«Der Interpretationsspielraum wird für den Gesuchsteller ausgelegt»
Im Pro-und-Kontra-Interview um die Spezialzone Berg sassen sich Gesuchsteller Luz Sozzi und Einwohnerrat Martin Fricker gegenüber.
Auf dem Flyer, der für die Ablehnung der Umzonung wirbt, heisst es «die Lägernschutzzone darf nicht aufgeweicht werden». Das erweckt den Eindruck, als beträfe die Umzonung das Gebiet der Lägernschutzzone, obwohl das nicht stimmt; es betrifft die Landwirtschafts- und die überlagernde Landschaftsschutzzone. Martin Fricker: Doch das stimmt sehr wohl, weil oben ein Sandplatz gebaut wurde, der nicht hätte gebaut werden dürfen.
Bei der Abstimmung geht es aber nicht um diese bestehende Liegenschaft, sondern um die untere Fläche, die in der Landwirtschaftszone und Zone von kantonaler Bedeutung liegt. Fricker: Aber sie sind miteinander verbunden und der obere Sandplatz wurde illegal in der Lägernschutzzone gebaut.
Bei der Abstimmung wird nicht über die Aufhebung dieser Lägernschutzzone abgestimmt. Fricker: Ja, das ist so. Aber dieser Schutz darf nicht weiter aufgeweicht werden. Deshalb sind wir dagegen. Das ist die Salamitaktik, mit der wir Mühe haben.
Luz Sozzi: Darf ich dazu etwas sagen? Dieser Sandplatz steht auf der Abschussliste. Das ist klar.
Fricker: Wieso haben Sie seinerzeit den Sandplatz gebaut, das war ja schon damals eine Schutzzone?
Sozzi: Das haben wir uns zu wenig gut überlegt. Wir bauten den Platz, als wir die ersten nicht mobilen Klienten hatten. Mit ihnen kann man nicht auf unwegsames Gelände gehen.
Sie und auch andere Nachbarn wurden wegen illegaler Bauten in der Lägernschutzzone angezeigt. Wieso steht der Sandplatz trotzdem noch? Wir erhielten im Jahr 2010 eine Abbruchverfügung für den Sandplatz. Dagegen haben wir eine Beschwerde eingereicht. Der Kanton kam bei uns auf dem Hof vorbei, um sich ein Bild zu machen, und wandelte danach die Abbruchverfügung im 2011 in eine Sistierung um. Wir machten uns auf die Suche nach einer Ersatzlösung und müssen dem Kanton jedes Jahr über diese Planungen rapportieren. Der Platz wird aufgehoben, spätestens wenn der Ersatzplatz steht.
Mit der Ersatzlösung meinen Sie den geplanten Therapiehof? Ja. Wir erarbeiteten ein Vorprojekt mit der Lösung, auf unserem Land unterhalb der Bergstrasse etwas zu bauen, was der heutigen Basis entspricht. Der Kanton signalisierte 2014, dass dies vertretbar sei, weil es am Siedlungsrand liegt.
Haben Sie auch andere Standorte für Ersatzlösungen geprüft? Ja, ganz am Anfang schon. Doch wir mussten schnell feststellen, dass die bestehenden Bauernhöfe, die geeignet wären in Wettingen, ebenfalls in der Landwirtschaftszone und in der Zone Landschaft von kantonaler Bedeutung stehen. Grafengut, Mooshof, Eigihof, bis ins Chütt – bewilligungstechnisch ist alles gleich. Der Eigihof war ein Thema, aberer ist noch weiter abgelegen. Wir haben auch ausserhalb der Gemeinde Standorte angeschaut. Damals stand in Ehrendingen ein Hof zum Verkauf. Als wir uns aber erkundigten, hiess es, dass er familienintern weitergenutzt wird. In Würenlos haben wir ein Stück Land angeschaut, verwarfen es aber, weil eine gewisse Gefahr besteht, dass es in Gewerbe- und Industriezone kommt, und ich will nicht mit einem Pferd und einem Klienten entlang einer Strasse gehen, wo Lastwagen vorbeifahren.
Sie hingegen hätten Alternativen, Herr Fricker? Fricker: Wir haben beim Zedernhof in Freienwil und beim Reithof in Würenlos angefragt, ob sie den Platz fürs Therapieangebot zur Verfügung stellen würden. Beide haben gesagt, dass sie ihr Gelände sofort zur Verfügung stellen würden für die Tiere. Es wäre ein flaches Gelände, es wäre viel besser geeignet. In Würenlos hätte es sogar eine Halle, wo man hinein gehen könnte, obwohl die Therapien ja meistens im Freien stattfinden. Es wäre also problemlos möglich, dieses Angebot an einem anderen Ort anzubieten. Die geplanten Veränderungen sind nicht nötig.
