«Ausländer ecken an, ohne zu wissen, warum»

Die Würenloserin Karin Egloff organisiert einen Kurs um Asylsuchenden die Schweizer Gepflogenheiten näher zubringen. Denn oftmals führt Unwissenheit zu Missverständnissen.

Standortleiterin Karin Egloff (3. v. l.) <em>am dritten Kursmorgen mit fünf Teilnehmerinnen.Melanie Bär</em>

Standortleiterin Karin Egloff (3. v. l.) <em>am dritten Kursmorgen mit fünf Teilnehmerinnen.Melanie Bär</em>

Teilnehmer <em>Fahr Hejjazi am Alphorn.</em>

Teilnehmer <em>Fahr Hejjazi am Alphorn.</em>

Das Alphornspielen <em>sorgte bei den Teilnehmenden für Lacher.</em>

Das Alphornspielen <em>sorgte bei den Teilnehmenden für Lacher.</em>

Es ist Mittwochmorgen, kurz nach neun Uhr. Im Saal der Freien Evangelischen Gemeinde (FEG) sitzen etwa 30 Erwachsene an Tischen und reden miteinander. Nach und nach treffen weitere Migranten ein.

«Haben alle ein Handout?», fragt Standortleiterin Karin Egloff bei der Begrüssung und verteilt das zehnseitige Dokument. Dann ergreift Kursreferentin Kathrin Wagner das Wort: «Vieles ist auf der ganzen Welt gleich. Aber es gibt auch Unterschiede und darum geht es heute.»

Die Schweiz und ihre Kultur verstehen

Es ist der dritte Morgen, den die Flüchtlinge zusammen verbringen, um die Schweizer Kultur kennenzulernen. An den ersten beiden Morgen erklärten die Kursleiter die Umgangsformen in der Schweiz, die Demokratie, den öffentlichen Verkehr, das Gesundheitswesen und den Umgang mit Alkohol.

Heute wird über die Rolle von Mann und Frau sowie Sonn- und Feiertage gesprochen. Kathrin Wagner will von den Neuankömmlingen wissen, wie sie es interpretieren, wenn ihnen jemand in die Augen schaut, sie anlächelt.

Im Raum wird es plötzlich laut. Nicht weil die Teilnehmer Antwort geben, sondern weil die Übersetzer Wagners Worte ins Arabische, Persische, Kurdische und Tigrinische übersetzen.

Niemand will sich dazu äussern, sondern lieber Wagners Antwort abwarten. «Augenkontakt bedeutet in der Schweiz Höflichkeit und Respekt, Lächeln Freundlichkeit und Anstand. Es bedeutet nicht, dass man an einer Liebesbeziehung interessiert ist.»

Privatpersonen haben das Projekt ins Leben gerufen

Der Kurs ist ein Angebot der «Kulturschule», die im Jahr 2014 von Privaten im Kanton Bern ins Leben gerufen wurde. Aus den Erfahrungen, die sie während jahrelanger Arbeit in Asylunterkünften gesammelt haben, wurden die Themen für den Kursinhalt zusammengestellt.

Die daraus entstanden Lehrmittel werden an den mittlerweile zwölf Standorten zur Verfügung gestellt. Die Kurse werden von Freiwilligen durchgeführt. Die Teilnehmer bezahlen für drei Kurshalbtage fünf Franken.

Während der Kurs im Kanton Bern recht gut etabliert sei und von fast allen besucht wird, die das Asylverfahren durchlaufen, wurde im Kanton Aargau letztes Jahr die erste «Kulturschule» in Brugg angeboten.

Unwissenheit führt zu Missverständnissen

Auch für die Standortleiterin in Wettingen, Karin Egloff, ist es Neuland. Ihr Ziel: «Wer weiss, wie man in der Schweiz lebt, kann sich besser integrieren und fühlt sich wohler.»

Oftmals sei es Unwissenheit, die zu Missverständnissen führe. «Ausländer ecken aufgrund der Kulturunterschiede an, ohne zu wissen, warum.» Indem sie in den Kursen über die Gepflogenheiten in der Schweiz aufgeklärt würden, bekämen sie die Chance, sich entsprechend verhalten zu können und weniger in einen Konflikt zu geraten.

Eine Stunde ist vorbei, der Saal ist gefüllt. Die 9 Männer und 27 Frauen wurden nicht nur über den Umgang mit dem anderen Geschlecht aufgeklärt, sondern auch darüber, wie man sich in der Schweiz kleidet, wo man sich Hilfe holen kann oder dass Zwangsheirat verboten ist.

Mit dem Alphorn die Kultur erleben

Nach einer kurzen Pause wird es laut im Saal: Kursreferent Michel Koller hat ein Alphorn mitgebracht. Er klärt die Teilnehmer nicht nur über hiesige Feiertage, Religion und Traditionen in der Schweiz auf, sondern lässt die Anwesenden ins Alphorn blasen. Das Angebot wird rege genutzt und sorgt für viel Gelächter.

Standortleiterin Karin Egloff freuts. Später sagt sie, dass auch die Beziehungspflege, das Miteinander und der Austausch zwischen Asylsuchenden und Schweizern ein wichtiger Aspekt dieses Projekts sei.

Sie hofft, dass sich der Kurs in der Region etabliert und er von den Asylsuchenden so schnell wie möglich nach Ankunft in der Schweiz besucht werden kann. Sie will das Angebot deshalb bekannt machen und auch mit Behörden zusammenarbeiten.

Kultur und Sprache kennen, um eine Arbeit zu finden

«Es muss in unserem Interesse sein, dass Asylsuchende unsere Kultur und Sprache lernen und so später auch arbeiten können und uns nicht mehr auf der Tasche liegen», sagt Helfer Marcel Lenzin.

Im Moment ist die Würenloserin Karin Egloff bei den Behörden noch nicht auf grosses Interesse gestossen. Ob es daran liegt, dass das Kursangebot in der Region noch nicht so bekannt ist oder weil es nicht von offizieller Seite, sondern von Privaten initiiert wurde und die Räumlichkeiten häufig von Kirchen zur Verfügung gestellt werden?

«Auch wenn viele der ehrenamtlichen Helfer aus Kirchenkreisen kommen und aus Nächstenliebe handeln: Wir sind konfessionsneutral und vermitteln keine christlichen, sondern kulturelle Inhalte. Es soll ein Dienst an Mitmenschen sein, von dem nicht nur die Asylsuchenden, sondern auch die Schweizer profitieren.»

 

Infos: www.kultur-schule.ch.

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