«Liebe Menschen im Saal ...»

Christian Oberholzer wurde zum neuen Einwohnerratspräsidenten gewählt. Er setzt sich für Inklusion und Toleranz ein.

Christian Oberholzer ist als Einwohnerratspräsident gewählt.Patrick Schiffmann

Christian Oberholzer ist als Einwohnerratspräsident gewählt.Patrick Schiffmann

Christian Oberholzer ist als Einwohnerratspräsident gewählt.Patrick Schiffmann

Christian Oberholzer ist als Einwohnerratspräsident gewählt.Patrick Schiffmann

«Ich bin schon ein bisschen nervös», sagte Christian Oberholzer (SP), kurz bevor er von 33 der 42 anwesenden Einwohnerratsmitgliedern für die Jahre 2024 und 2025 zum Präsidenten gewählt wurde. Nervös nicht nur deswegen, weil an der anschliessenden Wahlfeier auch viele Freunde anwesend waren, sondern auch, weil darunter ein ganz besonderer Gast war: Dragqueen Mona Gamie. Christian Oberholzer hatte sie als Moderatorin für die anschliessende Wahlfeier eingeladen.

Damit will der 58-Jährige ein Zeichen setzen: Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen als queere Person sei es ihm als Politiker und als Mensch wichtig, zuzuhören, hinzuschauen und alle Menschen unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und unterschiedlichen Lebensgeschichten zu integrieren und nicht auszugrenzen. «Als queere Person stösst man ständig an Grenzen. Es entsteht nach wie vor das Gefühl, sich immer wieder outen zu müssen. Wir sind erst dann am Ziel angekommen, wenn es normal geworden ist, dass sich auch gleichgeschlechtliche Partner auf der Strasse die Hand geben.»

Als Einwohnerratspräsident werde sich seine Haltung auch in der Sprache zeigen. «Ich habe schon immer gesagt ‹Liebe Menschen im Saal und auf der Tribüne›. Ausgrenzen fängt bei der Sprache an und deshalb lege ich Wert auf eine inkludierende Sprache. Es ist einfach, sich vom generischen Maskulin zu trennen.» Als Einwohnerratspräsident werde er das weiterhin so handhaben. «Doch auch wenn ich es so mache, erwarte ich nicht, dass andere dasselbe tun. Ich erlebe allerdings immer wieder, dass sich etwas verändert, wenn es vorgelebt wird.»

Von der Gewerkschaft zur SP

Oberholzers politische Karriere begann vor rund 35 Jahren mit dem Eintritt in die Gewerkschaft Smuv, die mittlerweile Teil der Grossgewerkschaft Unia ist. 1988 trat er in die SP Wettingen ein, 1989 und 1993 kandidierte er für den Wettinger Einwohnerrat sowie für den Grossrat. Oberholzer blieb Parteimitglied, die Politik trat aber in den Hintergrund. Das änderte sich 2013, als er erneut für den Einwohnerrat kandidierte und im Oktober 2016 für den abtretenden Roland Klasen nachrutschte. Im Dezember 2021 wurde er als Vize-Einwohnerratspräsident für die Jahre 2022 und 2023 gewählt. «Ich übernehme gerne die Leaderfunktion und freue mich, die Sitzung ab Januar zu führen», sagt Christian Oberholzer. Die Herausforderung in dieser Funktion bestehe darin, die eigene Meinung hinten anstehen zu lassen und im richtigen Moment einzugreifen. «Dabei kommt mir sicher meine Erfahrung als Friedensrichter zugute.» Als Präsident werde er darauf achten, die teilweise gehässige Stimmung nicht zusätzlich anzuheizen. Doch grundsätzlich begrüsse er die Diskussion im Rat, «so werden auch die verschiedenen Volksmeinungen vertreten». Als ihm wichtige politische Themen, für die er sich einsetzt, nennt er die Sozial- und Asylpolitik sowie den Wohnbau. Oberholzer ist Vorstandsmitglied der Wohnbaugenossenschaft «An der Limmat» und war vor vier Jahren für einen zehntägigen Hilfseinsatz in Bosnien. Ansonsten unternimmt er in seiner Freizeit gerne Bergwanderungen, er mag Schlagermusik und hat eine Schwäche für den Eurovision Songcontest. Er arbeitet als Projektmanager im Facility Management, hat Elektrotechnik studiert und lebt seit Geburt in Wettingen.

Noch hat Oberholzer zehn Tage Zeit, bis seine Amtszeit als höchster Wettinger beginnt. An seiner Wahlfeier hat er schon mal gezeigt, dass ihm Inklusion und Toleranz wichtig sind. «Ich habe nur positives Feedback auf die Wahlfeier erhalten», sagt er vier Tage nach der Wahl sichtlich entspannter.

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