Haben Sie diese Alternativen auch geprüft, Herr Sozzi? Sozzi: Nachdem der Kanton bereits 2014 signalisiert hatte, dass der heutige Projektstandort realisierbar sei, arbeiteten wir dieses Projekt aus. Der Kanton erklärte: Eine Spezialzone ist die einzige rechtliche Form, die niet- und nagelfest ist. Wenn Ihnen die zuständige Behörde sagt, das Projekt ist mit einigen Anpassungen möglich, dann arbeiten sie nicht noch fünf weitere Projekte aus.
Fricker: Was ich unsauber finde, ist, dass es so dargestellt wird, als wäre die pferdegestützte Therapie bei Ablehnung der Spezialzone Berg nicht mehr möglich. Wir sind der Meinung, dieses private Interesse ist es nicht wert, solche Anpassungen vorzunehmen. Das ist die Hauptkritik.
Kann das Angebot weitergeführt werden ohne den Ausbau? Sozzi: Ich sage mal optimistisch jein. Wenn die Ersatzlösung nicht umgesetzt wird, hebt der Kanton die Sistierung auf. Der Sandplatz steht nur auf Zusehen hin und muss weggeräumt werden. Wenn der Platz weg ist, fällt ein grosser Teil – vor allem für die Klienten, die nicht so mobil sind – weg. Mit ihnen kann man nicht auf unwegsames Gelände gehen, deshalb brauchten wir diesen ebenen Sandplatz. Für sie könnten wir keine Reittherapie mehr anbieten.
Fricker: Sie können diese Therapie aber an einem anderen Standort durchführen. Ich habe zwei Möglichkeiten aufgezeigt. Oder Sie könnten die Pferde einladen und auf einen Reitplatz fahren.
Sozzi: Dazu muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie einen Klienten haben, der schief auf dem Pferd sitzt, zwischendurch zuckt, zappelt oder schreit, dann ist es schwierig, mit ihm und dem Pferd in eine fremde Umgebung zu gehen. Denn auch für das Pferd ist ein solcher Klient schwierig. Es braucht eine vertraute Umgebung für Tier und Klient.
Wie viel Zeit und Geld haben Sie in diese Ersatzlösung gesteckt? Sozzi: Seit 2011 arbeiten wir am Projekt. Der kalkulierbare Planungsaufwand liegt bei rund 150000 bis 170000 Franken. Nicht enthalten sind die Leistungen der Stiftungsräte, auch meine Eigenleistungen. Ich bin ja pensioniert und arbeite deshalb gratis (lacht).
Da steckt also Ihr Herzblut drin? Sozzi: Ja. Als ich im 2010 realisierte, dass ich irgendwann pensioniert werde, sahen wir zwei Möglichkeiten. Entweder machen wir so lange, bis wir den Betrieb altershalber schliessen müssen, oder wir suchen eine Lösung, wie er danach weitergeführt werden kann. Schliesslich haben wir gut qualifizierte Mitarbeiter und eine Klientel, die auf dieses Angebot angewiesen ist und es auch nutzt. Die Schaffung der Stiftung gibt uns die Möglichkeit, ihr den Betrieb zu übergeben, damit sie den Therapiehof weiterführen kann.
An der Einwohnerratssitzung wurde unter anderem von «Vetterliwirtschaft» gesprochen. In einem Flugblatt an die Wettinger Bevölkerung wird «gleiches Recht für alle» gefordert. Weshalb? Fricker: Die Gemeinde hat nichts gegen den illegal erbauten Sandplatz unternommen. Konkret wird der Interpretationsspielraum hier zugunsten des Gesuchstellers ausgelegt und an anderen Orten wird er gegen die Gesuchsteller ausgelegt. Es ist das Hauptproblem, dass nicht alle gleich behandelt werden. Entweder ist eine Gemeinde stets grosszügig oder sie ist grundsätzlich streng und verweist auf die Zonenkonformität. Es wurde in gewissen Parteien grosser Druck ausgeübt auf die Personen, die gegen die Spezialzone Berg waren.
Von wem? Vom Establishment von Wettingen.
Können Sie Namen nennen? Darf ich natürlich nicht. Aber wegen dieser Druckausübung habe ich eine geheime Abstimmung verlangt im Einwohnerrat.
Herr Sozzi, Sie sind der Vater von Gemeinderat Sandro Sozzi; haben Sie deswegen oder aus anderen Gründen Bevorteilungen erhalten? Im Gegenteil. Seit Sandro Gemeinderat ist, wird noch siebenmal mehr hingeschaut. Aus Sicht der Verwaltung geht man verständlicherweise auf die sichere Seite. Lieber noch etwas mehr überprüfen. Genau wegen solcher Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen.
Verstehe ich Sie richtig, Herr Fricker, Sie sagen, es wird nicht mit gleichen Ellen gemessen, Herr Sozzi wird bevorteilt? Fricker: Ja.
... und Sie, Herr Sozzi, sagen, das Gegenteil ist der Fall, seit Sandro Sozzi im Gemeinderat ist, wird noch genauer hingeschaut? Sozzi: Ja.
