«Diese Engel sehen aus wie Eiertätsch»

37 Jahre lang war Alois Keusch als Pfarrer in der Kirche St. Anton in Wettingen tätig und hat in diesem modernen Gotteshaus turbulente Zeiten erlebt.

Pfarrer Alois Keusch erinnert sich an bewegte Zeiten im St. Anton Wettingen. Foto: ska
Pfarrer Alois Keusch erinnert sich an bewegte Zeiten im St. Anton Wettingen. Foto: ska

Noch bis zum 6. Januar sind im Gluri-Suter-Huus Werke des Künstlers Ferdinand Gehr ausgestellt. Der Maler hat unter anderem ein Wandbild in der Kirche St. Anton gestaltet, das kurz nach der Fertigstellung mit einem Vorhang verhüllt werden musste und später sogar übermalt wurde. Alois Keusch war zu jener Zeit Pfarrer im St. Anton und hat die Aufregung damals hautnah miterlebt.

1954 sei er als Pfarrer nach Wettingen gekommen und bis 1991 im St. Anton tätig gewesen, berichtet der 92-Jährige, der heute in Bremgarten lebt und immer noch Gottesdienste abhält. In der neu gegründeten Pfarrei musste 1954 alles neu installiert werden. «Die Katholiken von Wettingen hatten anfangs keine grosse Freude an der Kirche», berichtet Keusch. Sie seien an die Sebastians-Kirche gewöhnt gewesen und die Betonkirche des St. Anton mit ihrem extern stehenden Turm habe ihnen nicht gefallen. «So kam uns die Idee, der Künstler Ferdinand Gehr könnte etwas Farbe in die Kirche und insbesondere in die Apsis bringen.» Gehr habe daraufhin die Altarnische ausgemalt. Er wollte der Apsis eine sakrale, warme Ausstrahlung geben und Engel malen. «Kaum hatte er das Gemälde vollendet, ging der Aufruhr los», berichtet Pfarrer Keusch. Als Erstes seien die Putzfrauen an ihn herangetreten und hätten entrüstet gefragt: «Herr Pfarrer, was sagen Sie zu dieser Malerei? Das sollen Engel sein? Die sehen aus wieEiertätsch!»

Die negativen Kommentare zur eher geometrischen, abstrakten Malerei häuften sich, sogar zwei Domherren aus Solothurn inspizierten das Bild und fanden es eigenartig. Kirchenarchitekt Karl Hegi und Pfarrer Alois Keusch waren enttäuscht über den Wirbel. Von Solothurn kam kurz darauf die Weisung, dass das Gemälde übermalt werden müsse, sonst werde die Kirche nicht eingeweiht. Alois Keusch, der selbst acht Jahre Domkaplan in Solothurn war, versuchte beim Bischof zu vermitteln. In einem Gespräch machte Hegi den Vorschlag, das Apsisbild mit einem Vorhang zu verdecken.

Dies wurde gemacht und kurz darauf entstand der Plan, die Wände mit Wandteppichen entsprechend den Jahreszeiten des Kirchenjahres neu zu gestalten. Um den Künstlern der Teppiche die räumlichen Begebenheiten zu zeigen, wurde der Vorhang einige Tage lang geöffnet, was aus Solothurn innert Kürze die erneute Reaktion hervorrief, man solle den Vorhang sofort schliessen, sonst werde die Kirche interdiziert, d.h. man hätte keine Gottesdienste mehr abhalten dürfen. Sofort wurde das Bild wieder verhängt. «Ich hatte schlaflose Nächte», gesteht Alois Keusch. Aber trotz dieser schlaflosen Nächte ist und bleibt Ferdinand Gehr für Keusch «ein aussergewöhnlicher Künstler».

«Wir hatten also wirklich grosse Schwierigkeiten», erinnert sich Keusch an diese bewegten Zeiten. Diese Schwierigkeiten waren auch finanzieller Natur. Sämtlicher Kirchenschmuck – von den Wandteppichen bis hin zu den Statuen – wurden durch freiwillige Spenden möglich gemacht. Drei Künstler lieferten Entwürfe für die Teppiche und auch Ferdinand Gehr beteiligte sich mit dem Osterbild. Spannenderweise wurde der Teppich «Advent» von Alois Keuschs inzwischen verstorbener Schwester und Nonne Fortunata Keusch in einjähriger Handarbeit gewoben – insgesamt etwa 19 Quadratmeter.

Beim Glockenguss zeigte Alois Keusch wieder diplomatisches Geschick, indem er für die Relief-arbeiten Bildhauer Eduard Spörri beizog, der damals etwas enttäuscht war, dass er frühere Aufträge in der Kirche nicht bekommen hatte. «Ich durfte damals den Glocken ihre Namen geben und die Inschrift bestimmen», berichtet Keusch von dieser besonderen Ehre.

1991 hat sich Alois Keusch von Wettingen verabschiedet und zog auf eine Anfrage von Pfarrer Studer hin ins Pfarrhelferhaus nach Bremgarten, nachdem dort der neue Pfarrer bestimmt worden war. Der Name «Pfarrhelfer» sagte ihm mehr zu als die ursprüngliche Bezeichnung «Pfarr-Resignat». «Das Resignieren ist nicht meine Sache», erklärt er mit fröhlichem Lachen.

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