Ihre Garage wird zum Sammelpunkt
Goscha Zaranska aus Killwangen sammelt Hilfsgüter für Menschen aus der Ukraine. Sie ist überwältigt, was ihr Aufruf bewirkt hat.
Kartonschachteln und Berge von Säcken türmen sich auf dem Garagenplatz von Goscha Zaranska an der Rütihaldenstrasse 32 in Killwangen. Nachbarskinder und Nachbarn helfen der 45-Jährigen, die Sachen zu sortieren und die verpackten Güter in einen Transporter zu befördern. Immer wieder fahren Autos vor. Abgeliefert werden Windeln, Schuhe, Kleidung und vieles mehr.
«Ich schreibe die Kisten auf Polnisch, Englisch und Deutsch an, damit die Leute wissen, was drin ist. Ich wollte alles schön ordnen, doch langsam habe ich den Überblick verloren», sagt Goscha Zaranska. Sie habe nicht damit gerechnet, dass ihr Aufruf so viel Solidarität auslöse.
Mithilfe eines Flyers brachte sie die Aktion ins Rollen
Seit dem 2. März sammelt sie vor ihrer Garage Hilfsgüter für die Menschen aus der Ukraine. «Es ist kaum zu glauben, dass der Krieg ausgebrochen ist. Die Bilder von tausenden hungrigen ukrainischen Frauen und Kindern, die nur mit einem kleinen Gepäck zu Fuss die Grenze zu Polen überschreiten, machen mich sehr betroffen. Ich möchte als alleinerziehende Mutter auch etwas dazu beitragen, um meinen ukrainischen Schwestern und Brüdern zu helfen», sagt die gebürtige Polin. Kurzerhand rief sie mithilfe eines Flyers ihre Freunde und Bekannten auf, Hilfsgüter bei ihr vorbeizubringen. «Jeder, der sich beteiligen möchte, kann in den nächsten Wochen Sachspenden in meine Garage bringen. Die Türe bleibt jeden Tag bis um 19 Uhr offen.»
Waren werden an polnische Städte verteilt, die Flüchtende aufnehmen
Unterstützt wird Zaranska von der Gemeinde Killwangen. «Sie haben mir einen Raum zur Verfügung gestellt, wo ich die Güter, die nicht mehr in meiner Garage Platz haben, lagern kann.» Abgeholt werden die Sachen vom St.-Nicolas-Verein, der sich seit Jahren wohltätig für die Ukraine einsetzt. «Die Güter werden nach Polen in grosse Zentren gebracht, dort weiter sortiert und an verschiedene polnische Städte verteilt, die ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. Es gibt bereits über 1 Million Flüchtlinge in Polen, jede Hilfe zählt», sagt Zaranska.
Auch Geldspenden seien willkommen, jedoch seien Hilfsgüter aktuell wichtiger. «Die Dinge sind zwar günstiger in Polen, doch vieles ist bereits ausverkauft.» Kleidung und Medikamente habe sie genug erhalten. Gut gebrauchen könne sie weiterhin Babynahrung und -pflege, Hygieneartikel, Esswaren, Schlafsäcke oder Taschenlampen.
Der Krieg in der Ukraine macht Zaranska fassungslos. «Ich habe lange für ein internationales Unternehmen in der Schweiz gearbeitet und bin geschäftlich oft in die Ukraine gereist.» Dort habe sie eine Beziehung zum Land und zu ihren ukrainischen Arbeitskollegen aufgebaut.
Sie denkt an ukrainische Freunde, die nun in Bunkern ausharren
«Meine Gedanken sind bei meinen Freunden. Menschen, die wie ich jeden Tag ins Büro arbeiten gingen, einen guten Job und ein normales Leben hatten und nun in einem Bunker ausharren oder mit ihren kleinen Kindern über die Grenze flüchten müssen.» Das sei auch das, was sie antreibe, diese Aktion zu leiten. «Und auch das enorme Echo, das mein Aufruf ausgelöst hat, motiviert mich. Ich stehe den ganzen Tag unter Strom, vergesse sogar zu essen», sagt Zaranska und lacht.
Ihr Flyer wurde in den sozialen Medien zahlreich geteilt. Ihr Aufruf landete sogar im Radio Argovia und in der «Aargauer Zeitung». «Eine Dame hat mich besucht, die von ihrer Tochter, die in Südafrika lebt und die Zeitung liest, auf meine Aktion aufmerksam wurde.» Zaranskas Garagenplatz gleicht an diesem Mittag einem Ameisenhaufen. Autos halten vor der Garage. Personen aus Killwangen und der Region stellen Säcke und Schachteln ab. So etwa Igor Habijanovic aus Wettingen, der Babykleider, Tücher und Zündhölzer abliefert. «Meine Frau hat auf Facebook von der Aktion erfahren. Es ist wichtig, Soforthilfe zu leisten. Wir stammen aus Kroatien und haben in den 1990er-Jahren unsere Landsleute im Jugoslawienkrieg ebenso mit Spenden unterstützt.»
«Die Leute kommen teilweise auch aus Frick, Aarau oder Remetschwil. Manchmal kenne ich die Gemeinden nicht einmal», sagt Zaranska und lacht. Zudem lerne sie neue Nachbarn kennen. «Sie schauen vorbei und bieten mir Hilfe beim Sortieren an. Einige sind bis um 21 Uhr nachts geblieben, um mich zu unterstützen.» Die Ohnmacht und die Fassungslosigkeit über den Krieg in der Ukraine schafften einen starken Zusammenhalt der Menschen hier im Limmattal, sagt Zaranska. «Neben all dem Schrecklichen zeigt das, dass wir Menschen auch zu Gutem fähig sind.»