Es sind genügend Schutzräume vorhanden
Seit Kriegsausbruch will die Bevölkerung vermehrt wissen, wo sich im Notfall ihr Schutzraum befindet. Nicht alle sind damit zufrieden.
Als nach der kriegsbedingten Angst vor einem atomaren Angriff in den Medien die Frage gestellt wurde, ob in der Schweiz genügend Schutzräume vorhanden sind, wurde die Zivilschutzorganisation Wettingen-Limmattal regelrecht überrannt. Zwischen 100 und 200 Personen wollten wissen, in welcher Zivilschutzanlage sie im Notfall untergebracht würden. «Normalerweise fragen 10 Personen pro Jahr an – wenn überhaupt», sagt Ronny Wasem, Kommandant der Zivilschutzorganisation Wettingen-Limmattal.
Er kann die Bevölkerung beruhigen: In allen Limmatwelle-Gemeinden hat es genug Plätze für alle Einwohner. Einerseits werden die Einwohner in den öffentlichen Zivilschutzanlagen untergebracht und andererseits in den Luftschutzkellern, die sich in den Privatliegenschaften befinden.
Nicht alle waren mit der Einteilung zufrieden. «Ich kann verstehen, dass man nicht beim Nachbarn untergebracht werden will, wenn schon jetzt zwischenmenschliche Probleme bestehen», sagt Wasem. Er hat diese Personen an den Kanton verwiesen, der die Einteilung vornimmt.
Unterschiedlich viele Schutzräume
In den Limmatwelle-Gemeinden gibt es Unterschiede, was die Anzahl Schutzräume betrifft: Während in Wettingen und Würenlos ein Deckungsgrad von 110 Prozent oder mehr besteht, liegt er in Spreitenbach zwischen 100 und 109 Prozent und in Neuenhof und Killwangen nur knapp über 100 Prozent.
Als Folge kann in Wettingen und Würenlos bei Neubauten die Befreiung vom Schutzraumbau beantragt werden. Stattdessen zahlt die Bauherrschaft 400 Franken Ersatzbeitrag pro erforderlichem Schutzplatz. Wer hingegen in Neuenhof, Killwangen oder Spreitenbach ein Wohnhaus mit mehr als 38 Zimmern baut, muss einen Schutzraum erstellen. Ausnahmefälle sind Bauten, bei denen aus bautechnischen Gründen, also beispielsweise ohne Kellergeschosse, keine Schutzräume gebaut werden können. Auch hier gilt jedoch der Ersatzbeitrag in der Höhe von 400 Franken pro erforderlichem Schutzplatz.
Wöchentliche Veränderungen
Wasem konnte alle Anfragen beantworten und den Personen mitteilen, in welcher Unterkunft sie zu diesem Zeitpunkt untergebracht würden. Allerdings ohne Gewähr. «Die Schutzraumordnung findet im Kanton Aargau dynamisch statt. Das bedeutet, dass das System wöchentlich neu berechnet wird und sich entsprechend verändert.» Es kann also sein, dass eine Person, die Stand heute im Luftschutzkeller des Nachbars untergebracht würde, bei einem Ernstfall eine Woche später anderswo einziehen muss.
Der Grund dafür liegt bei den Zu- und Wegzügen. «Diese Veränderungen führen zu Anpassungen bei der Zuteilung», so Wasem. Es wird darauf geachtet, dass Personen, die im gleichen Haushalt leben, auch im gleichen Schutzraum Zuflucht finden.
Bevölkerung wird mittels Hausanschlag informiert
Im Notfall bekäme Wasem von der Abteilung Bevölkerungsschutz eine aktuelle Liste und müsste die Einwohner darüber informieren. Im Gegensatz zu anderen Kantonen erfolgt dies im Aargau nicht online, sondern schriftlich. «Der Zivilschutz müsste die Adressenlisten ausdrucken, die dann an jedem Wohnhaus angebracht würden», sagt Kommandant Wasem.
Ist dieses zeitaufwendige System noch zeitgemäss? Wasem will sich nicht dazu äussern. Auf Nachfrage beim zuständigen Departement Gesundheit und Soziales begründet die Kommunikationsabteilung: «Der Hausanschlag hat den Vorteil, dass er auch bei Strom- und Internetausfall funktioniert. Die zeitliche Vorgabe für den Schutzraumbezug beträgt fünf Tage, womit genug Zeit für die Umsetzung bleibt.» Allerdings seien weitere Informationskanäle wie Post, Abfrage auf Webseiten etc. in Prüfung.
Gemäss Medienberichten stehen schweizweit 360 000 Schutzräume, davon 5100 in öffentlichen Anlagen und der Rest in Privatliegenschaften, zur Verfügung. Insbesondere bei letzteren entspricht der Zustand nicht immer den Anforderungen, weiss Wasem. Alle zehn Jahre werden diese von den Zivilschützern überprüft. «Vom umgewandelten Weinkeller bis zum Abstellraum haben wir schon alles gesehen», sagt er. So lange die Schutzfunktion gewährleistet sei, die Türe geschlossen werde könne und Überfülldruck sowie Ventilator funktionierten, könne er ein Auge zudrücken. Ansonsten muss rückgebaut werden. «Auch wenn ich hoffe und davon ausgehe, dass wir sie trotz Krieg in der Ukraine nicht brauchen werden.»
Mittlerweile sind auch die Anfragen nach den Schutzräumen beim Zivilschutz wieder rückläufig. «Wöchentlich erhalten wir noch etwa 20 bis 50 Anrufe deswegen», so der Kommandant. So bleibt den Zivilschützern Zeit für anderes. Nächste Woche unterstützen sie beispielsweise die Bewohnerinnen und Bewohner des Alterszentrums St. Bernhard beim Umzug in den Neubau, der in der Nähe der ZSO-Räumlichkeiten liegt.