Dieser Würenloser fasst überall auf der Welt Fuss

Peter Camenzind (66) ist leidenschaftlicher Marathonläufer. Der Laufsport hat ihn schon um die ganze Welt gebracht und ermöglichte ihm sogar ein Treffen mit Nelson Mandela.

Peter Camenzind beim Training in Würenlos. Er geht jeden Tag laufen, egal wie das Wetter ist. (Barbara Scherer)

Peter Camenzind beim Training in Würenlos. Er geht jeden Tag laufen, egal wie das Wetter ist. (Barbara Scherer)

Laufen gebe ihm ein Glücksgefühl.

Laufen gebe ihm ein Glücksgefühl.

Peter Camenzind weiss, er will noch bis 80 laufen.

Peter Camenzind weiss, er will noch bis 80 laufen.

 Im Treppenhaus stehen haufenweise Schuhe – darunter erstaunlich wenige Turnschuhe. Peter Camenzind öffnet mit einem breiten Lächeln die grüne Wohnungstür. Noch trägt er Jeans und Karo-Hemd. Es ist neun Uhr: Die Digitaluhr an seinem Handgelenk piepst, sein tägliches Training beginnt erst in einer Stunde.

Der 66-Jährige ist Marathonläufer und wohnt seit einem Jahr in Würenlos. Anfang November hat Camenzind den New York Marathon in seiner Alterskategorie gewonnen. Von gesamthaft 50646 klassierten Läufern schaffte er es auf Platz 1283. Dabei liefen in New York auch Spitzenläufer aus der ganzen Welt mit. «Das ist das Schöne am Marathonlaufen, man kann sich mit den Besten messen», sagt Peter Camenzind.

Laufen - weil es einfach ist

In der Wohnung setzt Camenzind als Erstes heisses Wasser auf. Aus einer grossen Schublade voller Teebeutel holt er sich einen Ingwertee heraus. Mit der dampfenden Tasse in der Hand nimmt der grossgewachsene Mann schliesslich am Holztisch in seinem Wohnzimmer Platz.

Den Laufsport begann er erst mit dreissig Jahren. «Das war das einfachste Hobby neben der Arbeit und der Familie», sagt Camenzind. Die Digitaluhr piepst. Joggen, das geht schliesslich jederzeit und überall.

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Grundsätzlich sei es aber ein später Karrierestart gewesen. Während die jugendlichen Läufer eine richtige Ausbildung absolvieren, hat Camenzind einfach seine Schuhe geschnappt und angefangen zu laufen. «Ich habe dann gemerkt, dass es ziemlich gut läuft.» Dabei gebe ihm das Laufen ein Glücksgefühl. Es gebe nichts Schöneres für ihn, als bei jeder Jahreszeit durch die Natur zu laufen.

Sport trotz Lungenerkrankung

Bevor Camenzind mit dem Laufen angefangen hat, zog es ihn oft auf die Langlaufloipe. Sport habe er immer gerne gemacht und das, obwohl bereits früh ein Schatten auf seiner Lunge festgestellt wurde. Als jüngstes Kind einer Innerschweizer Bergbauernfamilie hätte er fit für einen langen Schulweg sein sollen. Doch auf ärztliche Empfehlung wurde ihm der zweistündige Fussmarsch ins Tal verboten und die Familie zog ins Dorf.

Gemerkt habe er von dieser Kondition aber nie etwas. Nachdenklich blickt Camenzind über die dicken Ränder seiner Brille. «Zwar habe ich erst vor ein paar Jahren einen Lugentest gemacht. Das Ergebnis war katastrophal.» Deshalb sei er wohl auch stark im Marathon und nicht im Sprint. «Um schnell auf kurze Strecken zu sein, braucht man einfach mehr Luft.» Die Uhr piepst. Camenzind drückt den Teebeutel aus und nimmt einen Schluck.

Bis vor einem Jahr arbeitete und lebte der gelernte Metallschlosser im Kanton Zürich. Dreissig Jahre seiner Karriere verbrachte Camenzind auf Baustellen. Die letzten zehn im Büro. «Da habe ich plötzlich gemerkt, dass ich extra trainieren muss. Vorher konnte ich meine Muskeln automatisch während der Arbeit aufbauen.» Dank der jahrelangen körperlichen Arbeit habe er sich wohl auch wenig verletzt. Mit dem Wechsel ins Büro kam der zusätzliche Aufwand: Jeden Tag nach der Arbeit rannte Camenzind seine Runden.

Laufsport bis ins hohe Alter

Seit einem Jahr ist der leidenschaftliche Läufer nun pensioniert – geändert hat sich nicht viel. «Jetzt kann ich einfach bei Tageslicht trainieren.» Camenzind lächelt. Seine Armbanduhr piepst. Für ihn steht fest, er möchte noch bis achtzig Marathon laufen.

«Laufsport ist generell bis ins hohe Alter möglich», bestätigt Markus Renggli, Sportmediziner aus Baden. Wichtig sei bei Langstreckenläufen ein guter Aufbau. «Werden Intensität und Streckenlänge zu rasch gesteigert, kommt es mit Sicherheit zu Überlastungsbeschwerden an Hüfte, Knien oder Füssen.» Kein Problem für Peter Camenzind: Seit seiner Pension hat er genügend Zeit für ein aufbauendes Training.

Die Liebe brachte ihn nach Würenlos

Nach Würenlos ist der Marathonläufer wegen seiner Lebenspartnerin Maggy Kläusler gezogen. Sie betreibt keinen Laufsport, unterstützt Camenzind aber in seiner Marathonkarriere. «Er ist ein unkomplizierter Mensch und liebt sein Hobby, das merkt man», sagt Kläusler und hält kurz inne. Dann korrigiert sie: «Laufen ist mehr als ein Hobby für Peter, es ist fast ein Lebensinhalt.» Kläusler stört das aber nicht. Sie schätze die Zeit alleine.

Dank Camenzinds Marathonkarriere kam sie auch um die Welt: In Paris und Südafrika sei sie schon dabei gewesen. Immer reist Kläusler aber nicht mit, das wäre ihr dann doch zu viel. Denn Peter Camenzind ist fast überall auf dieser Welt gerannt, ob in japanischer Berglandschaft, auf betonierten nordamerikanischen Strassen oder am «Comrades Marathon» in Südafrika.

An letzteren Lauf hat Camenzind besonders gute Erinnerungen: 1997 traf er als Neunter und Sieger seiner Alterskategorie den ehemaligen Präsidenten Nelson Mandela. Zwar habe Camenzind sich nicht mit ihm unterhalten können. Sein Englisch sei sehr schlecht. Aber: «Mandela hatte so eine Ausstrahlung und Wärme, so etwas habe ich noch nie erlebt.» Camenzind lächelt. Die Uhr piepst. Seither rannte der Schweizer schon fünfzehnmal am «Comrades Marathon» mit. Und bereits steht fest, er wird auch nächstes Jahr wieder nach Südafrika reisen, um zu laufen.

Camenzind blickt auf seine Uhr: Es ist Zeit für sein Training. Er verschwindet im Nebenzimmer und kommt in engen Laufhosen und roter Nike-Jacke wieder zurück. In der Hand hält er seine Laufschuhe. Die Uhr piepst. Camenzind schnaubt; die Uhr piepse nur, weil sie noch mit dem Handy verbunden sei. Er kappt die Verbindung. Ruhe. Jetzt ist es Zeit, den Puls zu messen.

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