gelagert ist, und befördert es in Sekundenschnelle per Knopfdruck in den Laden. «Bei Totalstromausfall können wir den Laden eigentlich schliessen.»
Dieser Notfall trat nie ein, dafür andere. Etwa als ein Kunden einen Schlaganfall erlitt und vor der Apotheke zusammenbrach. Oder wenn stark blutende Wunden versorgt werden mussten. «Da war ich sehr froh um die Mitarbeiterinnen, die besser mit Blut umgehen konnten als ich.» Immer wieder rühmt der pensionierte Apotheker während des Interviews seine ehemaligen Angestellten und freut sich, dass viele von ihnen weiterhin in der Apotheke arbeiten werden, die ab März als Amavita-Filiale geführt wird. Auch die Geschäftsleiterin ist eine ehemalige Mitarbeiterin.
Fan vom FC Lugano
Ein Patentrezept, wie man die steigenden Gesundheitskosten in den Griff bekommt, hat auch Augstburger nicht. «Indem wir verordnete Medikationen in zweiter Instanz überprüfen und gegebenenfalls Kontakt mit dem Arzt aufnehmen, um die Therapie sicherer und kostengünstiger zu gestalten, tragen Apotheker seit je viel zur Kosten- und Qualitätskontrolle bei.» Eine weitere Massnahme zur Kosteneindämmung sei vor 24 Jahren mit der leistungsorientierten Abgeltung eingeführt worden: «Um die Margen auf den Medikamenten gerechter zu gestalten.» Ziel sei gewesen, dass der Apotheker am billigen und am teuren Medikament etwa gleich viel verdient und der Anreiz sinkt, teure Medikamente abzugeben.»
Mühe, nach fast vierzig Jahren loszulassen, hat Augstburger nicht: «Es ist nicht so, dass ich vom Workaholic zum Nichtstuer abstürze, ich habe mir auch vorher Zeit für mich genommen.» Etwa um an ein Fussballspiel nach Lugano zu reisen. Augstburger ist ein passionierter Fussballfan, verpasst nur selten ein Spiel seines Lieblingsvereins und reist sogar an die Europa-Cup-Spiele ins Ausland. «Zweimal war ich der einzige Deutschschweizer an einem Cupspiel im Ausland, meistens reisen wir als ganze Fan-Gruppe.»
Er freut sich, dass er nun noch mehr Zeit fürs Fanen, zum Skifahren, Jassen und für Freunde und die erwachsenen Kinder hat. Und später könne er sich auch vorstellen, in der Apotheke auszuhelfen. Zuerst will er aber in seiner Pension ankommen und ist wunschlos glücklich. Fast jedenfalls. «Nur etwas stört mich: meine Zürchernummer», sagt er, bevor er auf dem Restaurantparkplatz lachend ins Auto steigt. Weil er kein Dienstauto mehr hat und mittlerweile in Schöfflisdorf wohnt, musste er die Autonummer wechseln.