Kommen wir noch auf das Thema Landschaftsschutz zu sprechen, das in den Diskussionen teilweise mit Naturschutz vermischt wird. Die erwähnte Fläche liegt in der Landwirtschaftszone und es leben schon Tiere dort. Trotzdem planen Sie am neuen wie auch am alten Standort Renaturierungsmassnahmen. Welche? Sozzi: Unten ist ein Ersatz von bestehenden Bäumen geplant. Der Ostseite entlang soll es Hecken geben, es sind Trockenmauern vorgesehen und das bestehende Biotop wird aufgefrischt, damit der Lebensraum des Glögglifroschs erhalten bleibt. Auch beim Rückbau des oberen Sandplatzes sind Renaturierungen geplant. Diese haben wir im Bericht aber nicht erwähnt, da uns die instruierende Behörde riet, die beiden Geschäfte – den oberen, bestehenden Teil und den unteren Teil – nicht miteinander zu vermischen. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, diese Renaturierungsmassnahmen im Bericht auch aufzuführen.
Hätte das geholfen für die Vertrauensbildung? Fricker: Darum geht es gar nicht, sondern darum, dass es für eine Zonenaufhebung ein übergeordnetes allgemeines Interesse bräuchte. Und das ist es nicht. Es ist ein Partikularinteresse einer privaten Stiftung, die hier etwas ausbauen und vergrössern will. Das stört uns und das wollen wir nicht.
Sozzi: Vergrössern? Wir wollen den Betrieb nicht vergrössern.
Fricker: Doch, natürlich, in einem Schreiben ist von 40 Pferdeboxen die Rede.
Sozzi: Nein, eine Vergrösserung ist kein Thema.
Fricker: Ich habe jetzt nachgeschaut, es steht, dass die geplante Fläche mehr als 4000 m2 ist und der Betrieb für bis zu 40 Pferde ausgelegt ist.
Sozzi: Sie meinen mit den 40 Pferden wahrscheinlich die 40 Pferdeboxen, das ist eine Fehlinformation von «Baden Regio». Sie haben sich in einem Schreiben zum Projekt geäussert und aus der Zahl 4 eine 40 gemacht. Das wurde korrigiert. Korrekt sind 4 Pferdeboxen, nicht 40.
Fricker: Aber die Fläche von über 4000 m2 finde ich überrissen. Es hat niemand etwas gegen die Reittherapie, die könnte sogar am jetzigen Standort weitergeführt werden und es gäbe auch Alternativstandorte.
In Leserbriefen wurde auch Mehrverkehr kritisiert. Wird es Mehrverkehr geben? Sozzi: Nein. Wir wollen in dieser Grösse bleiben und deshalb gibt es auch keinen Mehrverkehr. Der familiäre Charakter wird ja gerade geschätzt, und das wollen wir so beibehalten.
Das Land wäre nach der Umzonung 415 150 Franken mehr wert. Sie müssten einen Ausgleich von Planungsvorteilen zahlen. Ja, es gibt einen Vertrag mit der Gemeinde. Der Planungsaufwand für die Umzonung kann abgezogen werden, sodass ein Mehrwert von rund 260000 Franken bleibt. Davon muss ein Drittel als Mehrwertabgabe an die Gemeinde bezahlt werden.
Angenommen, der Therapiehof könnte wie geplant realisiert werden und würde später aufgelöst: Könnte die Anlage dann umgenutzt werden, etwa für Pferdehaltung, sodass Sie als Besitzer sich daran bereichern könnten? Sozzi: Nein. Dann gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder findet man eine Nachfolgeorganisation, die dieselben Bestimmungen erfüllt, den bestehenden Therapiebetrieb also weiterführen würde. Wenn nicht, wird das Gebäude abgerissen und der heutige Zustand wiederhergestellt. Auch die Spezialzone Berg würde aufgehoben, weil der Zweck der Spezialzone nicht mehr erfüllt wäre. Es würde also wieder die heutige Zonierung gelten.
Was werden Sie tun, wenn die Umzonung abgelehnt wird und Sie das geplante Projekt nicht realisieren können? Sozzi: Grundsätzlich muss sich die Stiftung entscheiden, was sie machen will. Es kann durchaus sein, dass sie die Idee des Projekts weiterziehen, unabhängig davon, was wir als Familie entscheiden.
Ist der Entscheid für Sie schon klar? Sozzi: Nein. Klar wäre, dass der Therapieplatz definitiv wegfallen und damit ein Teil der Klientel wegbrechen würde, weil wir sie nicht mehr bedienen können an diesem Standort. Es gäbe die Möglichkeiten, vorläufig in kleinerem Rahmen weiterzumachen. Damit wäre aber das Problem der Vermischung von Privatliegenschaft und Betrieb nicht gelöst.
Und was bedeutet eine Annahme der Umzonung für Sie, Herr Fricker? Fricker: Das wäre schade für die Landschaft am Lägernhang, aber man müsste den Entscheid akzeptieren. Ich finde die Landschaft wichtiger als das Projekt, deshalb bin ich dagegen.