«Skandal im Lehrerseminar»

Im Jahr 2027 feiert das Kloster Wettingen sein 800-jähriges Bestehen. Grund genug, die Klostergeschichte neu zu betrachten, finden vier Historikerinnen und Historiker. Sie geben ein Buch heraus. Auch der Kanton plant Jubiläumsaktivitäten.

Wollen Geschichte neu aufbereiten: Hansjörg Frank, Ruth Wiederkehr, Annina Sandmeier-Walt, Bruno Meier (v.l.) zVg/Nina Kohler

Der Legende nach geriet Graf Heinrich von Rapperswil 1222 in Seenot, überlebte auf wundersame Weise und stiftete aus Dankbarkeit ein Kloster: das Kloster Wettingen. 1227 zogen die ersten Mönche ein – und 1841 wieder aus. Nicht freiwillig, sondern auf Befehl des Grossen Rats, der damals alle Aargauer Klöster aufgehoben hatte. Interessantes Detail: Augustin Keller, der als Auslöser des Aargauer Klosterstreits und somit der Klosteraufhebung galt, wurde Direktor im Lehrerseminar, das sich in den leer gewordenen Klosterräumlichkeiten niedergelassen hatte. Mit der Umnutzung als Gymnasium gehen im Kloster nun seit 48 Jahren Kantonsschüler ein und aus.

Vieles aus der 800-jährigen Klostergeschichte ist festgehalten. «Doch in der Kantonsbibliothek gibt es noch viele gedruckte und handschriftliche Bücher aus dem Wettinger Kloster, die noch nicht erforscht wurden», sagt Ruth Wiederkehr. Die Historikerin will einen Teil davon aufarbeiten. Daraus soll ein zeitgemässes, neues Buch entstehen, das nicht nur für Historiker, sondern für ein breites Publikum interessant ist. «Wir wollen darin auch neue Themen aufgreifen, beispielsweise den Kulturkampf, die Seminarzeit oder wie die Äbte zu den zahlreichen Frauenklöstern standen, für die sie zuständig waren.» Das sei in den bisher erschienenen Büchern, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Das letzte Fachbuch über das Kloster Wettingen ist vor rund 30 Jahren erschienen. «Inzwischen gibt es neue Erkenntnisse zur Kloster-, Schul- und Ortsgeschichte, die wollen wir beleuchten», sagt Wiederkehr.

Geschichte neu betrachten

Mit «wir» meint Wiederkehr die Historiker Hansjörg Frank und Bruno Meier sowie Historikerin Annina Sandmeier-Walt. Sie haben sich für das Projekt zusammengetan. Trägerschaft ihrer Arbeit ist der Verein «Freunde des Klosters Wettingen», der seit 1977 die Beziehung zur Abtei Wettingen-Mehrerau pflegt. Dort hatten die vertriebenen Mönche 1854 eine neue Heimat gefunden, dort lebt die Wettinger Geschichte bis heute weiter.

Die Materialsichtung und Aufarbeitung braucht viel Zeit. Wiederkehr kümmert sich auch um die Finanzierung. 190 000 Franken, das ist rund die Hälfte der Projektkosten, werden durch einen Beitrag des Swisslos-Fonds Aargau getragen. Auch die Kirche, die Gemeinde Wettingen, die Stadt Baden sowie verschiedene Stiftungen beteiligen sich finanziell am Projekt. «Wir freuen uns über weitere Unterstützung», so Wiederkehr.

Zusätzlich zum Buch, das 2026 herausgegeben werden soll, findet man neue Erkenntnisse auch auf der Website klostergeschichte-wettingen.ch. «Damit wollen wir Neugierde für die Geschichte des Klosters wecken», sagt die Historikerin. Im auf der Website aufgeschalteten Blog erfährt man zum Beispiel vom «Skandal im Lehrerseminar».

Auch der Kanton will mitfeiern

Auch der Kanton Aargau will den 800. Geburtstag des Wettinger Klosters feiern. Weil im gleichen Jahr das Kloster Muri sein 1000-jähriges Bestehen feiert, plant er fürs Jahr 2027 ein kantonales Themenjahr «Klosterjahr 2027». Ziel sei, die Aargauer Klöster als Orte der Kultur, der Religiosität, der Spiritualität, aber auch der Gemeinschaft, Bildung und Macht kantonal und national bekannt zu machen. Das schreibt der Kanton in einer Medienmitteilung.

Damit will er nicht nur Kulturtouristinnen und -touristen ansprechen, sondern auch Familien, Jugendliche, Schüler, Studierende, Gruppen, Vereine und Firmen in der ganzen Bevölkerung. Er plant unter anderem Führungen, Workshops, Diskussionsrunden, Filme, Publikationen, Konzerte und sportliche Angebote. So wolle der Kanton den Zugang zum vordergründig «fernen» Thema erleichtern und Anreize schaffen, sich damit zu beschäftigen, teilt er mit.

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