Seine Legehennen haben Gottis und Göttis
Reto Lienberger bietet Patenschaften mit Hennen aus seinem Hühnermobil in Spreitenbach an. Die Paten können ihre Tiere taufen und kriegen jeden Monat 25 frische Eier.
Was haben Kaiserin Sissi, Omicron und Nemo gemeinsam? Sie alle leben im Hühnermobil der Familie Lienberger in der Nähe der Autobahn in Spreitenbach. Auf einem Landstück bei den Familiengärten halten die Bauern 380 Legehennen. 18 von ihnen haben aktuell ein Gotti oder einen Götti und tragen deshalb einen Namen. «Als Pate darf man das Huhn aussuchen und taufen. Zusätzlich erhält man ein Zertifikat und wird mit seinem Huhn auf der Patentafel am Hühnerstall erwähnt», erzählt Reto Lienberger. Die Besitzer des Zertifikats dürfen monatlich 25 Eier im Buurelädeli im Obstgarten der Lienbergers abholen und ihr Huhn immer wieder besuchen. Dafür zahlen sie pro Jahr 240 Franken. «Und diejenigen, die sich für Güggel-Gleichberechtigung einsetzen, dürfen auch Güggelgotti oder -götti werden und mit einem Betrag von 50 Franken im Jahr das Futter für das Tier übernehmen», sagt Lienberger. Der Güggel habe für Bauern keinen wirtschaftlichen Nutzen. Doch Lienberger findet: «Auch ein Güggel gehört in die Hühnerschar. Vor allem, wenn sich die Tiere draussen aufhalten, nimmt er eine Schutzfunktion ein. Er beobachtet den Luftraum und schlägt zum Beispiel Alarm, wenn Greifvögel dem Gehege zu nahe kommen.»
Die Patenschaft wird geschenkt
Die Hühnerpatenschaft kommt bei der Kundschaft gut an. «Wir haben verschiedene Paten. Dazu gehören Familien, Paare oder Pensionierte. Die meisten kommen aus dem Aargauer und Zürcher Limmattal. Im Moment haben wir 18 Paten aus Geroldswil, Oberengstringen, Otelfingen, Spreitenbach, Killwangen und Würenlos. Letztes Jahr zählten wir sogar 52 Gottis und Göttis», sagt Lienberger. Vielfach diene die Hühnerpatenschaft auch als Geburtstagsgeschenk.
Dass seine Idee auf Anklang stossen würde, damit hätte Lienberger 2016, als er die Aktion einführte, nicht gerechnet. «Ich habe damals einen mobilen Hühnerstall bestellt und mir Gedanken zur Vermarktung gemacht. Weil mein Vater bereits 2001 begonnen hat, Rosenpatenschaften für Rosen bei unseren Reben zu verkaufen, kam ich auf die Idee, das auch mit den Hühnern zu machen.» Das Problem sei, dass er die Legehennen nach einem Jahr austauschen müsse, weil ihre Legeleistung und die Qualität der Schale abnehmen würden. Das bedeute ihr Ende. «Mit der Hühnerpatenschaft habe ich einen Weg gefunden, den Tieren Lebensplätze zu garantieren, damit sie danach an einem anderen Ort bis zu ihrem natürlichen Tod weiterleben dürfen», so Lienberger.
Dem Landwirt ist es wichtig, dass die Kundschaft einen Bezug zu den Eiern hat. «Das Ei schmeckt besser, wenn man weiss, woher es ist und wie die Tiere gehalten werden», sagt Lienberger. Für ihn hat die mobile Haltung viele Vorteile. «Das Tier hat eine begrenzte Lebenszeit. Diese soll es so gut und so glücklich wie möglich draussen mit viel Auslauf verbringen können.» Die Hühner haben überdies immer frisches Gras. «Bei festen Hühnerställen gleicht der Auslauf einer Wüste. Wir können den Standort alle zwei bis drei Wochen wechseln, sobald das Gras verschwindet.» Zudem mache sich das Gras als Futter auch im Ei bemerkbar. «Das Eigelb wird durch das Betakarotin, das im Gras enthalten ist, viel intensiver in der Farbe und auch das Aroma des Eis schmeckt besser», sagt Lienberger.
Mit dem Traktor zur Hühnertaufe
Das Highlight für ihn und speziell auch für die Hühnerpaten seien jeweils die Taufanlässe. «Wir fahren dann mit den Gottis und Göttis mit dem Traktor vom Obstgarten zum Hühnermobil. Das ist bereits für viele ein Abenteuer», so Lienberger. Beim Hühnerstall dürfen die Paten ihr Huhn auswählen. «Jedes Huhn bekommt verschieden farbige Ringe um die Krallen, damit man es den Paten zuordnen kann. Wir helfen beim Anziehen der Ringe.» Lienberger informiert die Kundschaft an solchen Events überdies über den Tagesablauf der Hennen und gibt Hintergrundwissen zur Eierproduktion. «Eine Frage, die immer wieder auftaucht, ist, warum es Eier mit weissen und mit braunen Schalen gibt. Entscheidend für die Farbe ist die Farbe der Ohrläppchen des Huhns. Sind sie weiss, legt das Huhn weisse Eier. Sind sie rot, legt das Huhn braune Eier.» Um den Taufakt zu besiegeln, wird bei einem Apéro angestossen. Am meisten Freude bereiten Lienberger die Reaktionen der kleinsten Patinnen und Paten. «Das Schönste ist, die strahlenden Kinderaugen zu sehen. Dafür lohnt sich der Aufwand am meisten.»
Schon bald stehen einige Taufen an. «Wegen der aktuellen Vogelgrippe waren unsere Tiere in Quarantäne. Wir durften sie erst Anfang April rauslassen», sagt Lienberger. Zudem eigne sich das Wetter im Frühling sowieso besser für solche Anlässe. «Dann strahlen nicht nur die Kinder, sondern auch die Sonne.»