«Die Visitenkarte einer Gemeinde»
Wohnen und arbeiten gleich beim Bahnhof Wettingen soll bald Realität werden. An der Vernissage des Projektwettbewerbs der SBB im Foyer des Tägi gab es einen Einblick, wie das Areal direkt am Gleis in Zukunft aussehen könnte.
Der Bahnhof nahe der Klosterhalbinsel ist mit bis zu 6000 Pendlerinnen und Pendlern ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Wettingen – auch wenn das eigentliche Dorfzentrum entlang der Landstrasse liegt. Flaniert man heute den Gleisen entlang, so dominieren Parkplätze und das Gelände wirkt grau und eher verlassen. Dies soll sich nun endlich ändern: «Das Ziel der SBB ist es, auf dem Areal ein Wohn- und Arbeitsquartier zu schaffen», sagt Rahel Schönthal, Projektleiterin SBB. Rund 110 Wohnungen sollen entstehen, hinzu noch 5000 Quadratmeter Gewerbefläche, die für eine Belebung des Areals beitragen sollen.
Bereits 2010 wurde eine Testplanung ausgearbeitet, im September 2021 folgte dann ein Projektwettbewerb mit sechs Planungsbüros. An der Vernissage im Foyer des Tägi am vergangenen Donnerstag wurden die Resultate des Wettbewerbs nun vorgestellt: «Nach vielen Planungsjahren ist dies ein grosser Meilenstein für die Gebietsentwicklung des Bahnhofareals in Wettingen», freut sich Schönthal. Obwohl der Planungsperimeter sehr eng gesteckte Vorgaben aufweist, sind durch die Planerteams überaus spannende und differenzierte Beiträge eingereicht worden.
Vom Bummler zum Schnellzug
Dass es bei der Gestaltung des Bahnhofareals endlich vorwärtsgeht, freut auch Gemeindeammann Roland Kuster bei seiner Ansprache vor den zahlreich erschienenen Gästen: «Der Bahnhof ist die Visitenkarte einer Gemeinde.» Deshalb sei es umso schöner, dass sich die Grundeigentümer zusammengetan haben, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Allerdings kam das Projekt zu Beginn nur schwer in die Gänge, «als Rahel Schönthal das Zepter übernahm und Lokführerin wurde, haben wir vom Bummler in den Schnellzug gewechselt», so Kuster über das Engagement der SBB-Projektleiterin. «Ich bin sehr stolz, dass ich das Projekt in meiner Amtszeit auf den Weg schicken darf.»
Siegerprojekt von Badener Architekten
Bei einem Rundgang durch die verschiedenen Projekte stellte diese Christian Höngger, Architekt und Vorsitzender der Jury, jeweils vor und hob deren Eigenheiten hervor. «Zu Beginn dachten wir, das sei ein relativ einfacher Wettbewerb – doch bald stellten wir fest, dass es sich um eine komplexe Aufgabe handelt.» Gerade die Lärmbelastung durch die Bahntrassees stellt hohe Anforderungen an die geplanten Neubauten, zudem sollen diese dem Bahnhofareal einen städtischen und quartierprägenden Charakter verleihen und gleichsam Freiräume und Grünflächen schaffen. Auch achtete die Jury bei der Beurteilung auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Am meisten zu überzeugen vermochte dabei das Projekt «Stadtlaube» vom Badener Büro Burkard Meyer Architekten. Dieses sieht zwei langgezogene, fünfstöckige Wohnbauten mit Dienstleistungs-, Retail- und Gastronomieflächen in den unteren Geschossen sowie ein viergeschossiges Dienstleistungsgebäude vor.
Geplant sind 2,5- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen mit privaten Aussenbereichen, die durch gemeinschaftliche Dachterrassen ergänzt werden. Die neue Güterstrasse soll künftig als Spielstrasse genutzt werden, historische Bahnbauten wie die Lokremise, der Güterschuppen oder die Drehscheibe inklusive Zufahrtsgleis bleiben erhalten.
Grün über alles
Ausschlag für den Sieg gaben laut Höngger sowohl die städtebauliche Prägnanz und die architektonische Erscheinung als auch vielfältig gestaltete Grünräume, die als sozialer Treffpunkt dienen und zur Belebung des Quartiers beitragen werden. «Wir stellten uns die Frage, wie man heute an dieser Stelle Architektur machen kann, die Nachhaltigkeit verspricht und sichtbar macht», erklärt Höngger. Dies hätte zwar auch das zweitplatzierte Projekt «SIIIIIIIIIIIB» der Stoos Architekten AG gut umgesetzt – ihre Visualisierungen zeigen nicht nur eine begrünte Fassade, auch die Gleise sind mit saftigen Wiesen überzogen und von Büschen umgeben. «Wir müssen uns immer fragen, ob es eine baumögliche Realität ist oder eher eine schöne Vision», und dies gehöre wohl eher zur letzteren Kategorie.
Zwar gebe es auch beim Siegerprojekt – gerade in Hinblick auf den Lärmschutz – noch Überarbeitungspotenzial, doch «die Qualitäten des Projekts können für die Weiterentwicklung übernommen werden.»