Sie überlässt nach 17 Jahren den Wahlkampf den anderen

An einer Podiumsdiskussion im Rathaus blickte die SP-Politikerin Yvonne Feri aus Wettingen mit ihrer Nationalratskollegin Lilian Studer (EVP) auf Höhe- und Tiefpunkte ihrer Karriere in Bundesbern zurück. Der Anlass bot auch eine Bühne für neue Kandidierende aus der Region.

Verabschiedeten Yvonne Feri (in der Mitte) im Rathaus: (v. l.) Roman Wyler (Mitte), Nationalrätin Lilian Studer (EVP), Marie Louise Reinert (EVP), Hanna Läng (EVP), Sinem Gökçem (SP, untere Reihe), Alain Burger (SP), Orun Palit (GLP) und Margrit
Verabschiedeten Yvonne Feri (in der Mitte) im Rathaus: (v. l.) Roman Wyler (Mitte), Nationalrätin Lilian Studer (EVP), Marie Louise Reinert (EVP), Hanna Läng (EVP), Sinem Gökçem (SP, untere Reihe), Alain Burger (SP), Orun Palit (GLP) und Margrit Wahrstätter (EVP).Sibylle Egloff

1993 trat Yvonne Feri als SP-Mitglied in die Neuenhofer Schulpflege ein. Genau 30 Jahre später zieht die Nationalrätin einen Schlussstrich unter ihre politische Karriere. Für sie startete am 11. September die letzte Session im Parlament in Bern. «Ich habe 17 Wahlkämpfe bestritten und bin froh, dass es keinen 18. mehr gibt. Heutzutage muss man noch präsenter sein und sich in den sozialen Medien selbst vermarkten. Das liegt mir nicht», sagte Feri an der Podiumsdiskussion vergangene Woche, die sie mit ihrer Wettinger Nationalratskollegin Lilian Studer (EVP) bestritt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Gemeindeammann Roland Kuster (Mitte).

Der Anlass im Wettinger Rathaus stand im Zeichen von Feris Abschied. Die 57-Jährige engagierte sich politisch auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene. Von 2006 bis 2016 wirkte Feri im Wettinger Gemeinderat und betreute das Ressort Soziales und Familie. Von 1998 bis 2008 sass sie im Grossen Rat. «Als ich mich damals auf die Liste setzen liess, rechnete ich nicht damit, dass ich als erster Ersatz gewählt werde. Und noch viel weniger erwartete ich, dass ich dann tatsächlich nachrücken würde», erinnert sich Feri.

Das Politisieren als alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder sei nicht einfach gewesen. Doch genau diese Rolle prägte und politisierte Feri. «Vor 30 Jahren gab es keine Kitas», erzählte sie. Aufgewachsen in einem armen Elternhaus mit Suchtproblemen setzte sie sich stets für die Schwächsten ein. So etwa als Präsidentin des Frauenhauses Aargau oder im Stiftungsrat für die Stiftung Kinderschutz Schweiz. Stark machte sich Feri auch für Menschen mit seltenen Krankheiten oder für bessere Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen.

Das Publikum im Rathaus bekam auch einige Anekdoten aus Feris 12 Jahren im Nationalrat zu hören. So erzählte sie etwa von ihrer Arbeit in der Geschäftsprüfungsdelegation GPdel, welche die Tätigkeit im Bereich des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste überwacht. Die zu prüfenden Akten seien alle streng geheim gewesen und sie habe sie zu Hause in einem Tresor versorgen müssen. «Vier Mal in der Woche erhielt ich einen eingeschriebenen Brief. Die Post wird sich wohl gefragt haben, was das soll», sagte Feri und lachte.

