Die Hälfte der Jugendlichen leidet

Der Infoanlass der Interessengemeinschaft Eltern-Lehrpersonen (IGEL) der Kantonsschule Wettingen (KSWE) stiess auf grosse Resonanz. 130 Eltern informierten sich über das Thema Überforderung und Leistungsdruck bei Jugendlichen.

Eltern und Lehrer diskutierten am Informationsabend über den Leistungsdruck der Schülerinnen und Schüler an der Kantonsschule. Foto: se
Eltern und Lehrer diskutierten am Informationsabend über den Leistungsdruck der Schülerinnen und Schüler an der Kantonsschule. Foto: se

Laut der aktuellen Schweizer Jugendstudie der Jacobs Foundation leidet rund die Hälfte der Schweizer Jugendlichen an Leistungsdruck. Die Heranwachsenden fühlen sich vielfach überfordert und gestresst. Als Ursache dafür wird am häufigsten die Schule, Lehre oder Hochschule genannt. Die IGEL, die aus Eltern aus allen Abteilungs-Jahrgängen der FMS und des Gymnasiums, einem Mitglied der Schulleitung sowie Lehrpersonen besteht, widmete dem Thema am 19. Oktober einen Informationsabend. Eingeladen waren interessierte Eltern zu zwei Fachpräsentationen und Gesprächen in der Mensa Löwenscheune. «Mit diesem Abend möchten wir informieren, anregen und Raum für Diskussionen schaffen», verriet Michael Studer, Co-Präsident IGEL und Lehrperson an der KSWE, das Ziel des Anlasses. Es sei wichtig, dass die Eltern merken, dass Überforderung zum Alltag gehöre und sie damit nicht alleine seien. Zudem solle den Eltern aufgezeigt werden, an wen sie sich bei Problemen wenden können, so Studer.

Regine Rust , Sozialarbeiterin des Beratungszentrums Baden, ging in ihrer Präsentation auf die Anzeichen einer Überforderung ein, legte dar, welchem Druck Jugendliche ausgesetzt sind und zeigte auf, wie Eltern ihre Kinder bei der Beseitigung und Lösung des krankmachenden Stresses unterstützen können. «Erlauben Sie Ihren Kindern, Fehler zu machen, fangen Sie sie bei Misserfolgen auf und feiern Sie mit ihnen ihre Erfolge», sagte Rust.

Christoph Frutiger, Psychotherapeut im Fachbereich Psychosomatik am Kantonsspital Aarau, beleuchtete anschliessend die körperlichen Veränderungen und Auswirkungen von Überforderung. «Kurzzeitig sind hohe Anforderungen und Überforderungen gesund, wenn der Körper danach die nötige Erholung bekommt», erklärte Frutiger. Langzeitiger Stress sei jedoch schlecht und äussere sich körperlich beispielsweise durch Verspannungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verdauungsprobleme oder depressive Verstimmungen, erzählte Frutiger. Der Psychotherapeut betonte aber auch, dass gerade die Schule ein Ort sei, an dem man lerne, mit Stresssituationen umzugehen.

Die Kantonsschule ist und bleibt ein Ort, der fördert und gleichzeitig fordert, dessen sind sich die Lehrpersonen bewusst. «Es gibt Phasen, in denen Schüler unter hohem Stress stehen. Dann gilt es, etwas Rücksicht zu nehmen zum Beispiel beim Festsetzen von Prüfungsdaten», ging Studer auf die Situation an der Kantonsschule Wettingen ein. Dass Schüler aufgrund übermässiger Überforderung hospitalisiert werden mussten, sei aber noch nie vorgekommen, so der Lehrer. Ziel und erste Strategie müsse es sein, das Problem der Überforderung zu lösen, sagte Rust. Dabei können die Eltern helfen, nämlich dadurch, dass sie ihre Kinder in der Fähigkeit, Probleme zu lösen, unterstützen.

In der Diskussion mit dem Experten Frutiger und Studer zeigte sich, dass einige Eltern ein ganz bestimmtes Stress-Phänomen bei ihren Töchtern beobachten. «Stellen Sie fest, dass reine Mädchenklassen überforderter sind als gemischte?», wollte eine Mutter von Studer wissen. Studer verneinte und sagte, dass er keine geschlechterspezifischen Unterschiede wahrnehme. «Meine Tochter und ihre Klassenkameradinnen schaukeln sich gegenseitig hoch, lernen bis zwei Uhr morgens und schreiben einander Whatsapp-Nachrichten, um zu vergleichen, wer wie viel gelernt hat», berichtete die Mutter. Eine andere Mutter bestätigte diese Beobachtung: «Mädchenklassen pushen sich sehr und setzen sich durch den Ehrgeiz mehr unter Stress.» Diese Tendenz bemerkte auch Klassenlehrperson Claudia Ginsburg: «Mädchen liegt viel mehr an guten Noten, während Jungs weniger darüber nachdenken.»

Das Thema stiess zur Freude der Organisatoren auf grosses Interesse. 130 Eltern erschienen zur Veranstaltung. «Wir sind froh, dass derartige Infoanlässe stattfinden. Durch unser Erscheinen möchten wir die Bemühungen von IGEL würdigen», sagten Carino und Claudia Giannini aus Oberrohrdorf. Auch für Maria und Simone Indelicato aus Untersiggenthal hat sich der Infoabend gelohnt. «Wir wissen nun, wohin wir gehen können, wenn wir Fragen haben. Wir wurden durch die Informationen darin bestärkt, unsere Tochter zu unterstützen, und werden ihr die Tipps, die wir erhalten haben, weitergeben.»

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