«Ich habe Neuenhof viel zu verdanken»

Morgen wird Raffaele Briamonte das Gemeindehaus zum letzten Mal als Neuenhofer Gemeindeschreiber betreten. Nach 25 Jahren wechselt er Anfang Mai nach Oetwil in den Kanton Zürich.

Raffaele Briamonte an seinem Arbeitsplatz im Neuenhofer Gemeindehaus. zVg
Raffaele Briamonte an seinem Arbeitsplatz im Neuenhofer Gemeindehaus. zVg

Wie geht es ihm, so kurz vor dem Abschied im Gemeindehaus, wo sich sein ganzes bisheriges Berufsleben abgespielt hat? «Erstaunlich gut», antwortet Raffaele Briamonte und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: «Doch die Mitarbeitenden und die Bevölkerung werde ich schon vermissen.»

Einige von ihnen hat er 1997 als Lernender kennengelernt, als er in der Gemeinderverwaltung als 16-Jähriger seine kaufmännische Lehre startete. Damals ahnte er nicht, dass er diesen Arbeitsort 25 Jahre später in der Funktion als Gemeindeschreiber und Vorsitzender der Geschäftsleitung verlassen wird. Der Schritt vom Lernenden zum Verwaltungsangestellten und schliesslich zum Vorgesetzten sei ihm gut gelungen, auch wenn es dabei spezielle Situationen gegeben habe. «Etwa, als ich 2012 zum Gemeindeschreiber und Abteilungsleiter befördert wurde und plötzlich das Qualigespräch mit meinem ehemaligen Lehrverantwortlichen führen musste», sagt der 40-Jährige.

Dank an die Neuenhofer Bevölkerung

Er gehe sehr zufrieden, sagt er während des Abschlussinterviews mehrmals. «Denn ich habe Neuenhof viel zu verdanken.» Auch wenn er nicht gerne im Mittelpunkt stehe, so hätte er sich trotzdem gerne persönlich bei der Bevölkerung bedankt und verabschiedet. Weil vor seinem Wechsel jedoch keine öffentliche Gemeindeveranstaltung mehr stattfindet, will er das hiermit tun: «Neuenhof ist eine Kämpfergemeinde. Ich bin dankbar und stolz, dass ich hier arbeiten durfte. Hier sind meine Wurzeln.» Auch wenn ihm die Neuenhofer diesbezüglich einen nicht ganz ernst gemeinten Wunsch selbst nach 25 Dienstjahren nicht erfüllt haben: ihn als Ortsbürger aufzunehmen. «Ein Briamonte würde den Ortsgeschlechtern wie beispielsweise Benz und Berz gut tun. Das habe ich den Ortsbürgern an ihren Versammlungen immer wieder vorgeschlagen», sagt er und lacht.

Lieber Menschen als Zahlen

Briamonte habe nie vorgehabt, 25 Jahre in Neuenhof zu bleiben. Bei der Berufsfindung interessierte er sich anfänglich für eine kaufmännische Ausbildung bei einer Bank. Schliesslich entschied er sich dann aber für die Gemeindeverwaltung in Neuenhof. Mit ein Grund war die Nähe zum Wohnort im gleichen Dorf. Das war die richtige Entscheidung, weiss er heute. «Denn ich bin ganz und gar kein Zahlenmensch, für mich sind Menschen wichtig.»

Die Bevölkerung im Dienste der Gemeinde zu unterstützen, erfülle ihn auch heute noch. Dass er seiner Berufung so lange in Neuenhof nachging, hatte mit den immer neuen Herausforderungen zu tun. «Es gab immer ein neues Ziel, das ich erreichen wollte und mich dazu bewog, hier zu bleiben.» Als Beispiele nennt er – nebst seinen Weiterbildungen – die Verwaltungsreorganisation, die Fusionsabsichten mit Baden, den Finanzausgleich oder «ganz einfach die tolle Arbeit.» Briamonte fügt an: «Neuenhof hat zu unrecht keinen guten Ruf. Ich habe mich mit beiden Händen dafür eingesetzt, dass Neuenhof als fortschrittliche, moderne Gemeinde wahrgenommen wird.»

Sich jetzt einer neuen Herausforderung zu stellen, sei der Grund für den Job-Wechsel von Neuenhof nach Oetwil: andere Gesetze aufgrund des Kantonswechsels und noch mehr Nähe zur Bevölkerung wegen der Grösse. Oetwil hat rund einen Drittel weniger Einwohner als Neuenhof.

Flair für Menschen und Soziales

Die Frage nach den Höhepunkten will Briamonte nicht beantworten. Er möchte kein einzelnes Projekt hervorheben, sondern die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. «Als Gemeindeschreiber muss man Menschen mögen.» Deshalb habe er sich besonders gerne für soziale Projekte eingesetzt. Briamonte hat sich beispielsweise stark gemacht, Sozialhilfebezügern bei der Gemeinde Teilzeitstellen anzubieten. Damit soll ihnen die Wiedereingliederung im Arbeitsmarkt leichterfallen. «Als Sohn einer Arbeiterfamilie ist es mir ein Anliegen, dass auch Menschen, die es im Leben nicht einfach haben, eine Plattform erhalten.»

Nach der Schattenseite seines Berufs gefragt, antwortet Briamonte ohne zu zögern: «Es fiel mir manchmal schwer, mich abzugrenzen.» Er habe lernen müssen, damit umzugehen, dass er auch in seiner Freizeit in der Rolle des Gemeinschreibers wahrgenommen werde. «Bei der Metzgete des Männerchors, an der Theateraufführung oder am Dorffest freundlich darauf hinzuweisen, dass ich als Privatperson da bin, fiel mir am Anfang schwer.» Das sei auch der Grund für den Wohnortwechsel nach Würenlos gewesen, wo er mit seiner Familie seit sieben Jahren wohnt und bald in ein eigenes Haus zieht.

Lieber im Fussball als im Garten

Seine Eltern hingegen wohnen immer noch in Neuenhof. Sein Vater, ein gebürtige Italiener, und seine Mutter, die bei einer Gärtnerei in der Nähe des Wettinger Klosters aufwuchs, pflegen im Dorf zwei Schrebergärten. Obwohl er als Kind mithelfen musste, die Passion für den Garten hat ihr Sohn nicht geerbt. Er hält sich lieber beim Laufen in der Natur auf oder besucht mit seiner 12-jährigen Tochter, dem 8-jährigen Sohn und seiner Frau einen Match des Fussballclubs Zürich. «Ich war schon immer mehr Richtung Zürich als nach Aarau orientiert», begründet er die Club-Wahl.

Ab Mai wird er sich als Gemeindeschreiber von Oetwil noch mehr dem Nachbarkanton zuwenden. «Bisher kenne ich dort vor allem die guten Einstiegsplätze in die Limmat. Wir sprangen ins Wasser, um mit dem Schlauchboot nach Neuenhof zu schwimmen.» Schon bald wird das nicht mehr das Einzige sein, was er in Oetwil kennt.

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