Mit Andi Glarner hatte sie es immer lustig

Gerne denke sie zurück an die geführten Reisen, die sie als Nationalrätin nach Myanmar, Kirgistan und nach Eritrea oder Ruanda führten. Feri verriet zudem, dass sie während den Sessionen in einem WG-Zimmer in Bern wohnt. So könne sie ihre Sachen dort lassen und spontan entscheiden, ob sie heim nach Wettingen gehe. Überraschend kam wohl für viele der Satz: «Andi Glarner und ich haben es immer saulustig miteinander», als Feri von ihren Kaffeepausen mit den SVP-Kollegen, mit denen ihre Partei in den Kommissionen für Soziale Sicherheit und Gesundheit arbeitet, berichtete.

Doch das Leben als Politikerin hat auch seine Schattenseiten. «In einer ‹Arena›-Sendung vor eineinhalb Jahren wurde ich mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Das hat mir sehr weh getan», sagte Feri. Und auch die Hotpants-Geschichte um ihre Tochter, die in den Medien hochstilisiert worden sei, machten ihr zu schaffen. Schwierig waren für Feri auch die zunehmenden Angriffe auf sie als Person. «Wenn ich mich zu heiklen Geschäften wie etwa dem Burka-Verbot äusserte, wurde ich stark angegangen. Meine Mailbox und die Kommentarspalten waren voll mit Hassnachrichten. Es gab sogar Leute, die mich umbringen wollten.» Dieses Phänomen habe seit Corona zugenommen und sei sogar so weit gegangen, dass die Fedpol vom Bundesamt für Polizei ihr zu Hause in Wettingen einen Besuch abgestattet habe. «Man wollte überprüfen, wie sicher ich wohne und wie stabil meine Türen sind», sagte Feri.

Auch wenn sie nicht immer nur schöne Zeiten hatte, blickte Feri zufrieden auf ihr politisches Wirken zurück. «Ich bin dankbar, dass ich mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenarbeiten durfte. Es macht mich stolz, dass ich mich erfolgreich für Familien, Kinder und Gerechtigkeit einsetzen konnte.»

Lilian Studer sieht sich mehr im Ständerat

Einen Ausblick wagte Nationalratskollegin Lilian Studer (EVP), deren politische Laufbahn noch lange nicht zu Ende ist. Die Präsidentin der EVP Schweiz wirkte 17 Jahre lang als Grossrätin und sitzt seit vier Jahren im Nationalrat. Nun will sie ins Stöckli. «Vom Typ her bin ich eher eine Ständerätin, weil es mir um die Sache und um die Werte geht.» Im Nationalrat hingegen stehe die Parteipolitik im Vordergrund. Man sei mehr auf die Medien ausgerichtet, so Studer.

Die zu Ende gehende Legislatur sei geprägt gewesen von der Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Energiemangellange und Teuerung. Diese Themen werden die Politik auch künftig beschäftigen. «Wir befinden uns im Hintertreffen, was die Energie angeht, weil wir zu fest vom Ausland abhängig sind.» Studer ist sich sicher: «Es braucht einen Massnahmenmix. Man kann nicht nur auf eine Energieform setzen.» Auch die Entwicklung der Migration und das Europadossier seien von Bedeutung.

Eine Plattform erhielten am Ende der Veranstaltung die sieben anwesenden Nationalratskandidatinnen und -kandidaten aus der Region, um sich kurz vorzustellen. Dazu zählten der Wettinger Einwohnerrat und Grossrat Alain Burger (SP), Sinem Gökçem (SP) aus Untersiggenthal, Hanna Läng-Studer (EVP) aus Wettingen, der Wettinger Einwohnerrat Orun Palit (GLP), die langjährige ehemalige Wettinger Einwohnerrätin Marie Louise Reinert (EVP), die Wettinger Einwohnerrätin Margrit Wahrstätter-Blatter (EVP) sowie Roman Wyler (Mitte) aus Remetschwil. Auf sie könnte das spannende Amt warten, das Yvonne Feri nun abgibt. Sie machte die Kandidaten denn auch gluschtig auf den Nationalrat. «Jedes Mal, wenn ich das Bundeshaus betrete, kriege ich Hühnerhaut. Es ist der schönste Arbeitsplatz, den es gibt.»

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