«Das Letzte Wort»
Sie hat etwas Faszinierendes an sich, Priorin Irene. Die Nonne, die sich in der katholischen Kirche für mehr Rechte der Frauen und gegen Machtmissbrauch einsetzt. Sich nicht versteckt, sondern sich selbstbewusst anerbietet, an der Vereidigung der Schweizer Garde in Rom vor namhaftem Publikum als Frau die Predigt zu halten. Oder mit einer Klangschale vor 750 Militärkader steht und sie zur Stille anhält. Eine Frau notabene, die sich mit 21 Jahren aus freien Stücken entschieden hat, in ein starr strukturiertes Leben ins Kloster zu gehen. Diese Frau steht jetzt auf und kämpft in ihrem eigenen konservativen Umfeld dafür, alte Zöpfe abzuschneiden. Sich für eine «glaubwürdige Kirche, die offen ist für Menschen gleich welcher Herkunft, welcher Nationalität und sexuellen Orientierung» einsetzt. Sich nicht von den Tiefschlägen abhalten lässt, weil die Mühlen im so konservativen Umfeld erwartungsgemäss langsam mahlen.
Bei der persönlichen Begegnung merkt man, sie will nicht auf der Kanzel stehen, um sich zu profilieren. Es geht ihr um die Sache, um den Machtmissbrauch der katholischen Kirche. Und sie geht als (Frauen-)Vorbild voran. Das braucht Vertrauen. Sie findet es in der Ruhe und Stille, sagt sie. Priorin Irene ist sich bewusst, dass sie das nicht alles aus eigener Kraft kann, sie kenne auch ihre Schwächen. Statt alles im Griff haben zu wollen – was ja nebenbei bemerkt sowieso nicht möglich ist –, lässt sie sich helfen. Demut, die Narzissmus vorbeugt, Vertrauen versus Angst denke ich, als ich das Kloster nach dem Interview (Artikel S. 16/17) wieder verlasse. Ich hoffe, dass die Nonnen ihr Nachwuchsproblem lösen, die Kirche Frauen ihren Platz zugesteht und etwas Neues entsteht. Denn in der lauten Welt braucht es auch Orte der Stille, es braucht Ruhe im Chaos, Grenzen und Menschen, die das vorleben.
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