Vom Kindes- bis ins Seniorenalter

Das neue Ärztezentrum im Landi-Neubau am Bahnhof nimmt Form an. Die Suche nach zusätzlichen Hausärzten auch. Dabei zeigt sich die Nähe zu Zürich als Standortnachteil, weil Ärzte dort auch Medikamente abgeben dürfen.

Auf der 600 Quadratmeter grossen Baustelle: Die Geschwister Timo Kunz, Livia Keller und Nico Kunz.Melanie Bär
Auf der 600 Quadratmeter grossen Baustelle: Die Geschwister Timo Kunz, Livia Keller und Nico Kunz.Melanie Bär

«Zwei von fünf Hausärzten im Kanton erreichen bis in fünf Jahren das Pensionsalter», schrieb die «Aargauer Zeitung» Mitte Januar in einem Artikel über den Ärztemangel. Zu ihnen gehören auch die beiden Allgemeinmediziner Hari Zvizdic und Hans Jürg Huber, die in Würenlos seit Jahrzehnten die Praxisgemeinschaft an der Juchstrasse 15 führen. Sie kommunizierten schon vor sechs Jahren, dass ab 2023 eine Weiterführung nach ihrer Pensionierung nicht gesichert ist.

Davon erfuhren auch der Würenloser Vizeammann Nico Kunz und seine Familie. «Seit ich achtzehn bin, ist Hari Zvizdic mein Hausarzt. Ich schätze das Hausarztmodell, der Arzt kennt seine Patienten und ihre Krankheitsgeschichte», sagt er. Aus der Enttäuschung, dass es künftig in Würenlos keine Hausärzte mehr geben könnte, entstand die Idee, etwas dagegen zu unternehmen. Nico Kunz, der mit seinen Geschwistern Timo Kunz und Livia Keller vor sechs Jahren die elterliche Firma übernommen hatte und in die «Kunz Group» überführte, suchte das Gespräch mit den Hausärzten.

Ärztemangel im Furt- und Limmattal

Das brachte die drei Geschwister auf die Idee, unter ihrer Unternehmensgruppe «Kunz Group» eine Gemeinschaftspraxis zu gründen, wo mehrere Ärztinnen und Ärzten angestellt werden – auf Wunsch auch Teilzeit. «Denn es sind nicht nur junge Ärzte, die vermehrt Teilzeit arbeiten wollen, sondern auch ältere ums Pensionsalter herum», weiss Kunz.

Bevor sie den Schritt wagten, machten sie eine Marktanalyse. Diese zeigte auf, dass die ärztliche Versorgung in Richtung Baden/Wettingen und in Regensdorf noch genügend ist, im Furttal bis Regensdorf und im Limmattal bis Unterengstringen respektive auf der anderen Flussseite bis Dietikon jedoch bereits ein Ärztemangel herrscht. Das bekräftigte das Vorhaben der Geschwister, auch wenn sie nie vorhatten, ein Ärztezentrum zu gründen. «Wir finden es wichtig, dass wir in einem Dorf in der Grösse von Würenlos weiterhin eigene Hausärzte haben», sagt Nico Kunz. Die Geschwister gründeten deshalb am 7. Dezember 2020 die Ärztezentrum Würenlos AG. «Es soll eine Familienpraxis sein, wo man vom Kindsalter an bis zum Eintritt ins Pflegeheim bleiben kann.» Zu den bestehenden zwei Hausärzten werden weitere Ärztinnen und Ärzte in der Allgemeinmedizin, der Gynäkologie und der Pädiatrie tätig sein.

Weniger Einzel-, mehr Gemeinschaftspraxen

Ungewöhnlich ist die Schliessung von Einzel- und die Entstehung von Gemeinschaftspraxen nicht. Nach mehrjähriger vergeblicher Suche nach einem Juniorpartner schloss beispielsweise Hausarzt Peter Ackle vor acht Jahren in Neuenhof seine Praxis. Zusammen mit zwei befreundeten und ebenfalls langjährig praktizierenden Hausärztinnen und einem Hausarzt eröffnete er mit ihnen in Baden eine Gruppenpraxis. Mit einer hausärzteeigenen Dienstleistungsfirma gründeten sie damals eine Aktiengesellschaft und mieteten im Badener Langhaus Räumlichkeiten. Das sei der richtige Schritt gewesen, sagt er heute, auch wenn die Praxis mittlerweile an eine Betriebsgesellschaft verkauft worden sei. «Mein Traum wäre gewesen, dass sie von Ärzten weitergeführt wird. Doch wir fanden zu wenig junge Ärzte, die dieses Hausarztideal weitertragen wollten und auch die betriebswirtschaftliche Verantwortung übernehmen und sich langfristig verpflichten wollten», sagt der 69-Jährige.

Verschiedenes Fachwissen gefragt

Für Timo Kunz ist es naheliegend, dass Nicht-Mediziner solche Praxen ins Leben rufen: «Ich glaube, dass für die Gründung einer Praxisgemeinschaft das betriebswirtschaftliche Knowhow fast wichtiger ist als das medizinische. Denn dieses Wissen bringen die Ärzte mit, die sich dadurch ganz aufs Heilen konzentrieren können.» Auf der Suche nach entsprechendem Fachpersonal zeige sich, dass dieses neue Arbeitsmodell, wo Ärztinnen und Ärzte angestellt bleiben, gut ankomme. Vielfach seien sie gar nicht daran interessiert, Arbeitgeber zu sein. «Auf unsere Stelleninserate melden sich erstaunlich viele Interessenten», zieht Nico Kunz positive Bilanz.

Allerdings im Kanton Aargau unter erschwerten Bedingungen: Im Kanton Zürich dürfen in Arztpraxen auch Medikamente abgegeben werden, weil dort die sogenannte Selbstdispensation gilt. Im Aargau hat das Stimmvolk hingegen vor rund neun Jahren eine Initiative abgelehnt, die verlangte, dass Hausärzte ihren Patienten direkt Medikamente abgeben dürfen. «Im Kanton Zürich können Ärzte so zusätzliche Einnahmen generieren», so Kunz Das bekamen sie kürzlich zu spüren, als ein junger Arzt in der Probezeit wieder kündigte, nachdem er ein besser bezahltes Angebot im Kanton Zürich erhalten hatte. «Das ist verständlich, macht es uns als Dorf, das an den Kanton Zürich grenzt, aber natürlich schwierig.» Angestellte Ärzte erhalten bei ihnen wie üblich in der Branche einen Fixlohn, ergänzend dazu erhalten sie anteilsmässig einen Teil des Umsatzes.

Seit Juni 2021 treten die beiden Hausärzte Hari Zvizdic und Hans Jürg Huber sowie Gynäkologin Franziska Tschopp in ihrer Praxis an der Juchstrasse 15 bereits als Ärztezentrum Würenlos auf. Wenn im Januar die Praxis im Neubau an der Grosszelgstrasse 18 parat ist, werden sie von der Juchstrasse 15 ins Gewerbegebäude der Landiziehen und als angestellte Ärzte arbeiten. Bis dahin gibt es für die Kunz-Geschwister allerdings noch viel zu tun.

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